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Symbol der Musik – Cecilia Bartoli am 13. Dezember im Musikverein

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Die römische Primadonna assoluta Cecilia Bartoli, Intendantin der Salzburger Pfingstfestspiele und der Opéra de Monte-Carlo, singt die Soprankastratenpartie von Glucks Orfeo im Wiener Musikverein.

Zwölf Millionen verkaufte Tonträger, Hunderte Wochen in den Popcharts, sechs Grammys und mehr als ein Dutzend Echos und Brit Awards sind die stolze Ausbeute der römischen Mezzo-PrimadonnaCecilia Bartoli. Von Kennern wird sie als „Jahrhundertbegabung“ und Nachfolgerin der Divinissima Maria Callas gefeiert, vom Publikum wird sie wegen ihrer makellos schönen Stimme – ein warmer Mezzo-Solitär, der mit unglaublicher Gelenkigkeit in den halsbrecherischen Koloraturen von Händel, Mozart oder Rossini über dreieinhalb Oktaven sprudelt –, wegen ihrer effektvollen Erscheinung, ihres sprühenden Temperaments und ihrer schauspielerischen Begabung geliebt.

Doppelte Intendantin. Als erste Frau leitet die göttliche Römerin seit 2012 mit überragendem Erfolg die Salzburger Pfingstfestspiele, bei denen sie als atemberaubende Händel-Heroine oder als buffoneske Rossini-Diva für Furore sorgt, in der Soprankastratenrolle des Sesto in Mozarts letzter Seria „La clemenza di Tito“ begeistert oder im Vivaldi-Opernpasticcio „Hotel Metamorphosis“ brilliert. Im Sommer wurde ihr Salzburger Vertrag um weitere sechs Jahre bis 2031 verlängert. Nächstes Jahr steht ihr nobles Pfingstfestival im Zeichen des Reisens. Unter dem Titel Bon Voyage lädt La Bartoli mit Musik von Monteverdi, Cavalli oder Rossini zu diversen Schiffsreisen, Entdeckungsreisen oder Schicksalsreisen ein. Höhepunkt der Festspiele ist Rossinis extravagante Opera buffa „Il viaggio a Reims“, in der die berühmte römische Mezzo-Diva in der komischen Rolle der berühmten römischen Dichterin und Improvisatorin Corinna debütieren wird.

Seit Jänner 2023 ist die bestbezahlte und höchst verehrte Sängerin auch Impresaria der neuerdings stets ausverkauften goldstuckstrotzenden Opéra de Monte-Carlo, wo sie als Händels Alcina oder als Rosina in Rossinis „Barbiere di Siviglia“ von den Reichen und Schönen der Côte d’Azur bejubelt wird. Dank ihrer guten Beziehungen geben sich an der französischen Riviera heutzutage Stars wie Asmik Grigorian, Maria Agresta, Elīna Garanča, Jonas Kaufmann, Roberto Alagna, Plácido Domingo, Sir Bryn Terfel oder Ildebrando D’Arcangelo die Klinke in die Hand. Sämtliche Opernaufführungen von Cecilia Bartoli musiziert nunmehr die barocke Hofkapelle des Fürsten Albert II. von Monaco, das von der Primadonna assoluta 2016 gegründete Originalklangensemble Les Musiciens du Prince – Monaco unter der Leitung des Mailänder Cembalisten Gianluca Capuano.

Ankunft der Königin von Saba. Ihre vom Publikum gestürmten Konzerte im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, die La Bartoli wegen ihrer doppelten Intendanz in den letzten Jahren stark eingeschränkt hat, waren neben ihren gelegentlichen Opernauftritten im Theater an der Wien – Haydns unvergessene Orpheus-Oper „L’anima del filosofo“unter Harnoncourt 1995, Händels opernhaftes Oratorium „Semele“ oder Rossinis letzte komische Oper „Le Comte Ory“ – und raren Great Voices-Konzerten im Konzerthaus strahlende Höhepunkte im Wiener Musikleben. Wenn sie bei ihrem herrlichen Konzert Händel Heroines zur „Ankunft der Königin von Saba“aus dem Oratorium „Solomon“ auf die Bühne rauscht, ist der Jubel des Publikums grenzenlos. Bei ihrem Vivaldi-Programm produziert sie mit stupender Virtuosität und strahlender Verve Läufe von exzentrischer Rasanz, gestochene Triller, bravouröse Pirouetten und Verzierungen in allen Gipfellagen der Musik, grandios sind ihre Messa di voce-Effekte, fantastisch ihre Agilität im Canto di bravura.

„Ich liebe Wien und komme ziemlich oft – nicht nur, um zu singen, sondern auch, um mir Konzerte anzuhören“, sagt die römische Superdiva. „Ich bin schon sehr früh in meiner Karriere in Wien aufgetreten, 1991 im Konzerthaus, damals war Alexander Pereira Generalsekretär. Auch das Theater an der Wien, wo ich mit Harnoncourt ,L’anima del filosofo‘von Haydn gemacht habe, liebe ich sehr. Also Wien steht meinem Herzen sehr nahe.“

Lust am Schnellgesang. Im Sommer 2022 gastierte die Österreichische Kammersängerin beim von ihr ausgerichteten Rossini-Festival Rossini Mania an der Wiener Staatsoper, wo sie in ihrer spektakulären Karriere erst einmal aufgetreten war, in zwei Produktionen der Opéra de Monte-Carlo: als virtuose Angelina in der Aschenbrödel-Paraphrase „La Cenerentola“ und als promiskuitive Fiorilla in der satirischen Türken-Oper „Il Turco in Italia“ des Schwans von Pesaro. Anlass war die 200. Wiederkehr des Wiener Rossini-Taumels vom Frühjahr 1822, als der Popstar der musikalischen Romantik als Dirigent die kaiserliche Hauptstadt in Raserei versetzte. „Die Lust am Schnellgesang mit immer neuen Rouladen und musikalischen Überschlägen hat mich schon als 14-jähriges Mädchen fasziniert“, sagt Cecilia Bartoli. „Rossinis sich überschlagende Musik erfasst wie ein Tornado mein Gemüt.“

