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(c)Matthias Horn

Shakespeare in langsamer Düsternis – „Ein Sommernachtstraum“ im Burgtheater

Bild: ©Matthias Horn

Man gibt wieder einmal den Sommernachtstraum, das vielleicht vielfältigste Stück des großen William Shakespeare. Im Burgtheater präsentierte man als Koproduktion mit der Ruhr Triennale (Duisburg), wo im Sommer bereits die Uraufführung lief, vor allem mit Hauskräften und unter der Regie von Barbara Frey dies alles (?) in etwas mehr als durchgehenden zwei Stunden. Es war schon eine zwingende Aufführung als ein dahinziehendes Gesamtbild mit Drehbühne und vor allem (seit Wochen in den Medien derart beworben) mit dem „Gag“ (?), dass die Männer und die Frauen mehrfach die Rollen wechseln. (Achtung: Aktuelle Diskussion!) Ein wenig Musik gibt es zum Auflockern. Die Sache ist stets in ein Grau getaucht. Es wird nie laut, nie ausgelassen, manchmal zieht es sich, die Sprache ist nett gefasst, aus dem Ensemble stechen Sylvie Rohrer und vor allem der Zettel des Oliver Naegele hervor. Weitgehende Begeisterung wogte im Premieren-Publikum, das sich – das Stück wurde allerdings bewusst als ernsthafte Auseinandersetzung mit Ängsten, Fluchtgedanken oder Partnerproblemen inszeniert – manchmal wie im Sommer-Bauerntheater laut kichernd gerierte. Na gut.

Eine Neudeutung ist das nicht gewesen, viel Stehtheater gab es, manchmal wurden die Texte mehr oder weniger nur aufgesagt. Na, auch gut.

Es sei aber zu diesem Anlass (Saisoneröffnungspremiere und internationale Produktion) erlaubt, doch drei Dinge anzumerken:

. Das arge Bühnenbild (mit Fensterscheibenreihen zwischendurch, mit ein paar leicht kaputten Bäumen und mit vier, im Sand halbversunkenen Auto-Wracks) ist in Zeiten von Klimakatastrophen zumindest etwas grenzwertig.

. Es strengt an, eine Inszenierung verfolgen zu müssen, wo sich nichts entwickelt, noch dazu im „Sommernachtstraum“!). Meistens kommen und gehen die Protagonisten, liefern was ab und verschwinden wieder im satten Herbstnebel.

. Aber dann! Ja, ganz bewusst jetzt behauptet: Es geht zu, wie in vielen Inszenierungen jüngst in diesem Theater (es sei beispielhaft auf die Stücke Geschichten aus dem Wienerwald, Die gefesselte Fantasie oder die letzten Inszenierungen von Jelinek-Texten verwiesen, ja sogar zudem auf die handwerklich ausladende, intensive Zauberberg-Bearbeitung), also, nochmals und weiter bewusst salopp: Es geht zu, ohne dass man wirklich mitkriegt, worum es geht. Oder noch schärfer gesagt: Würde man, ohne zuvor irgendwas über den Inhalt des Stückes zu wissen, da ins Burgtheater hineingesetzt, man hätte am Schluss keine Ahnung, worum es auch im weitesten Sinn eigentlich gegangen ist.

[N.B. das ist zwar bei einem Großteil der gängigen Opern auch so, doch dort entschädigt zumeist die Musik.]

Von Otto Brusatti


Infos & Karten: burgtheater.at

Regieberserker und Autor Rainer Werner Fassbinder gestaltete den Übergang zwischen Bühne und Film zeitlebens fluid. Vieles, was im Theater uraufgeführt wurde, verfilmte er später.

