Der Verlag Elster & Salis Wien und seine Verlegerin Anja Linhart
Foto: ©Stefan Diesner
Zum Bücherlesen fand Anja Linhart erst relativ spät, gerade weil sie – in Deutschland – als Tochter einer Buchhändlerin aufwuchs. Bis 13 hatte sie entschieden andere Interessen. Aber dann fiel ihr ein Buch von Simone de Beauvoir in die Hände und der Funke sprang über: „Das war meine Einstiegsdroge. Ich musste alles von ihr lesen.“ Nach der Schule fing sie beim Radio an, die journalistische Arbeit behielt sie dann auch während des Studiums (Politikwissenschaften)in Frankfurt und danach bei – den Gegensatz von kurzen Radioclips und langen theoretischen Arbeiten, die sie auf der Uni verfassen musste, fand sie reizvoll. 2008 kam sie aus privaten Gründe nach Wien, wo sie zunächst beim Wiener Kindertheater mitarbeitete, ehe sie 2020 über einen Bekannten das Angebot bekam, ein Büro des Schweizer Verlags Elster & Salis in Wien aufzubauen, in dessen Lektorat sie schon länger gearbeitet hatte. Seit 2023 ist Elster & Salis Wien ein eigenständiger Verlag, der sich vor allem um aktuelle österreichische Literatur kümmert.
wienlive: Woher nahmen Sie den Mut, einen Verlag zu gründen?
Anja Linhart: Nun, ich hatte ja viel gelernt bei Elster & Salis und hatte große Unterstützung aus der Schweiz. Gerade in der Pandemie konnte man im Verlagsbereich nicht viel machen und so hatte ich Zeit, mich in das Geschäft einzuarbeiten. Mit Gábor Fónyad („Als Jesus in die Puszta kam“), Johanna Wurzinger („Und das Universum schweigt“) und Lisbeth Exner („Realitätenhandlung“) hatte ich aber bald schon ein hochwertiges Programm. Und dann kam Silvia Pistotnigs „Die Wirtinnen“ und wurde zu einem kleinen Bestseller – das verkauft sich immer noch gut, auch in Deutschland. Für mich ein zeitloses Buch, das drei Generationen anspricht und auch von drei Generationen gelesen wird – fast schon ein Klassiker.
Aktuell scheint die österreichische Literatur geradezu zu boomen – heimische Autoren/Autorinnen gewinnen goße deutsche Buchpreise. Es gibt zahlreiche Debüts, nicht nur von ganz Jungen. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Ja, und es stimmt, dass einige auch etwas später, wenn sie sozusagen schon ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt haben, mit dem Schreiben ernst machen. Jakob Pretterhofer hat schon bei Luftschacht einen Roman herausgebracht, aber er lehrt auch an der Filmakademie Drehbuch und Dramaturgie. Wenn man seine Texte liest, merkt man sofort, dass er sehr viele Bilder im Kopf hat. Er ist aus dieser Generation von Anfang-40-Jährigen, die die Dinge ganz anders sehen – auch weil sie schon eine Familie haben. „Die erste Attacke“ entwickelt sich dann auch vom Bobo-Familienroman zum etwas trashigen 70er-Jahre Horror-Movie.
In Wirklichkeit geht es um die geradezu inflationär zunehmenden diffusen Ängste, die sich auch in der Pandemie gezeigt haben. Dazu der Krieg und die Klimakrise – beides Bedrohungen, die für den Einzelnen nicht greifbar scheinen.
Wo sehen Sie die Nische von Elster & Salis Wien?
Ich habe noch niemand angesprochen, der bei einem anderen Verlag war, aber es kommen doch einige zu mir, die bereits in größeren Verlagen zu Hause waren. Eine Autorin hat einmal zu mir gesagt: „Ich will nicht bei einem Verlag nur eine Nummer sein.“ Bei unserem kleinen Programm sind natürlich alle Autorinnen und Autoren jeweils sozusagen der Haupttitel. Ich arbeite immer auf Augenhöhe mit ihnen zusammen, ich würde nie ein Buchcover machen, das dem Autor, der Autorin nicht gefällt. Jeder Autor, jede Autorin bringt ja neben neuen Themen auch eine eigene Community mit, wir sind definitiv noch im Wachsen.
Ich arbeite viel im Home Office, ich habe nur eine freie Korrektorin und einen Grafiker, das Lektorat mache ich selbst. Eigentümer von Elster & Salis Wien ist ein Schweizer Investor – ein begeisterter Leser –, ich bin die Geschäftsführerin.
Leider bekommen in Österreich nur Verlage, die drei Jahre lang mindestens fünf Titel im Jahr herausbringen eine größere Verlagsförderung – alle anderen bekommen nur sehr wenig öffentliche Unterstützung. Ich mache aber sicher kein Buch, von dem ich nicht überzeugt bin.
Bekommen Sie inzwischen schon viele Manuskripte zugesandt?
Ja, es steigt sowohl die Anzahl als auch erfreulicherweise die Qualität. Unser Profil ist klar: Wir machen ausschließlich zeitgenössische Literatur von österreichischen oder in Österreich lebenden Autorinnen und Autoren. Ich arbeite, wenn es sich vermeiden lässt, auch nicht mit Agenturen zusammen, weil ich selber gerne den direkten Kontakt mit meinen Autorinnen und Autoren habe.