Zwei Jahre später begeisterte sie im Haus am Ring in ihrem Kastraten-Festival Barocchissimo wieder mit ihrer Truppe aus Monte-Carlo als wunderbare Cleopatra in Händels populärster Oper „Giulio Cesare in Egitto“, in der sie in acht Koloratur-gespickten Dacapo-Arien ihre virtuose Sangeskunst unter Beweis stellte. „Ich vergöttere Händel, ich habe mit ihm eine besondere Liebesbeziehung“, so die Ausnahmesängerin, „auch wenn 300 Jahre zwischen uns liegen.“ Ihre spezielle Bewunderung gilt den Kastraten, den androgynen Sängervirtuosen des 18. Jahrhunderts, allen voran dem Soprankastraten Carlo Broschi, genannt Farinelli. Ihm erwies sie im Galakonzert Farinelli & Friends die Ehre, ebenso in Michael Sturmingers Gender-Duell „Their Master’s Voice“ mit Hollywood-Star John Malkovich und Bravour-Arien von Vivaldi, Pergolesi und Händel. Die geniale Dacapo-Ciaccona aus Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“, „Pur ti miro“, sang die Primissima Donna – mit John Malkovich! Die Kastraten mit ihren geschlechtslosen Engelsstimmen waren auch Thema des von ihr initiierten Symposions Oper & Gender in der Staatsoper. „Farinelli konnte einen römischen Helden spielen oder eine Königin“ sagt sie. „Das Androgyne hat alle erotisch fasziniert.“

Orpheus-Mythos. Androgyn ist auch Glucks Orfeo, den die Königin der Koloraturen bei ihrer Rückkehr nach mehrjähriger Pause am 13. Dezember im Wiener Musikverein singt. Grundlage dieser halbszenischen Aufführung ist eine Produktion der Salzburger Pfingstfestspiele 2023, als der Orpheus-Mythos im Zentrum des Nobelfestivals an der Salzach stand. Unter dem Motto „Les passions de l’âme“ („Die Leidenschaften der Seele“), dem Titel einer philosophischen Abhandlung von René Descartes, in welcher der französische Rationalist anhand seiner Affektenlehre die Wechselwirkung von Seele und Körper thematisiert, versteht die Primadonna assoluta den thrakischen Sänger Orpheus, der, wie Ovid in seinen „Metamorphosen“ schildert, seine geliebte, am Hochzeitstag durch den Biss einer giftigen Schlange verlorene Braut Eurydike aus der Unterwelt zurückholen will, als Symbol der Musik und der Oper. Die betörende Klage des Sängers, mit der er wilde Tiere zähmen und die Götter des Hades rühren kann, begründet in Monteverdis frühem Meisterwerk, dem 1607 in Mantua uraufgerührten Künstlerdrama „L’Orfeo“, an der Grenze von der Renaissance zum Barock die musiktheatralische Gattung, welche sich die Darstellung und Erzeugung großer Gefühle zum ästhetischen Ziel gesetzt hat.

Die Kraft der Musik. „Als Musikerin und Sängerin glaube ich an die Kraft der Musik“, sagt Cecilia Bartoli. „Deshalb fasziniert mich der antike Mythos von Orpheus so sehr. Ich fühle mich ermutigt, wenn ich von der wunderbaren Wirkung der Musik höre: Wie Orpheus durch seine Kunst die schlimmsten Feinde und sogar den Tod besiegen kann und wie er es wagt, mit seiner Musik die Weltgesetze herauszufordern.“ 2023 betörte sie in Salzburg nicht nur als Euridice in Haydns letzter Oper „L’anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice“, sondern auch in „Orfeo ed Euridice“ des Opernreformators Gluck in der selten gespielten Parma-Fassung von 1769 unter dem Titel „Atto d’Orfeo“ in der Kastraten-Partie des Orfeo, in welcher der Künstler noch stärker im Mittelpunkt steht; diese Fassung wurde erstmals bei der Hochzeit der Erzherzogin Maria Amalia mit dem Infanten Ferdinand von Spanien am 24. August 1769 in Parma gespielt. In Salzburg zeichnete Christof Loy für Regie und Choreografie verantwortlich, musiziert wurden die Orpheus-Opern von Haydn und Gluck von Cecilias Originalklangensemble Les Musiciens du Prince – Monaco unter Gianluca Capuano.

„In Parma war ,Orfeo ed Euridice‘ ein Akt eines größeren, vierteiligen Spektakels namens ,Le feste d’Apollo‘, das anlässlich einer königlichen Hochzeit aufgeführt wurde“, erzählt die Primissima Donna. „Dafür musste Gluck seine Oper straffen und einige Ballettszenen streichen. Außerdem transponierte er die Titelrolle für den Soprankastraten Giuseppe Millico – seine Stimmlage ist der meinen sehr ähnlich.“

Elisabeth Hirschmann-Altzinger/ Foto: OMC-Fabrice Demessence) 

Christoph Willibald Gluck: „Atto d’Orfeo“ (Parma-Fassung, 1769)

Gianluca Capuano; Les Musiciens du Prince – Monaco; Il Canto di Orfeo.

Cecilia Bartoli (Orfeo), Mélissa Petit (Euridice).

Wiener Musikverein, Goldener Saal, Samstag, 13. Dezember, 16.30 Uhr.

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