Die bitteren Tränen der Petra von Kant – Rainer Werner Fassbinder am Akademietheater

Bild: ©Matthias Horn

Regieberserker und Autor Rainer Werner Fassbinder gestaltete den Übergang zwischen Bühne und Film zeitlebens fluid. Vieles, was im Theater uraufgeführt wurde, verfilmte er später. So auch „Die bitteren Tränen der Petra Kant“, 1971 erstmals als Theaterstück in Frankfurt und 1972 mit Hanna Schygulla als Film. Seine Themen waren ja auch immer ähnlich. Zerstörerische Lieben im falschen gesellschaftlichen System.

Im Akademietheater hat Lilja Rupprecht dieses Drama in einen zeitlosen Rahmen gestellt, man telefoniert zwar noch mit einem Wählscheibentelefon, aber es hat keine Schnur mehr und der Raum sieht aus wie ein modernes Schwimmbad – weiße Kacheln, viel Glas, die Wände werden mittels Videoprojektionen zum erweiterten Spielplatz. Dörte Lyssewski als Titelheldin, die am Beginn schon als Wrack auf dem Boden liegt, wird erweckt und angekleidet von ihrer Marlene (Annamária Láng). Nach dem Ende einer Beziehung mit einem Mann wird sie von einem zufällig eintreffenden jungen Mädchen im Gefolge ihrer Freundin Sidonie (Stefanie Dvorak) wieder aufgebaut und verliebt sich prompt in sie. Als gefeierte Modeschöpferin kann sie dieser Karin (Nina Siewert) eine Karriere als Model bieten. Die Klassenunterschiede zwischen den beiden können krasser nicht sein. Karin ist in schwierigen sozialen Familienverhältnissen aufgewachsen (der trinkende Vater hat die Mutter erstochen und sich dann erhängt), während Petra an ihrer gutbürgerlichen Abstammung kaut.

Das Liebesdrama mit vorhersehbarem Ausgang – die junge Karin lässt die viel ältere Petra als erfolgreiches Model zurück und geht zu ihrem australischen Ehemann – bekommt durch die extremen Kostüme (Annelies Vanlaere) eine futuristischen Schwung, in den Wortgefechten geht es freilich wie immer um Abhängigkeiten, Macht und immer mehr um die existenzielle Einsamkeit, die Lyssewski sehr anschaulich darzustellen vermag. Überhaupt ist das Ensemble perfekt eingespielt, man ist als Zuseher bereit, ihnen alle Worte zu glauben. Das im letzten Drittel eingefügte Gespräch einer Journalistin (Stefanie Dvorak) mit Fassbinder (Norman Hacker), ein Zusammenschnitt zweier realer Interviews mit dem Regisseur, bringt biografische und zeithistorische Authentizität. Ein dichter Abend, der trotz der wenig überraschenden Handlung niemals langweilig wird, wozu auch die Live-Musik (Viktoria Mezovsky /Jessica Choma) entscheidend beiträgt.


Infos & Karten: burgtheater.at

Die Sommerkultur-Initiative von Georg Hoanzl und Michael Niavarani geht heuer bereits ins 4. Jahr. Das Erfolgskonzept: Theater, Musik, Literatur und Kabarett in lauschiger Atmosphäre unter wunderschönen Bäumen.

Theater im Park – Bühne zwischen Bäumen

Bild: ©Markus Wache

Die Sommerkultur-Initiative von Georg Hoanzl und Michael Niavarani geht heuer bereits ins 4. Jahr. Das Erfolgskonzept:
Theater, Musik, Literatur und Kabarett in lauschiger Atmosphäre unter wunderschönen Bäumen.

Der Park zwischen dem Palais Schwarzenberg und dem Belvedere ist einer der schönsten in Wien und die Bühne von „Theater im Park“ steht zwischen mächtigen Platanen. Die Gartenanlage entlang der Prinz-Eugen-Straße ist zur Verblüffung aller mitten in der Pandemie zu einem Hotspot der Wiener Sommerkultur geworden.
Bürgermeister Michael Ludwig: „Die Natur ist die beste Kulisse. Die Stadt Wien sowieso. Beides zusammen ist das Theater im Park, wo sich auch heuer Umgebung, Darsteller und Publikum zu einem unvergleichlichen Erlebnis im Herzen Wiens vereinen.“
Besonders geschätzt werden die großzügig angelegten Sitzreihen mit viel Platz für Getränke dazwischen. 

