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Interview mit Richard Cockett über Wien als Wiege der modernen Welt

Interview mit Richard Cockett über Wien als Wiege der modernen Welt

Bild: ©Elisabeth Lechner

Richard Cockett ist nach dem Erscheinen seines äußerst fundierten Buches „Vienna. How the City of Ideas Created the Modern World“, das jetzt auch auf deutsch bei Molden vorliegt, Stadtgespräch unter Intellektuellen. Im MAK war er zu Gast bei den Wiener Vorlesungen. Das Erstaunlichste seiner Beschreibung ist die Fülle der Persönlichkeiten Wiens, die prägend wirkten und so Unterschiedliches wie das moderne Management (Peter Drucker), die empirische Sozialforschung (Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda), die Einbauküche (Margarete Schütte-Lihotzky) und das Einkaufszentrum (Viktor Gruen) erfanden – um nur wenige Highlights zu nennen. Auch das Wiener Kaffeehaus hatte seinen Anteil an der Moderne und so erwies sich sogar das von Touristen belagerte Café Central als ideal für das Interview.

Wie haben Sie Wien bei Ihrem ersten Besuch 1987 erlebt?

Richard Cockett: Ich kam damals noch als Tourist und nur für eine Woche. Also ging ich zum Belvedere, sah mir die Klimt-Bilder an und Schönbrunn. Ich dachte auch nicht viel über Wien nach. Erst später, als ich viel über Wien erfahren und die vielen Wiener Intellektuellen entdeckt hatte, begann es mich weiter zu interessieren. 

Gibt es Orte in Wien, die sie jedes Mal aufsuchen?

Ich habe ein paar Lieblingscafés wie das Landtmann, das Museum und das Prückel – das sind meine Top 3.

Wie wurde Wien für Sie als Historiker interessant – durch Lazarsfeld und Hayek?

Als Wirtschaftsjournalist und Historiker habe ich mit Hayek und Mises angefangen, denn ich schrieb in den frühen 90er-Jahren ein Buch über das Aufkommen der Politik von Thatcher und Reagan. Und schon bald wurde mir klar, dass die beiden sehr von diesen liberalen Wiener Wirtschaftsdenkern beeinflusst waren. Auch von Karl Popper. Ich fand, dass das ein interessantes Gebiet wäre.

Damals wusste niemand, dass der Reaganismus seine Wurzeln in Wien hat?

Ja, das ist auch heute noch teilweise so. Es wird auch schwer sein, einen Amerikaner zu finden, der Peter Drucker kennt oder gar weiß, dass er aus Wien kommt.

Wie sehr erinnert Sie die heutige politische Situation mit Brexit und dem Erstarken der Rechten an die 30er-Jahre?

Es gibt viele Parallelen, wie eine Welle von harter rechter Politik. Aber hier in Wien habt ihr ja eine sozialdemokratische Partei, die eine gesunde Mehrheit hat – wenngleich sie von feindlichen Kräften im In- und Ausland umgeben ist. Das weckt Erinnerungen an die 20er- und 30er-Jahre. Und wie Sie wissen, hatte die rechte Politik in Österreich ein schreckliches Ende. Aber Österreich ist jetzt eine stabile Demokratie, ein Mitglied der EU und hat eine starke Verfassung. Ich sehe also keine apokalyptische Gefahr für Österreich.

Das ganze Interview lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Wien live.


„Vienna“ von Richard Cockett
Verlag Yale University Press
464 Seiten
Sprache: Englisch

Weihnachtliche Mordsgeschichten – „Killer Bells“ von Franziska Waltz, Claus Schönhofer und Norbert Peter

Weihnachtliche Mordsgeschichten – „Killer Bells“ von Franziska Waltz, Claus Schönhofer und Norbert Peter

Wer sagt denn, dass Weihnachten immer besinnlich sein muss? Für Menschen, denen die Dauerberieselung mit Stille Nacht & Co. schon gehörig gegen den Strich geht, sei ein höchst unterhaltsames Büchlein mit „Weihnachtlichen Mordsgeschichten“ empfohlen.

In den 9 Stories gibt es jede Menge schräger Vögel, dystopische Familien und skurrile Situationen. Da hat ein Familienvater einen Wutanfall nach dem anderen, als er den Christbaum aufputzen soll, während seine Frau politisch korrekte Geschenke für den Sohn kaufen geht. Das kann nur schiefgehen. Und was passiert, wenn die Motorsäge beim Tranchieren einer Leiche den Geist aufgibt? Nach jeder Geschichte glaubt man, es könne nicht noch schlimmer werden. Aber Franziska Waltz, Claus Schönhofer und Norbert Peter beweisen, dass es möglich ist.

