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Schuld oder Schicksal? – „Ödipus Tyrann“ im Volkstheater

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Schon oft erlebt: Nach einer geglückten Inszenierung eines antiken Dramas beschleicht einem das Gefühl, dass alle wirklich wichtigen Themen schon vor mehr als 2000 Jahren verhandelt wurden. So auch bei der Übernahme von Nicolas Stemanns Inszenierung von Sophokles‘ „Ödipus Tyrann“ aus dem Schauspielhaus Zürich im Volkstheater. Bekanntlich versuchen sowohl die leiblichen Eltern als auch ihr Sohn Ödipus den vom Orakel geweissagten Schicksal zu entkommen und geraten durch ihr darauf gegründetes Tun direkt ins Verderben. Sie werden schuldlos schuldig. Oder sind sie doch nur vom Schicksal geschlagen? Aber ist das nicht auch das Los der gesamten Menschheit?

Auf eben diese Schuldfrage zielt Regisseur Nicolas Stemann und braucht dafür nur zwei – allerdings exzellente – Schauspielerinnen. Alicia Aumüller – seit der Saison auch Ensemblemitglied im Volkstheater – und Patrycia Ziółkowska spielen in dieser auf 100 Minuten gekürzten Fassung alle Rollen. Und das sicher nicht, weil Frauen am Theater zu wenige Rollen spielen dürfen, sondern weil Ödipus einfach ein Mensch ist und das Geschlecht hier unerheblich.

Ein Bühnenbild braucht es auch nicht – ein paar Stufen vor einer schwarzen Mauer, ein Mikrofonständer, ab und zu Bühnenrauch. Vor zu viel an Bedeutung und Pathos rettet sich der Abend mit einigen Abstechern in die unmittelbare Gegenwartssprache. Am Ende wird man für Minuten arg von Scheinwerfern geblendet. Weil sich Ödipus aus Gram die Augen aussticht? Geschenkt – „Ödipus Tyrann“ zeigt, wie aktuell die Antike ist.

(Foto: Marcella Ruiz-Cruz)

Karten und Infos: volkstheater.at

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