Bis 16. September gehen heuer wieder dutzende Termine aus den Sparten Kabarett, Literatur, Theater, Musik und Diskussionen über die Bühne. Stars aus Kabarett, Comedy, Klassik, Jazz, Wienerlied, Musical, Literatur, Talk und Philosophie haben sich angesagt.

Sommernachtstraum

Die Eigenproduktion der Saison ist Michael Niavaranis Adaption von Shakespeares „Sommernachtstraum“. Michael Niavaranis Polterabend hat bereits im vergangenen Sommer in mehreren Einspielvorstellungen das Publikum begeistert. Die rein aus Eigenmitteln finanzierte Produktion mit 27 Darsteller*innen bildet 2023 ein Highlight der Saison!
Niavarani: „Ich dachte über den Sommernachtstraum zuerst: was ist das für ein Blödsinn? Da wird einer in einen Esel verwandelt und schläft mit der Feenkönigin, das ist ja furchtbar. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein sehr romantisches, liebevolles, absurdes Stück, das sich mit dem Thema beschäftigt, das uns alle wahrscheinlich am meisten berührt, nämlich mit der Liebe, mit dem Verliebtsein. Und es ist natürlich ein Traum, ein Fantasy-Traum. Ein Marvel-Comic ist nichts dagegen!“ 

©Stefan Gergely

Musik & Poesie 

Dass auch Hochliteratur unterhaltend präsentiert werden kann, beweist am 28. August Burgschauspielerin Birgit Minichmayr mit ihrem Programm „As An Unperfect Actor“ bei dem sie Shakespeare-Sonette zu einem Jazzensemble (in Arrangements des Jazz-Pianisten Bernd Lhotzky) in ganz besonderer Interpretation singt. So eindrucksvoll kann Shakespeare wohl selten erlebt werden.

Weitere anspruchsvolle Höhepunkte: In der Reihe „Philosophie unter Platanen – Kein Stein auf dem anderen“ sprechen die Philosophin Isolde Charim und der Schriftsteller Michael Köhlmeier am 27. August zu Zeitfragen. Publikumslieblinge aus der Kabarettszene wie Alex Kristan, Gery Seidl, Gernot Kulis, Thomas Stipsits, Lisa Eckhart, Stermann & Grissemann, Dirk Stermann solo, Christoph Fritz, Viktor Gernot, Roland Düringer, Alfred Dorfer, Lydia Prenner-Kasper, Paul
Pizzera mit Gabi Hiller und Philipp Hansa garantieren beste Unterhaltung.

Den Abschluss bilden die Science Busters: Kabarettist Martin Puntigam, der Astronom Florian Freistetter und der Molekularbiologe Martin Moder bitten am 16. September zur GLOBAL WARMING PARTY HARD – denn der Weltuntergang will ordentlich gefeiert werden. 


theaterimpark.at

Theater im Park, die Initiative von Georg Hoanzl und Michael Niavarani hat ein bestechendes Erfolgskonzept: Theater, Musik, Literatur und Kabarett in lauschiger Atmosphäre unter wunderschönen Bäumen. Wir verlosen 4x 2 Karten für Birgit Minichmayr Shakespeare-Jazzabend.

Theater, Musik, Literatur und Kabarett in lauschiger Atmosphäre

Foto: ©Sascha Kletzsch

Theater im Park, die Initiative von Georg Hoanzl und Michael Niavarani hat ein bestechendes Erfolgskonzept: Theater, Musik, Literatur und Kabarett in lauschiger Atmosphäre unter wunderschönen Bäumen. Wir verlosen 4x 2 Karten für den Birgit Minichmayr Shakespeare-Jazzabend.