Franziska Waltz ist Kommunikationswissenschaftlerin, Filmproduzentin, Buchautorin und Lyrikerin mit Hang zu mörderischen Weihnachtsfantasien und toten Schneemännern. Sie baut in ihrer Freizeit gerne Insektenhotels.

Claus Schönhofer ist Buch- und TV-Autor, Kabarett-Regisseur und vom Namen her weihnachtsaffin, schreibt er sich gerne seine Mordgelüste von der Seele. In diesem Falle liegt der Tatort unterm Christbaum.  

Norbert Peter ist Kabarettist (Peter & Tekal), Journalist, Buch-Autor und Verfasser von satirischen Kolumnen. Steht auf Weihnachten, solange alle Morde restlos aufgeklärt sind, bevor „Stille Nacht“ zu Ende gesungen ist.


Piemont in den letzten Monaten des 2. Weltkriegs – Gian Marco Griffi: „Die Eisenbahnen Mexikos“

Piemont in den letzten Monaten des 2. Weltkriegs – Gian Marco Griffi: „Die Eisenbahnen Mexikos“

Für manche gilt Griffis Monumentalwerk (800 Seiten) als das wichtigste italienische Buch nach dem Ableben Umberto Ecos, wenngleich sich der 1976 geborene Autor dabei eher in der Nachfolge von Roberto Bolaño oder Borges befindet. Denn die Geschichte um den Protagonisten Cesco Magetti, der für die Nazis eine Karte des Eisenbahnnetzes von Mexiko auftreiben soll, ist herrlich skurril und mit historischen Anspielungen gespickt. Denn irgendwo an einem geheimen Ort soll dort eine Wunderwaffe versteckt sein. Cesco hat aber im Februar 1944 auch noch ein ganz anderes dringendes Problem, er leidet nämlich unter heftigsten Zahnschmerzen und an einer schrecklichen Furcht vor Zahnärzten. Sein Zahnarzt sitzt zudem gerade wegen regierungskritischer Äußerungen im Gefängnis. Deshalb stinkt er dauernd nach Alkohol, denn es fällt ihm nichts Besseres ein als den Zahn mit Grappabandagen zu behandeln.

Wie Cesco dann von einer skurrilen Situation in die nächste stolpert und sich dabei auch noch unsterblich in die unkonventionelle Bibliothekarin Tilda verliebt, macht den Hauptstrang dieses Romans aus, der freilich noch eine Menge anderer herrlicher Personen aufbietet. Dabei schert sich Griffi wenig um historische Genauigkeit. In einer der herrlichsten Episoden des Buches trifft er zwei Totengräber, die vormals beim Eisenbahnbau in Mexiko beschäftigt waren. Und die berichten auch, dass die Nazis jetzt zur Verwaltung des Friedhofs Rechner einsetzen – was zu noch mehr Fehlern führt. Und der Kaffeeautomat spuckt nur ungenießbare Brühe aus.

Auch die Szene, in der die Nazis aus Rache für von Partisanen getötete Soldaten willkürlich Menschen nach dem Kirchgang zur Erschießung zusammentreiben ist mehr schwarzhumorig denn realistisch. Der Kommandant will von den Opfern, die großen Leistungen des Faschismus abfragen. Und gänzlich grotesk ist die Schilderung des Besuchs der Bayreuther Festspiele durch Adolf Hitler. Er kann sich nicht zwischen Frack und Galauniform entscheiden, aber Eva Braun rät ihm zum Frack und so ist Adolf dann bei der anschließenden Feier der einzige Nazi in Zivil, was ihn unsäglich ärgert und befangen macht. Sein „Outfit“ wie er sagt – Eva rügt ihn wegen seiner englischen Ausdrucksweise – ist völlig unpassend.

Viele Nebenstränge spielen direkt in Mexiko, in einer geheimnisvollen Stadt, die auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Gian Marco Griffi hat in seinem Monumentalwerk eine literarische Alternative des unrühmlichsten Abschnitts der Geschichte Italiens geschaffen ohne die große Schuld seiner Landsleute zu verschleiern. Wer Fabulierkunst und skurrile Szenen und Figuren zu schätzen weiß, wird mit diesem Roman viel Freude haben. Echte Literatur eben. 


