Interview mit Richard Cockett über Wien als Wiege der modernen Welt
Bild: ©Elisabeth Lechner
Richard Cockett ist nach dem Erscheinen seines äußerst fundierten Buches „Vienna. How the City of Ideas Created the Modern World“, das jetzt auch auf deutsch bei Molden vorliegt, Stadtgespräch unter Intellektuellen. Im MAK war er zu Gast bei den Wiener Vorlesungen. Das Erstaunlichste seiner Beschreibung ist die Fülle der Persönlichkeiten Wiens, die prägend wirkten und so Unterschiedliches wie das moderne Management (Peter Drucker), die empirische Sozialforschung (Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda), die Einbauküche (Margarete Schütte-Lihotzky) und das Einkaufszentrum (Viktor Gruen) erfanden – um nur wenige Highlights zu nennen. Auch das Wiener Kaffeehaus hatte seinen Anteil an der Moderne und so erwies sich sogar das von Touristen belagerte Café Central als ideal für das Interview.
Wie haben Sie Wien bei Ihrem ersten Besuch 1987 erlebt?
Richard Cockett: Ich kam damals noch als Tourist und nur für eine Woche. Also ging ich zum Belvedere, sah mir die Klimt-Bilder an und Schönbrunn. Ich dachte auch nicht viel über Wien nach. Erst später, als ich viel über Wien erfahren und die vielen Wiener Intellektuellen entdeckt hatte, begann es mich weiter zu interessieren.
Gibt es Orte in Wien, die sie jedes Mal aufsuchen?
Ich habe ein paar Lieblingscafés wie das Landtmann, das Museum und das Prückel – das sind meine Top 3.
Wie wurde Wien für Sie als Historiker interessant – durch Lazarsfeld und Hayek?
Als Wirtschaftsjournalist und Historiker habe ich mit Hayek und Mises angefangen, denn ich schrieb in den frühen 90er-Jahren ein Buch über das Aufkommen der Politik von Thatcher und Reagan. Und schon bald wurde mir klar, dass die beiden sehr von diesen liberalen Wiener Wirtschaftsdenkern beeinflusst waren. Auch von Karl Popper. Ich fand, dass das ein interessantes Gebiet wäre.
Damals wusste niemand, dass der Reaganismus seine Wurzeln in Wien hat?
Ja, das ist auch heute noch teilweise so. Es wird auch schwer sein, einen Amerikaner zu finden, der Peter Drucker kennt oder gar weiß, dass er aus Wien kommt.
Wie sehr erinnert Sie die heutige politische Situation mit Brexit und dem Erstarken der Rechten an die 30er-Jahre?
Es gibt viele Parallelen, wie eine Welle von harter rechter Politik. Aber hier in Wien habt ihr ja eine sozialdemokratische Partei, die eine gesunde Mehrheit hat – wenngleich sie von feindlichen Kräften im In- und Ausland umgeben ist. Das weckt Erinnerungen an die 20er- und 30er-Jahre. Und wie Sie wissen, hatte die rechte Politik in Österreich ein schreckliches Ende. Aber Österreich ist jetzt eine stabile Demokratie, ein Mitglied der EU und hat eine starke Verfassung. Ich sehe also keine apokalyptische Gefahr für Österreich.
Das ganze Interview lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Wien live.
„Vienna“ von Richard Cockett
Verlag Yale University Press
464 Seiten
Sprache: Englisch