Der Park zwischen dem Palais Schwarzenberg und dem Belvedere ist einer der schönsten in Wien und die Bühne von „Theater im Park“ steht zwischen mächtigen Platanen. Die Gartenanlage entlang der Prinz-Eugen-Straße ist zur Verblüffung aller mitten in der Pandemie zu einem Hotspot der Wiener Sommerkultur geworden. Besonders geschätzt werden die großzügig angelegten Sitzreihen mit viel Platz für Getränke dawischen.

Von 25. Mai bis 16. September gehen heuer – bereits zum 4. Mal – wieder dutzende Termine aus den Sparten Kabarett, Literatur, Theater, Musik und Diskussionen über die Bühne. Stars aus Kabarett, Comedy, Klassik, Jazz, Wienerlied, Musical, Literatur, Talk und Philosophie haben sich angesagt.

Die Eigenproduktion der Saison ist Michael Niavaranis Adaption von Shakespeares „Sommernachtstraum“. Michael Niavaranis Polterabend hat bereits im vergangenen Sommer in mehreren Einspielvorstellungen das Publikum begeistert. Die rein aus Eigenmitteln finanzierte Produktion mit 27 Darsteller*innen bildet 2023 ein Highlight der Saison! Niavarani: „Ich dachte über den Sommernachtstraum zuerst: was ist das für ein Blödsinn? Da wird einer in einen Esel verwandelt und schläft mit der Feenkönigin, das ist ja furchtbar. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein sehr romantisches, liebevolles, absurdes Stück, das sich mit dem Thema beschäftigt, das uns alle wahrscheinlich am meisten berührt, nämlich mit der Liebe, mit dem Verliebtsein. Und es ist natürlich ein Traum, ein Fantasy-Traum. Ein Marvel-Comic ist nichts dagegen!“

Wir verlosen 4x 2 Karten für Birgit Minichmayr Shakespeare-Jazzabend. – ©Sascha Kletzsch

Dass auch Hochliteratur unterhaltend präsentiert werden kann, beweist am 28. August Burgschauspielerin Birgit Minichmayr mit ihrem Programm „As An Unperfect Actor“ bei dem sie Shakespeare-Sonette zu einem Jazzensemble (in Arrangements des Jazz-Pianisten Bernd Lhotzky) in ganz besonderer Interpretation singt. So eindrucksvoll kann Shakespeare wohl selten erlebt werden.

Weitere anspruchsvolle Höhepunkte: In der Reihe „Philosophie unter Platanen – Kein Stein auf dem anderen“ sprechen die Philosophin Isolde Charim und der Schriftsteller Michael Köhlmeier am 27. August zu Zeitfragen. Publikumslieblinge aus der Kabarettszene wie Alex Kristan, Gery Seidl, Gernot Kulis, Thomas Stipsits, Lisa Eckhart, Stermann & Grissemann, Dirk Stermann solo, Christoph Fritz, Viktor Gernot, Roland Düringer, Alfred Dorfer, Lydia Prenner-Kasper, Paul Pizzera mit Gabi Hiller und Philipp Hansa garantieren beste Unterhaltung.

Den Abschluss bilden die Science Busters: Kabarettist Martin Puntigam, der Astronom Florian Freistetter und der Molekularbiologe Martin Moder bitten am 16. September zur GLOBAL WARMING PARTY HARD – denn der Weltuntergang will ordentlich gefeiert werden.

theaterimpark.at

Wir verlosen nur in diesem Newsletter 4×2 Karten für Birgit Minichmayr am 28. August – Mail mit Nachricht „As An Unperfect Actor“ an: wienlive-redaktion@echo.at

(c)BarbaraPálffy

Mozart in eigenwilliger Version – „Die Entführung aus dem Serail“ an der Volksoper

Klar: Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ behauptet sich auf den Bühnen wohl nicht wegen des ausgezeichneten Librettos, sondern wegen der genialen Musik. Die Vorurteile der Zeit finden sich im Operntext wieder, was kein Wunder ist, denn vieles war eben noch nicht bekannt.