Gian Marco Griffi: „Die Eisenbahnen Mexikos“
Aus dem Italienischen von Verena von Koskull
800 Seiten
Claasen
€ 38,50

Abhängigkeiten und Missbrauch – der verstörende Roman „Der Teufelsgriff“ von Lina Wolff

Er nennt sie Minnie, sie nennt ihn den Reinlichen – obwohl sie ihn erst zu Deo und schickeren Hemden überreden muss. Sie sind körperlich voneinander angezogen, da stört sein dicker Bauch auch nicht. Sie liebt ihn, trotzdem er sie immer öfter schlägt. Ihre Flucht zu einem Amerikaner nach New Orleans endet tragisch. Die Schwedin Lina Wolff hat einen Roman geschrieben, in der eine Frau sich in Florenz neu erfinden will und die dabei gleich in eine Beziehungsfalle stürzt. Die beiden haben wenig gemein, er hat auch seine guten Seiten – so will er etwa reuig, dass sie eine Psychotherapie machen. Die Psychologin rät der Frau unumwunden: Verlassen Sie diesen Mann sofort. Doch Minnie zögert, glaubt an das Gute in ihm. Aber wie viele Männer, die prügeln, ändern sich tatsächlich? Doch Minnie ist seelisch labil und ist ebenso eifersüchtig wie er. In Florenz lernt sie Ben kennen und folgt ihm nach Hause nach New Orleans – doch Ben ist nicht alleinstehend, seine Freundin ist noch gefährlicher als der Reinliche. Sie wird in einer Hütte angekettet. Statt zur Polizei zu flüchten, ruft sie aber wieder ihren Geliebten an. Lina Wolf ist ein ebenso spannender wie verstörender Roman gelungen. Ein Buch, das nichts für Menschen mit schwachen Nerven ist.


Lina Wolff: Der Teufelsgriff
Aus dem Schwedischen von Stefan Pluschkat
Rowohlt Verlag
254 Seiten
€ 25,00

Lina Wolff: Der Teufelsgriff
Aus dem Schwedischen von Stefan Pluschkat
Rowohlt Verlag
254 Seiten
€ 25,00

Am Dienstag, dem 19. November, um 11 Uhr, wurde die beliebte Gratisbuch-Aktion „Eine STADT. Ein BUCH.“ feierlich im Wiener Rathaus eröffnet. Bürgermeister Dr. Michael Ludwig und das echo medienhaus begrüßten zahlreiche Leseinteressierte im festlichen Saal beim Nordbuffet, der bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Eine STADT. Ein BUCH – Gratis-Buch Aktion im Wiener Rathaus eröffnet

Michael Ludwig eröffnete die Aktion um 11 Uhr im Wiener Rathaus.
Alle Fotos: ©Stefan Burghart

Am Dienstag, dem 19. November, um 11 Uhr, wurde die beliebte Gratisbuch-Aktion „Eine STADT. Ein BUCH.“ feierlich im Wiener Rathaus eröffnet. Bürgermeister Dr. Michael Ludwig und das echo medienhaus begrüßten zahlreiche Leseinteressierte im festlichen Saal beim Nordbuffet, der bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Erste Exemplare verteilt

Die Stimmung war von Anfang an enthusiastisch, und der Büchertisch, auf dem das diesjährige Buch „Picknick auf dem Eis“ auflag, war nach der Eröffnung in Windeseile leergeräumt. Das Highlight der Veranstaltung war zweifellos die Signierstunde mit dem Ukrainischen Autor Andrej Kurkow. Geduldig signierte der Schriftsteller jede Ausgabe seines Werks, damit alle Gäste mit einem persönlichen Andenken nach Hause gehen konnten.

Bei der größten Gratisbuchaktion der Welt, werden ab sofort an 396 Stellen in ganz Wien 100.000 Exemplare kostenlos verteilt, um möglichst vielen Menschen Zugang zu Literatur zu ermöglichen.


Literatur verbindet Menschen und Kulturen

Im Rahmen der Eröffnung sprach Helmut Schneider, Literaturkenner und Initiator der Aktion, über den Inhalt des Buches und stellte dabei die Aktualität des Werks von Andrej Kurkow in den Vordergrund. Bürgermeister Dr. Michael Ludwig nutzte die Gelegenheit, um im Interview Solidarität mit der Bevölkerung der Ukraine zu bekunden. Gemeinsam mit Helmut Schneider sprach er über die geschichtlichen Verbindungen zwischen Österreich und der Ukraine sowie über die essenzielle Rolle der Literatur in gesellschaftlichen und politischen Diskursen. „Literatur kann keine politischen Probleme lösen, aber Literatur kann einladen, gemeinsam eine Lösung für politische Probleme zu finden“, betonte Bürgermeister Ludwig in seiner Ansprache. Andrej Kurkow ließ die Gäste mit seinen Worten schmunzeln: „Ohne Humor kann man nicht überleben. Ohne Geld schon, aber nicht ohne Humor.“ Seine pointierten Aussagen und die tiefgründige Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der heutigen Zeit spiegeln sich auch in seinem Werk wider.


