Verborgene Moderne – „Faszination des Okkulten in Wien um 1900“

Wien war wohl schon in der Monarchie ein Hot-Spot der Alternativbewegungen. 1897 gründete der deutsche Maler Karl Wilhelm Diefenbach nach schlechten Erfahrungen in Deutschland, wo er im Gefängnis saß, weil er seine Kinder nackt baden ließ, mit Gleichgesinnten die Künstlerkommune „Humanitas“ im Hause der ehemaligen Gaststätte „Am Himmel“ in Ober Sankt Veit. Fleisch und Alkohol waren streng verboten, es galt, seinen Körper für den Geist rein zu halten. In Wien fand 1922 auch ein großer Theosophenkongress statt – Rudolf Steiner war schließlich ein Altösterreicher –, und auch das „Rote Wien“ versuchte mit den neuen Gemeindebauten das menschliche Bedürfnis nach „Luft und Sonne“ zu erfüllen. Diefenbachs Gemälde „Du sollst nicht töten“ ist eines der Hauptwerke in der bis 18. Jänner 2026 zu sehenden, unglaublich umfassenden Ausstellung „Verborgene Moderne – Faszination des Okkulten um 1900“ im Leopold Museum.

Denn während sich der Materialismus am Höhepunkt der Industrialisierung in seiner reinsten Form ausbreitete, entstanden weltweit auch alternative Gegenbewegungen. Körperkult, Vegetarismus, Kleiderreform, Ausdruckstanz und Theosophie waren Symptome einer von Friedrich Nietzsche eingeforderten ethischen Revolution. Auch Geisterbeschwörungen und Séancen waren weit verbreitet und beeinflussten Künstler nicht nur in Wien. Aber im Geist Richard Wagners entstand eben auch ein unheilvoller rassischer Nationalismus. Die von Matthias Dusini und Ivan Ristic kuratierte, sehr umfangreiche Schau zeigt eine Epoche im Umbruch. 165 Kunstwerke von etwa 65 Künstler:innen, darunter Karl Wilhelm Diefenbach, Fidus, Gabriel Von Max, Albert von Keller, August Strindberg, Edvard Munch, Ferdinand Hodler, Arnold Schönberg, Richard Gerstl, Oskar Kokoschka, Egon Schiele, František Kupka, Wassily Kandinsky sowie viele weniger bekannte Persönlichkeiten. Sogar erste Fitnessgeräte aus einem Reformhotel sind zu sehen. Das sollte man sich nicht entgehen lassen!

(Foto: FERDINAND HODLER, Blick ins Unendliche III, 1903/04 © Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne. Erworben 1994 | Foto: MCBA/Lausanne)

„Verborgene Moderne – Faszination des Okkulten um 1900“

Leopold Museum im MuseumsQuartier

Täglich außer Dienstag geöffnet:
10 bis 18 Uhr

leopoldmuseum.org