Doch muss man deshalb – wie in der aktuellen Fassung an der Volksoper – gleich die Erklärungen, die sonst Programm ihre Berechtigung haben, auf die Bühne hieven? Poetry Slammer und Rap Artist Sulaiman Masomi verpasste dem Singspiel zusätzliche Dialoge und Monologe, die uns etwa den Sklavenhandel erklären und Konstanzes Gefährtin Blonde versucht gar – natürlich vergebens – Selims Harem vom Matriarchat zu überzeugen. Das zieht das Ganze nicht nur in die Länge, sondern stellt das Publikum auf die Stufe von unaufgeklärten Volksschülern, denen man im Schulunterricht historische Schandtaten – wie den Sklavenhandel der Engländer – vermitteln muss.

Dabei hat sich Regisseur Nurkan Erpulat sonst um eine durchaus flüssige Fassung des Musikdramas bemüht, Dirigent Alfred Eschwé gelingt eine nuancierte Musik und Stefan Cerny erntet als Bösewicht und Kerkermeister Osmin zurecht viel Applaus. Das übrige Sängerinnen- und Sängerensemble hielt sich zumindest tapfer.

Das eher ruhige Bühnenbild von Magda Willi zitiert den Orient nur – der zweite Teil spielt dann in und rundherum einer riesigen, aufgeschnittenen Feige (Achtung Symbol!) – und Kostümbildnerin Aleksandra Kica lässt die westliche Welt in Schwarz auftreten und gönnt nur Selim und Osmin füllige Röcke.

Eine Aufführung, die an das „gut gemeinte“ Theater der 60er- und 70er-Jahre erinnert.

Infos und Karten: volksoper.at

Albern Bergs Oper „Lulu“ bei den Wiener Festwochen – ein Ballett als Oper.

Albern Bergs Oper „Lulu“ bei den Wiener Festwochen – ein Ballett als Oper

Bild: ©Monika Rittershaus

Noch bevor die Musik einsetzt, tänzeln junge Menschen in schwarzen Hosen, blauen Schuhen und weißen Hemden mit Handtüchern um den Hals und blauen Wasserbechern auf die Bühne, die man sich als Sozialraum eines hochpreisigen Fitnessstudios denken kann. Eine Münze wird geworfen und Dirigent und Orchester legen los. Dass die aus Kap Verde stammende Marlene Monteiro Freitas vor dieser, ihrer ersten Opernregie, als Choreografin arbeitete, ist unübersehbar. Denn die stummen Tänzer bleiben während des gesamten Abends auf der Bühne, hinter der erhöht das Orchester untergebracht ist. Sie verbiegen sich akrobatisch, gehen auf nur für sie sichtbaren Bahnen, setzen sich auf Holzsesseln oder machen Auflockerungsübungen. Sie scheinen das bei „Lulu“ ja nicht ganz undramatische Geschehen zu kommentieren. Allerdings tun sie das sehr cool und emotionslos. Da nützt auch die bisweilen aufgemalte Clownschminke wenig.

Seltsam unsinnlich agieren auch die Sängerinnen und Sänger – auch wenn ihre Stimmen meist höchst delikat klingen. Etwa die wunderbare deutsche Sopranistin Vera-Lotte Boecker in der Titelrolle, Edgaras Montvidas als Alwa, Anne-Sofie von Otter als Gräfin Geschwitz oder Cameron Becker als suizidaler Maler. Bloß Bo Skovhus als Dr. Schön und Kurt Rydl als Schigolch ließen sich vom Regiekonzept nicht gänzlich zähmen – sie überraschen fast mit ihrem Temperament.