Einladung zur Podiumsdiskussion

Die Aktion „Eine STADT. Ein BUCH.“ lädt am Mittwoch, dem 20. November, zu einer Podiumsdiskussion mit Autor Andrej Kurkow. Um 18:30 Uhr im Service-Treff der Wiener Stadtwerke Spittelau (Spittelauer-Lände 45, 1090 Wien). Der Eintritt ist frei, und alle Interessierten sind herzlich eingeladen, an diesem inspirierenden Austausch teilzunehmen.


INFO
einestadteinbuch.at

Das heurige Aktionsbuch „EineSTADT.EinBUCH“: Andrej Kurkows „Picknick auf dem Eis“

Das heurige Aktionsbuch „Eine STADT. Ein BUCH“: Andrej Kurkows „Picknick auf dem Eis“

Erschienen 1996 in der Ukraine und 1999 auf Deutsch (aus dem Russischen von Christa Vogel) bei Diogenes, Originaltitel Смерть постороннего (Tod eines Fremden).

Viktor lebt in Kiew als Schriftsteller, der bisher nur wenig geschrieben und kaum etwas veröffentlicht hat. Er bietet seine Texte erfolglos Zeitungen an. Gerade hat sich seine Freundin von ihm getrennt. Stattdessen hat einen Pinguin, den er Mischa nennt, bei sich aufgenommen, da der Zoo nicht mehr in der Lage war, ihn zu versorgen. „Er hatte sich einsam gefühlt. Aber der Pinguin Mischa brachte seine eigene Einsamkeit mit, jetzt ergänzten sich die beiden Einsamkeiten, was eher den Eindruck einer gegenseitigen Abhängigkeit als den einer Freundschaft erweckte.“ Mischa steht meistens da und starrt auf die Wand, frisst gefrorenen Fisch und hält sich im Winter gerne auf dem Balkon auf.

Da bekommt er plötzlich von der Hauptstadtzeitung das Angebot, Nachrufe zu schreiben. Auf Vorrat, denn die Personen, die ihm der Chefredakteur der Zeitung in jeweiligen Dossiers zukommen lässt, sind noch nicht verstorben. All diesen Prominenten ist freilich gemeinsam, dass sie in Skandale verstrickt sind.

Aber Viktor ist froh über die gut bezahlte Arbeit. Seine Nekrologe unterschreibt er mit „der engste Freundeskreis“.

Als er beruflich nach Charkow verreisen soll, weiß er nicht, wem er die Fütterung des Pinguins anvertrauen kann, und ruft bei der Polizei an. Revierpolizist Leutnant Fischbein übernimmt die Aufgabe und die beiden freunden sich an.  Fischbein heißt eigentlich Stepanenko. Er hatte sich zum Juden gemacht, weil er emigrieren wollte. »Dann habe ich erfahren, wie die Emigranten im Ausland leben«, vertraut er Viktor bei einem Abendessen an. Nämlich miserabel. »So habe ich beschlossen, hier zu bleiben, und um als Jude nicht unbewaffnet rumzulaufen, bin ich zur Polizei gegangen.« 

Und Viktor bekommt noch eine Mitbewohnerin. Ein Bekannter bittet ihn, auf seine etwa fünfjährige Tochter Sonja aufzupassen und kommt nicht wieder, denn er wird erschossen. Sonja und Mischa sind bald ein Herz und eine Seele. In Charkow entgeht Viktor nur knapp einem Mordanschlag und auch in Kiew gibt es täglich Tote und Schießereien – anscheinend ist ein Krieg zwischen Mafia-Clans im Gange. Das Leben in der seit 1991 souveränen Ukraine ist nicht ungefährlich, die Menschen sind damit beschäftigt den Alltag am Laufen zu halten. Sein Chefredakteur erklärt ihm „Das Leben ist es nicht wert, dass man darum Angst haben müsste. Glaube mir!“, als sein Chauffeur ermordet wird.

Viktor will mehr über Pinguine und Mischa wissen und besucht den ehemaligen Pinguinologen des Zoos, der ihm erklärt, dass Mischa ein depressives Syndrom und ein Herzleiden hat.

