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Gedanken zum Strauss-Jubiläum 2025 von Otto Brusatti

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Und wieder neigt sich ein volles Erinnerungs- und, na, nennen wir es Gestaltungsjahr. Ohne Vollständigkeit aufgezählt: ganz runde Geburtstage für den Rainer Maria Rilke, den Johann Strauss/Strauß, den Thomas Mann, für Giacomo Casanova, Patrice Lumumba, Ernst Jandl oder Jane Austen …

Zugegeben, das Sich-Anhängen an solche Ereignisse (incl. Todesdaten) kann nerven. Allein – und hierbei wird seitens der Kulturpolitik seit vielen Jahrzehnten und zur Glorie für was und wen auch immer nachgegeben – es lässt sich dergestalt halt eher gutes Geld aufstellen. Rilke oder Mann haben verdienstvoll in den Medien und im Verlagswesen besondere Aufmerksamkeiten bekommen, Schauspielern und Schauspielerinnen bzw. Politgrößen wurde nachgetrauert oder nachgespuckt. Weiterhin Jahreshits verzeichnen hingegen die Komponisten, aktuell noch immer der Johann, der Schani, der Jean, der Sohn. An ihm, als Beispiel, Herausragendes und Menetekel, sei kurz sich geburtsjährig nun festgeklammert. Er zählt zu den meistgespielten und bekanntesten Menschen dieser Welt, Wien schmückt sich, zurecht, dauernd mit ihm. Die Straussstadt stand also vor der Aufgabe, das würdige und besondere Feier-Jahr zum 200er auszurichten. Ein spezielles Budget wurde herbeigezaubert wie noch für keinen vergleichbaren Großmeister. Man durfte ja aus dem Vollen schöpfen: Hunderte an Kompositionen, eine Musikerfamilie rundum von vergleichslosen Graden, ein Genre-Angebot für beinahe alle Bedienungsmöglichkeiten, gelegentlich sogar spannend Privates.

Und dann: ein paar Bühnenwerke wurden, angeblich zeitgemäß und dergestalt angeblich vom modernen Publikum so erwartet, aufgemascherlt, ein paar Dokus gedreht, die Hits in Festproduktionen (wie immer schon) eingebettet. 

Ja, nun Blicke ins Graue der Zukunft zu werfen ist gefährlich oder jedenfalls heikel. Aber übrig bleiben sollte (könnte?) von all dem nichts. Man wird dann weiterhin bloß die drei oder viel Lieblingsoperetten als witzige Schaudernostalgie programmieren und die Scheinaktualitäten aus 2025 sowieso kaum je nachproduzieren, man wird die circa 30 Konzert-Tanzboden-Hits runter- und raufspielen (und sich bei dem vielen Unbekannten aus dem Oeuvre jedes Mal  rühmen, dergestalt toll fündig gewesen und geworden zu sein, vgl. manche Neujahrskonzert-Peinlichkeiten). Aber Strauss/Strauß, und das ist ein weiteres Zeichen seiner Größe, hat sowieso nichts anderes nötig. Punkt. Ja, das war jetzt hart, aber solche Scheinkreativitäten mittels kulturpolitisch motivierter finanzieller Großausschüttungen sind eben auch mit unerwarteten Gefahren verbunden.

Zwei Anmerkungen noch:

Es gibt weiterhin kein abgeschlossenes Strauss-Werk-Quellenverzeichnis. Die ungemein und seit Jahrzehnten diesbezüglich verdienstvollen Macher kämpften Jahr für Jahr, parallel zu den Abermillionen, mit denen Wien seinen Schani umschlungen hat, um ein paar Tausender, damit man nämlich überhaupt irgendwie karg weiterarbeiten konnte oder gar könne.

Und dann noch: Bald (2027) ist wieder Beethoven dran (wir erinnern uns, jenes damals, 2020, ist, als ein Anliegen Wiens, kürzlich erst ebenfalls recht peinlich ausgegangen); 2028 sollte es ein Spezial-Erinnern für den Franz Schubert geben. Beide verstarben jeweils vor 200 Jahren in dieser Stadt. Aber von der Größe, der Gewalt, dem Umfang und der vergleichslosen Besonderheit vor allem der rund 1000 Schubert-Kompositionen hat man hierorts weiterhin nur wenig Ahnung.

Wir schauen froh nun nichts ins Grau, sondern nach vorne, denn solche Groß- und Altmeister eröffnen der Stadt ja selbst nach Jahrhunderten weiterhin alle Chancen beim Nachvollzug, und das sogar bloß im halbwegs erfüllenden Entsprechen derer Genialität.

Foto: Photograph of Johann Strauss II by Fritz Luckhardt (1876)

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