Die Zeit anhalten – Kino auf der Bühne bei „Bullet Time“ am Volkstheater
©Marcel Urlaub
Ein Western am Theater? Warum nicht – Alexander Kerlin hat ein Stück über „Die Geburt des Kinos aus dem Geiste eines Mörders“ geschrieben, konkret geht es um den Fotografen Eadweard Muybridge, der im Auftrag des amerikanischen Eisenbahn-Milliardärs Stanford dessen schnelles Lieblingspferd Occident beim Galopp ablichten soll – und zwar so, dass geklärt werden kann, ob es einen Augenblick gibt, in dem das Pferd nicht mehr den Boden berührt. Das war im 19. Jahrhundert freilich ein technisches Problem, Verschluss und Fixierungsmaterial mussten erst entwickelt werden. Doch Muybridge wurde auch zum Mörder seines Nebenbuhlers, mit dem sich seine Frau in den langen Zeiten seiner Abwesenheit getröstet hatte. Die Gerichtsverhandlung in dessen Verlauf Muybridge freigesprochen wird, bildet die Klammer des Abends.
VT-Chef Kai Voges lädt uns in seinem Theater dabei zu einem Filmabend, eine riesige Leinwand beherrscht die Bühne, mehrere Kameras liefern Live-Bilder von den auf der Bühne gespielten Szenen. Das in historisch inspirierten Kostümen tapfer agierende Ensemble (Frank Genser, Lavinia Nowak, Anke Zillich, Evi Kehrstephan, Fabian Reichenbach, Uwe Rohbeck, Elias Eilinghoff, Uwe Schmieder, Claudia Sabitzer, Christoph Schüchner) wird zur Filmcrew. Oft sieht man sie gar nicht mehr, weil die Kameras sie verdecken.
Der Abend bietet gute Unterhaltung. Es ist natürlich witzig zu erfahren, dass man den ersten Zeitlupe-Bildern des galoppierenden Pferdes nicht traute und nach Betrug rief, während heute Fake News mit manipulierten Bildern fast schon die Regel sind. Der Regisseur scheint von der Fülle an Bezügen zu heute allerdings geradezu berauscht, das Finale gerät unnötigerweise allzu pathetisch.
Infos & Karten: volkstheater.at