Neujahr verbringt Viktor mit Mischa und Sonja in der Datscha von Fischbein, weil ihm sein Chefredakteur empfohlen hat, kurzfristig unterzutauchen. Es kommt dann auch tatsächlich zum Picknick auf dem Eis auf dem zugefrorenen Dnepr. Mischa springt in ein Eisloch und schwimmt vergnügt. Inzwischen sind mehrere Menschen, für die Viktor Todesanzeigen geschrieben hatte, tatsächlich verstorben. Viktor ahnt Schreckliches.

Um Sonja nicht so lange allein zu lassen, stellt Viktor die arbeitslose Nichte von Fischbein – Nina – als Kindermädchen an. Die hätte gerne eine Familie, sie schlafen auch zusammen, der Sex ist allerdings leidenschaftslos.

Da bekommt Viktor ein Angebot, das er sich nicht abschlagen traut. Er soll den Pinguin für viel Geld bei Trauerfeiern bekannter Persönlichkeiten sozusagen vermieten. Doch da wird Mischa krank und muss ins Spital. Er braucht eine Herztransplantation – doch die Organisation, die die Begräbnisse organisiert, verschafft ihm mühelos das Spenderherz eines 3jährigen Kindes.

Inzwischen stirbt Fischbein bei einem Einsatz in Moskau, wohin er wegen des besseren Gehalts gezogen war. Die Polizistenkollegen schicken ihm die Urne. Als dann auch der Chefredakteur stirbt, der Viktor erklärt hatte, wenn er einmal den Sinn der Nekrologe erfahren würde, wäre auch sein Leben dahin, ist dieser natürlich alarmiert. Da erfährt er, dass Nina von einem Mann über ihn befragt wurde. Er verfolgt den Unbekannten und setzt diesen mit einer Pistole unter Druck. Der zeigt ihm den bereits verfassten Nekrolog auf Viktor.

Bei Internetrecherchen hatte Viktor herausgefunden, dass die Ukraine auf der Antarktis eine Forschungsstation betreibt. Mit einer großzügigen Spende erkauft sich Viktor ein Ticket für die nächste Reise zur Station. Eigentlich wäre die Passage für Mischa bestimmt gewesen, doch Viktor weiß, dass er in Kiew auf einer Todesliste steht.

Andrej Kurkow hat auch eine Fortsetzung des Romans geschrieben: „Pinguine frieren nicht“ (Diogenes) ist noch abenteuerlicher, Viktor reist in der ganzen ehemaligen Sowjetunion auf der Suche nach Mischa herum.


Erhältlich bei der Aktion Eine STADT. Ein BUCH.

Dienstag, 11 Uhr wird im Rathaus die große Leseaktion „EineSTADT.EinBUCH.“ eröffnet, die ersten Gratisexemplare von Andrej Kurkows „Picknick auf dem Eis“ werden verteilt. – ©Bubu Dujmic

Eine STADT. Ein BUCH. – Große Eröffnung im Rathaus

Bild: ©Bubu Dujmic

Am 19. 11. um 11 Uhr wird im Rathaus die große Leseaktion „Eine STADT. Ein BUCH.“ eröffnet, die ersten Gratisexemplare von Andrij Kurkows „Picknick auf dem Eis“ werden verteilt.

Wer sich sein Gratisexemplar sichern und gleich von Autor Andrij Kurkow signieren lassen will, kann ins Nordbuffet des Rathauses kommen – zur Eröffnung von „Eine STADT. Ein BUCH.“ mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und natürlich dem ukrainischen Autor Andrij Kurkow, der direkt aus Kiew anreist.

In dem Roman geht es um einen Schriftsteller, der Nachrufe auf Vorrat schreibt und einen Pinguin aus dem Zoo gerettet hat. Nach und nach wird das Buch zum Krimi (siehe Beschreibung in diesem Newsletter).

Andrij Kurkow wurde 2000 mit „Picknick auf dem Eis“ weltberühmt. Seither hat er noch zahlreiche weitere Bestseller veröffentlicht, seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist er weltweit unterwegs, um auf die Situation in seiner Heimat aufmerksam zu machen.

Am 20. November wird Andrij Kurkow im Kundenzentrum der Wien Energie Spittelau, ab 18.30 Uhr mit Helmut Schneider über sein Buch und die Ukraine diskutieren und kurz aus dem Roman lesen. Der Eintritt ist frei und natürlich kann man auch dort ein Exemplar von „Picknick auf dem Eis“ bekommen.

