Wüstendramen – T. C. Boyles toxische Dreiecksgeschichte „No Way Home“

Die größten Tragödien spielen sich vielleicht doch unter stinknormalen Zeitgenossen ab. In seinem neuen Roman „No Way Home“ erzählt T. C. Boyle aus der Sicht eines Arztes in Ausbildung aus L.A. (Terence), einer unter prekären Verhältnissen lebenden Rezeptionistin eines Krankenhauses einer Kleinstadt bei Las Vegas (Bethany) und eines motorradfahrenden Schönlings, der sich zum Lehrer herablässt (Jesse). Mehr braucht es nicht, um eine toxische Mischung herzustellen, in der alle schuldig werden und anderen weh tun wollen.

Terence erbt das Haus seiner Mutter in Boulder City, einem Städtchen am Rande des Hoover-Staudamms. Als Städter hasst er die Wüste und will das Haus schnell loswerden, doch in einer Bar trifft er auf die sehr attraktive Bethany, die nach der Trennung von ihrem Freund Jesse gerade obdachlos ist und die kurzerhand in das Haus einzieht – gegen den ausdrücklichen Wunsch von Terence, der an seinen Arbeitsplatz in L.A. zurück muss. Als Leser weiß man sofort, dass die beiden nicht zusammenpassen und Dramen bevorstehen werden. Denn Terence ist ganz Arzt, pflichtbewusst und vielleicht etwas verklemmt. Er versucht sogar einer Obdachlosen zu helfen, die alles tut, um nicht in ärztlicher Behandlung zu geraten. Bethany liebt den Müßiggang und lange Barbesuche und deshalb passt sie auch besser zu dem impulsiven Möchtegern-Schriftsteller Jesse, der in seiner Motorradkluft überall die Blicke auf sich zieht. Drei Jahre sind sie zusammen, aber auch nach der Trennung können sie schwer voneinander lassen. Als Jesse dann Terence in den Bergen einen Schubs gibt, als er mit dem Bike vorbeibraust, zieht sich dieser eine schwere Verletzung zu, die ihn für Monate in seiner Mobilität behindert. Doch Terence ist auch kein Waisenknabe und so drängt er Jesse mit dem Auto von der Fahrbahn ab, sodass dieser zu Sturz kommt. Aug um Aug, Zahn um Zahn im 21. Jahrhundert. Sogar der Hund von Terence Mutter wird zur Waffe.

Geschickt erzählt Boyle so, dass wir die drei Figuren verstehen, aber natürlich nicht entschuldigen können. Am unsympathischsten ist Jesse, der Bethany nicht nur stalkt, sondern sie einmal sogar vergewaltigt. Am interessantesten vielleicht Bethany, die ihre Geburtsstadt liebt und von ihren Gewohnheiten nicht loskommt. Und Terence scheint eben manchmal mit seinem Schwanz zu denken. Beim Schluss muss man dann unwillkürlich an Sartres berühmten Satz „Die Hölle, das sind die anderen“ denken.

Witzig ist in diesem Roman auch, die Welt aus der Sicht eines Arztes zu sehen, der bei seinen Mitmenschen natürlich überall Krankheiten wahrnimmt – einer von Boyles Söhnen ist übrigens Arzt. Einen guten Tipp hat der Roman auch parat: Man sollte niemals jemanden so schubsen, dass er hinfällt, denn das kann böse enden.

T. C. Boyle: No Way Home. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Hanser, 382 Seiten, € 28,80