In dieser Gemeinschaftsarbeit der Wiener Festwochen mit dem Musiktheater an der Wien

musiziert das ORF-Radiosymphonieorchester Wien unter Dirigent Maxime Pascal fehlerlos in der nicht idealen Akustik des Raums.

Am Ende führt ein nicht erkennbarer Mann eine groteske, puppenhafte kleine (auf den Knieen rutschende) Frau als Braut vor – eine Vorstellung wie ein Statement gegen die multiblen Vereinnahmungen des Frauenkörpers. Lulu war und ist für Männer eben immer nur ein Spiegel.

Noch bis 6. Juni in der Halle E im MuseumsQuartier zu sehen.

Infos: festwochen.at

Spannendes britisches Theater bei den Wiener Festwochen – nur noch heute zu sehen: „Drive your Plow Over the Bones of the Dead“

Bild: ©Marc Brenner

Auf Deutsch hieß der Roman der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk etwas sinnbefreit „Der Gesang der Fledermäuse“. Er war ein großer Erfolg, ist er doch eine Art Öko-Thriller mit einer sehr einprägsamen, eigenwilligen Rächerin. Bei den Wiener Festwochen gastiert noch bis heute, Freitag, die Gruppe Complicité mit „Drive your Plow Over the Bones of the Dead“ wie der ins Englische übersetzte Titel des Romans in Anklang an William Blake tatsächlich heißt. Ein fast dreistündiger Abend, der zum Triumpf für die Ausnahmeschauspielerin Kathryn Hunter wird. Die kleine, ältere Dame trägt – leger gekleidet, wie man sich eben in einer Mini-Siedlung am Rande Polens und fast schon im Wald gibt – als Erzählerin das komplette Geschehen. Sie berichtet ziemlich unaufgeregt von mehreren Morden an ihren Nachbarn, die allesamt ihre Feinde waren, da sie sich an den Tieren der Gegend versündigt hatten. Die ehemalige Brückenbauerin, Tierliebhaberin, Englischlehrerin und Astrologin Janina, chronisch krank, glaubt gar, dass die Tiere sich nun gegen die Menschen verschworen haben und brutal zurückschlagen. Ihre acht Mitspielerinnen und -spieler sind nur Stichwortgeber oder bilden ab und zu eine Art Tierballett. Regisseur Simon McBurney verwendet gezielt Videomaterial, Licht und Musik, um ihre üackende Erzählung zu illustrieren. „Drive your Plow Over the Bones of the Dead“ wird so zu einem unvergesslichen Theaterereignis und zum Beweis, dass es bei entsprechendem Konzept und fähigen Spielerinnen und Spielern gelingen kann, spannender als Netflix und Co eine Geschichte zu erzählen.

Infos: festwochen.at

Eisbären – Dramolette im Schauspielhaus. Am besten wäre es gar nicht mehr aufzustehen, nicht aus dem Haus zu gehen oder – Gott behüte! – andere Menschen zu treffen…

Eisbären – Dramolette im Schauspielhaus

Bild: ©Matthias Heschl

Am besten wäre es gar nicht mehr aufzustehen, nicht aus dem Haus zu gehen oder – Gott behüte! – andere Menschen zu treffen. Eigentlich ist es zu Hause doch eh ganz nett – und das Alleinsein vielleicht sogar die einzige Art von Freiheit, die einem heute noch bleibt… Im Wiener Schauspielhaus wurden jetzt vier „Dramolette zum Alleinsein“ uraufgeführt, die das Theaterkollektiv FUX in Auftrag gegeben hat. Eines der Stücke heißt „Oblomows Plan“ – nach dem berühmten russischen Verweigerer jeglicher Produktivität.