Ort: Spittelauer Lände 45, 1090 Wien
einestadteinbuch.at

KI und der Ozean – der vielschichtige Roman „Das große Spiel“ von Richard Powers

Der in einem Vorort von Chicago aufgewachsene Richard Powers studierte zunächst Physik und wollte Ozeanograf werden, ehe er mit dem Schreiben begann. Und sein wissenschaftliches, philosophisches Interesse merkt man seinen großen Romanen auch an, er befasste sich darin mit dem menschlichen Gedächtnis, Musik und Rassismus und 2018, in seinem letzten großen Bestseller „Die Wurzeln des Lebens“, mit dem Verschwinden der Biodiversität und der Bäume. Die menschengemachte Zerstörung der Natur entwickelte sich daher fast zwangsläufig zu seinem Hauptthema. Im neuen Roman „Das große Spiel“ bringt er dann zusätzlich noch die größte heutige Bedrohung für die Zukunft der Menschheit ein, nämlich die rasante Entwicklung der KI. Gleichzeitig kehrt er zu seiner Leidenschaft für das Leben im Ozean sozusagen zurück.

Im Kern geht es um die Jugendfreundschaft zwischen einem Sohn eines zunächst reichen weißen Börsenmaklers – Todd Keane – und eines schwarzen Jungen aus der Chicagoer Southside – Rafi Young–, die beide ausgerechnet auf einer von Jesuiten geführten Schule landen. Was sie verbindet, ist ihr Neugier, Ungewöhnliches auszuprobieren und ihre Faszination für Spiele – erst für Schach und dann für Go. Dabei erzählt Powers die Geschichte des späteren Computergenies und Multimilliardärs Todd in der Ich-Form, während er das andere Geschehen, in das noch einige Figuren wie die Tiefseetauchpionierin Evelyne Beaulieu (nach der realen Forscherin Sylvia Earle geformt) eingewebt sind. Rafi ist von ausgefallener Literatur begeistert, der eigentliche Nerd des Romans, will seine Leidenschaft aber nicht für einen schnöden Job opfern. Er schwärmt etwa für den russischen Philosophen und Mystiker Nikolai Fjodorowitsch Fjodorow, der von der Auferstehung aller jemals gestorbener Menschen träumt. Interessanterweise ein Gedanke, der auch in Knausgards großangelegtem Romanprojekt auftaucht. Rafi landet mit seiner ebenso begabten Frau – der Künstlerin Ina – auf einer sehr abgelegenen Insel im Pazifik wo er als Hilfslehrer nicht unglücklich ist. Auf Makatea leben insgesamt nur etwa 80 Menschen, nachdem die Insel durch den Phosphatabbau fast zerstört wurde. Es ist zugleich eine Industrieruine und ein Naturparadies – vor allem unter Wasser. Daher hat sich auch die inzwischen greise Evelyne Beaulieu dort zurückgezogen.

Auf Makatea soll gerade eine Abstimmung durchgeführt werden, denn eine große Investmentfirma, bei der natürlich Todd die meisten Anteile hält, will dort Plattformen für schwimmende Städte herstellen – die Inselbewohner hätten endlich wieder Arbeit und eine echte medizinische Versorgung. Die Abstimmung ist der große Schlusspunkt des Werkes (das Ergebnis sei hier natürlich nicht verraten) und die Idee, sozuasagen auf staatsfreiem Gebiet – der Ozean gehört ja niemandem – zu siedeln gehört ja schon länger zu den Lieblingsfantasien im Silicon Valley.

Am beeindruckendsten ist der Roman freilich bei den Schilderungen der Tauchgänge Evelyne Beaulieus. Als über 90jährige befreit sie noch einen riesigen Rochen von Fangnetzen, die sich in sein Fleisch gebohrt haben. Und der Manta zeigt tatsächlich Dankbarkeit. Währenddessen steigt eine völlig neue Kraft in die Menschheitsgeschichte ein: die KI. Als ein Computer den Schachweltmeister Kasparow besiegt, nimmt man das noch hin, aber als 2026 auch der Go-Meister von einer KI in die Knie gezwungen wird, wissen die Eingeweihten, dass sich die Spielregeln grundsätzlich verändert haben. Wie Todd es ausdrückt: „Wir hatten die Zukunft auf Autopilot gesetzt“. Denn während die Menschheit noch diskutierte, welche Arbeiten künftig durch Maschinen ersetzt werden würden, stellte sich die KI bereits die Frage, ob Demokratie und Freiheit unvereinbar sei und ob man beides überhaupt brauche. Ein Roman, der in gut lesbarer Form viele Gedanken anstößt.


Richard Powers: Das große Spiel
Aus dem Amerikanischen von Eva Bonné
Penguin Verlag
512 Seiten
€ 26,80

Kriminacht 2024: Ein Jubiläum voller Nervenkitzel und literarischer Höhepunkte

20 Jahre Kriminacht in den Kaffeehäusern

©Stefan Diesner

Bereits zum 20. Mal verwandelte die Kriminacht Wien in eine Bühne des literarischen Verbrechens und brachte am 29. Oktober 2024 Krimifans und namhafte Autor:innen aus dem In- und Ausland zusammen.

Die zahlreichen Lesungen und Veranstaltungen in über 30 Cafés und ausgesuchten Sonderlocations fesselten die Besucher:innen und machten das Event zu einem vollen Erfolg. Das Jubiläum, das bei Wiener:innen seit Jahren beliebt ist, bot wie immer freien Eintritt und ein abwechslungsreiches Programm.



Wenn das Wiener Kaffeehaus zum Tatort wird

Im Café Imperial fand ein anregender Talk statt, der die letzten zwei Jahrzehnte der Kriminacht Revue passieren ließ. Stefan Slupetzky und Sabina Naber sowie die Moderatorin Uschi Pöttler-Fellner brachten spannende Anekdoten und Einblicke mit. Besonderes Augenmerk zog die international bekannte Psychoanalytikerin Dr. Erika Freeman auf sich, die als Special Guest beim Talk anwesend war.

Gänsehaut zwischen Espresso und Cappuccino

Ein besonderes Highlight der Kriminacht 2024 war der Abend im traditionsreichen Café Weidinger. Hier feierten Dieter Chmelar, Konstanze Breitebner und Joesi Prokopetz gemeinsam mit einem prall gefüllten Saal und sorgten für eine Stimmung, die prickelnder kaum sein konnte. Das Café Landtmann bot ebenfalls Nervenkitzel pur, als der renommierte Krimiautor Martin Walker seine Werke präsentierte. Die Kombination aus spannendem Lesestoff und gemütlicher Wiener Kaffeehausatmosphäre zog die Besucher:innen in ihren Bann.

Nicht nur renommierte Krimistars kamen zum Zug – im Café Schwarzenberg lasen die vier Gewinner:innen des vorMagazin Kurzkrimiwettbewerbs ihre selbstverfassten Geschichten. Die besten 15 dieser packenden Kurzkrimis sind im neuen Sammelband „Mörderischer Mokka“ enthalten, der pünktlich zur Kriminacht im echomedia Buchverlag erschienen ist (zu finden im ausgewählten Buchhandel).

Jubiläumsabend und Preisverleihung voller Thrill

Ein weiterer Höhepunkt der Kriminacht 2024 war die Verleihung des Leo-Perutz-Preises im Café Gerstner mit anschließender Abschlussparty. Der diesjährige Preisträger Heinrich Steinfest wurde für seinen neusten Kriminalroman ausgezeichnet und erhielt die verdiente Anerkennung für seine fesselnden Geschichten, die Leser:innen regelmäßig in eine Welt voller Spannung und Geheimnisse entführen.

Beitragsbilder: © Elisabeth Lechner / Sandra Oblak / Stefan Diesner / Bubu Dujmic

Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“. Text: Ursula Scheidl

Martin Walker liest bei der 20. Kriminacht in den Kaffeehäusern

Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“.
Text: Ursula Scheidl

Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Historiker und politische Journalist Martin Walker ist heuer bei der Kriminacht zu Gast in Wien und entführt Leser*innen mit seinem 16. Fall von Bruno, Chef de police, wieder in die französische Provinz.

Martin Walker versteht es blendend, Geschichte, Aktuelles, die politische Kultur Frankreichs und das einzigartige Flair des Périgord zu vermengen. Sein neuestes Buch „Im Château“ beginnt mit der Aufführung der Befreiungsschlacht um das malerische Mittelalter-Städtchen Sarlat. Die halbe Stadt ist in historischen Kostümen auf dem Marktplatz unterwegs, auch Bruno. Doch der Hauptdarsteller bleibt schwer verletzt in seiner Rüstung liegen. Sofort stellt sich die Frage: Unfall oder Absicht? Zumal es sich bei dem Schauspieler um einen sehr hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter mit weitreichenden internationalen Beziehungen handelt. Und natürlich sind alle von Brunos Freunden mit Feuereifer dabei, Licht ins Dunkel der Sache zu bringen. 

Autor Martin Walker. – ©Klaus Maria Einwanger
Martin Walker. – ©Klaus Maria Einwanger

vormagazin: Sie leben seit fast 30 Jahren im Périgord. Was fasziniert Sie an dieser Region?