Wir sehen eine Bühne mit einem Podest und einem Minifoyer, einem Schaukelpferd und einem Passbuldautomaten – rechts mündet sie in eine Höhle und oben erinnert sie an einen Supermarkt. Zwischen den Geschoßen kann man mit einem Lift wechseln, der an und ab auch von einem Eisbären benutzt wird. Mit wechselnden Plakaten wird zum Einkauf für sich allein bei Billo geworben, eine Schnapswerbung verspricht glückliche Stunden und ein „Big Nothing Burger“ soll einfach gut schmecken. Mit „Don`t do it“ wird eine Sportschuhmarke parodiert. Immer wieder gibt es auch elektronische Musik zu hören und Menschen stellen sich an der Kassa an. Supermärkte und Einkaufszentren sind ja die Wärmestuben der Einsamen.

Die von Falk Rößler inszenierten Stücke kreisen um das Thema Isolation, wobei der Rückzug ins absolut Private durchaus – ironisch – als etwas Positives dargestellt wird. Wenn alle auf sich schauen, geht es doch allen gut, oder?

Der zweieinhalbstündige Abend ist trotzdem sehr vergnüglich und oft sogar witzig. Ein Performer, der nichts zu performen hat, eine Frau denkt über den armen Pluto nach, der grausam aus der Familie der Planeten ausgestoßen wurde. Viel zu schauen und vieles, das nachwirkt.

Aufführungen bis 19. Mai – Infos & Karten: schauspielhaus.at

Myczieslaw Weinbergs Vertonung von Dostojewskis „Der Idiot“

Bild : ©Monika Ritterhaus

Das Theater an der Wien zeigt am Museumsquartier Myczieslaw Weinbergs Vertonung von Dostojewskis „Der Idiot“.

Ein Zugabteil groß wie die Welt, könnte man in Anspielung auf Johannes Mario Simmels Jugendbuchbestseller die Inszenierung von Weinbergs Oper „Der Idiot“ durch den exilrussischen Starregisseur Vasily Barkhatov nennen. Denn der sich drehende Eisenbahnwaggon in der Mitte der Bühne ist das Zentrum dieses Abends im Museumsquartier. Am Beginn fährt Fürst Myschkin vom Sanatorium in der Schweiz nach St. Petersburg und erfährt vom Mitreisenden reichen Kaufmannssohn Rogoschin von der schönen Nastassja, der alle Männer verfallen sind – am Ende liegt dort die von Rogoschin ermordete Nastassja und Myschkin scheint wieder in Apathie zu verfallen.

„Der Idiot“ ist die sechste und letzte Oper des polnisch-jüdisch-sowjetischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg, 1987 komponiert und damals höchst unmodern. Weinberg, 1919 in Warschau geboren, und wie sein Förderer Schostakowitsch sowjetischen Repressalien ausgesetzt, hat eine eigene, tonale Opernsprache entwickelt, die im Westen erst nach seinem Tod auf Verständnis stieß. Sein Kollege Thomas Sanderling, Dirigent Weinbergprophet der ersten Stunde, hatte sich längst vehement dafür eingesetzt, dass das Stück dem Vergessen entrissen und in voller Länge uraufgeführt werde. Erst 2013 wurde „Der Idiot“ in München uraufgeführt. Auch dafür schien ihm jetzt das Wiener Publikum zu danken, denn Sanderling wurde nach der österreichischen Erstaufführung heftig bejubelt. Er dirigierte das wieder famos spielende ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Auch an den Sängerinnen und Sängern gibt es nichts zu bemäkeln.

In dreieinhalb Stunden erleben wir die Geschichte des Gutmenschen Myschkin in einer vergnügungssüchtigen, dekadenten, von Geld regierten Welt, in der die Lebedame Nastassja (Ekaterina Sannikova) im Kontrast zur bürgerlich guten Aglaja (Ieva Prudnikovaitė) gewinnt, um dann alles zu verlieren. Auch Dmitri Golovin als Fürst Myschkin kann seinen Tenor bravourös einsetzen.