Martin Walker: Es begann mit meiner Faszination für die prähistorischen Höhlenmalereien, dann für die neuere Geschichte, von den Römern bis zur arabischen Invasion, Karl den Großen, die Ankunft der Engländer und der Hundertjährige Krieg, die Verfolgungen der beiden ketzerischen Bewegungen hier, der Katharer und der Protestanten – so viel Menschheitsgeschichte konzentriert sich an einem Ort. Und dann war da noch das Essen, der Wein …

Es gibt viele Krimireihen, die in bestimmten Regionen spielen. Warum eignet sich das Périgord besonders für Ihre Geschichten mit Bruno?

Ich war überrascht, dass noch niemand das Périgord als Kulisse für einen Krimi verwendet hatte, und ich war fasziniert von dem Ort. Ich hatte bereits „Schatten an der Wand“ veröffentlicht, das ist eher ein Geschichtsroman, und genoss es, das zu tun, aber dann erkannte ich, dass mein Tennispartner, Dorfpolizist Pierrot, ein perfekter Typ für einen Krimi war.

Der 16. Fall von Bruno ist internationaler denn je zuvor. Wie kam es zur Entwicklung vom Polizisten eines kleinen Dorfes zum Ermittler großer internationaler Zusammenhänge?

Es begann eigentlich schon früh mit meinem Buch „Reiner Wein“, in dem es um eine große US-amerikanische Weinfirma geht. Dann erkennt Brunos große Liebe, Isabelle, die Assistentin des Innenministers in Paris ist, dass Bruno eine entscheidende Bereicherung in seiner Region ist. Dann haben wir einen baskischen Terroristen, einen britischen Gauner im Antiquitäten-handel, Kinder einheimischer arabischer Familien, die für die Taliban rekrutiert wurden, ein britischer Meisterspion zieht sich in Brunos Dorf zurück, dann taucht der russische Geheimdienst auf … Vieles davon kommt aus meinem Hintergrund als Journalist im Nahen Osten, in Russland und den USA.

Welche Rolle spielt der französische Geheimdienst?

Frankreichs wichtigstes Zentrum für elektronische Aufklärung befindet sich hier, in Domme im Dordogne-Tal, und ich traf englische Freunde, die für sie arbeiteten und französischen Technikern alle Varianten des Englischen, wie sie von Arabern, Afrikanern, Chinesen und so weiter gesprochen werden, beibrachten. Und wenn Sie wissen, wo Sie schauen müssen, sind die Antennen und Satellitenkuppeln nicht zu übersehen. Unvermeidlich, dass es zu einem Ziel wird.

Sie geben in diesem Buch auch Finanztipps. Was reizt Sie daran, immer wieder abseits der Haupthandlung Dinge zu recherchieren und einzustreuen? 

Ich bin im Herzen immer noch Journalist und liebe es zu erklären, wie die Welt meiner Meinung nach funktioniert. Eines habe ich gelernt: Nationale Sicherheit und Hightech sowie Investitionen und Steuerpolitik gehen fast immer Hand in Hand.

Prinzipiell, wie finden Sie die Ideen für Ihre Bücher?

Ich halte meine Augen und Ohren offen, bleibe in Kontakt mit alten Kontakten auf der ganzen Welt, versuche, nie die Dinge für bare Münze zu nehmen und immer daran zu denken, dass sich auf lange Sicht alles um Menschen dreht.

Ich schätze, Brunos 17. Fall ist schon geschrieben?

Der 17. Fall, „A Grave in the Woods“, ist soeben in Großbritannien und den USA veröffentlicht worden
(die deutsche Übersetzung ist bei Diogenes für 2025 in Vorbereitung), und ich habe bereits das Manuskript des 18. an meinen Verleger geschickt – der Titel steht noch nicht fest. Jetzt plane ich die Nummern 19 und 20. 

Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau Julia auch ein Kochbuch geschrieben. Wie haben Sie kochen gelernt?

Zuerst von meiner Mutter, dann vom Reisen und dem Versuch, die Gerichte, die ich in Afrika und dem Nahen Osten genossen hatte, wieder zu kreieren, und dann von Julia, die eine brillante Köchin ist. 

Sie produzieren auch selbst Wein. Wie kam es dazu?

Julien, unser örtlicher Weinhändler, ist ein guter Freund und hat ein Familienweingut. Er half mir dabei, den Cuvée Bruno herzustellen.

Sie waren ja schon mehrere Male in Wien. Was mögen Sie besonders in der Stadt?

Das Wiener Schnitzel im Gasthaus „Zu den 3 Hacken“ und die Bruegels im Kunsthistorischen Museum.

Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“.


„Im Château“, der sechzehnte Fall für Bruno, Chef de police, von Martin Walker
Aus dem Englischen von Michael Windgassen
Diogenes
384 Seiten
€ 26,80