Zugegeben, es ist nicht immer einfach, der Geschichte des „Parzival“ Myschkin zu folgen, zumal manche Züge der St-Petersburger-Szene irrational scheinen, doch die Widersprüchlichkeiten der russischen Gesellschaft von damals sind den unseren wohl nicht ganz unähnlich. Weinbergs Musik ist zudem sehr reizvoll und bietet immer wieder Neues zu entdecken. Dem Theater an der Wien ist etwas Besonderes gelungen.

„Der Idiot“ wird noch heute am 5. Mai und am Sonntag, 7. Mai, gezeigt.


Infos & Karten: theater-wien.at

Nach der Vertreibung der Nazis 1945, kurz vor dem Ausbruch des Balkankriegs 1990 und 2011, als Kroatien mit der EU über eine Mitgliedschaft verhandelt: wir sind jeweils mittendrin in einer kroatischen Familie in einem herrschaftlichen Haus, das ihnen die Kommunisten zugeteilt haben.

„Drei Winter“ – Schicksalsjahre in Kroatien im Burgtheater

Bild: ©Matthias Horn

Nach der Vertreibung der Nazis 1945, kurz vor dem Ausbruch des Balkankriegs 1990 und 2011, als Kroatien mit der EU über eine Mitgliedschaft verhandelt: wir sind jeweils mittendrin in einer kroatischen Familie in einem herrschaftlichen Haus, das ihnen die Kommunisten zugeteilt haben.

Die in England lebende kroatische Dramatikerin Tena Štivičić lässt in ihrem Stück „Drei Winter“ die Schicksalsjahre ihrer Heimat von einer Familie durcherleben. Es beginnt mit der Partisanin Ruža (Nina Siewert), die als Lohn für ihren Einsatz von den jetzt herrschenden Kommunisten eine Wohnung in einem Haus, in dem einst ihre Mutter als Dienstmädchen von den Besitzern rausgeschmissen worden war, einzieht und endet mit der Hochzeit der Enkelin Lucija (Andrea Wenzl), deren Zukünftiger das Haus im längst herrschenden Raubtierkapitalismus für sie erworben hat. Ihre Schwester Alisa lebt längst in London und kämpft schwer mit ihrem Erbe. Erst im Ausland ist sie sich ihrer kroatischen Herkunft bewusst geworden.

Die Autorin blickt auf die Ereignisse, die auch ihre eigene Familiengeschichte widerspiegeln, stets mit einer gehörigen Portion Ironie. Es soll immer besser werden, aber besser wird es letztendlich nur für die Mächtigen und die Besitzenden. Für die Zuseher ist es nicht immer einfach, sich in der Familiengeschichte zurechtzufinden, der Stoff, der fast 80 Jahre umfasst, wirkt episch, ja romanhaft. Aber zweifelsohne ist es gerade in Wien notwendig, sich endlich mit der wechselvollen Geschichte unserer südlichen Nachbarn zu beschäftigen. „Drei Winter“ von Tena Štivičić ist dafür eine gute Gelegenheit.

Martin Kušejs Inszenierung von „Drei Winter“ will mit Zwang aktuell sein – so mischt er Videos vom Ukraine-Kriegs mit historischen Kriegsfilmen und zeigt sie vor den jeweiligen Theaterszenen. Überhaupt stellt sich bei ihm Geschichte als eine Abfolge von Kriegen dar. Wobei manche Kriege eben sich in Verteilungskriege verwandelten. Das arbeitende Volk ist dabei immer auf der Verliererseite, die Familie kann nur durch eine Heirat mit einem undurchsichtigen Geschäftsmann ihren bescheidenen Wohlstand absichern.

Das Schauspiel-Team (u.a. Regina Fritsch, Tilman Tuppy oder Zeynep Buyraç) macht seine Sache gut, es gibt mehrere dramatische Höhepunkte. Ein fordernder, aber sicher lohnender Abend.

Alle Infos: burgtheater.at