„Everything is connected – everyone can make a difference.“

Aus Anlass des Ablebens von Jane Goodall bringen wir ein Interview, das 2019 in Wien im Grand Hotel geführt wurde.

Sie ist eine der berühmtesten Frauen der Welt. Einfach weil ihre Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaften revolutionär waren. Als ich in die Schule ging, lernten wir noch, dass der Gebrauch von Werkzeugen Mensch und Tier unterscheidet. Goodall beobachtete in den 1960er Jahren in Tansania, dass auch Schimpansen sich Hilfsmittel bedienten – etwa wenn sie mit einem Grashalm nach Ameisen stochern. Sie musste lange kämpfen, um in der Wissenschaft Anerkennung zu erhalten. Schon allein deshalb, weil sie eine Frau war, und auch, weil sie ihren „Beobachtungsobjekten“ Namen gab, statt sie wie üblich mit Nummern zu versehen. David Greybeard, zu Deutsch „Graubart“, war der erste Schimpanse, der vor rund 60 Jahren seine Menschenscheu überwand und Goodall näherkam. Ihre wissenschaftliche Leistung ist auch ihrer Geduld geschuldet. 

Inzwischen ist Jane Goodall – heuer 85 Jahre geworden – eine der wichtigsten globalen Umweltaktivistinnen. Überall auf der Welt gibt es Jane Goodall Institute. Das in Wien ist eines der aktivsten, erzählt sie im Interview. Jetzt wurde Goodall von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse ausgezeichnet. Ihr Argument angesichts der globalen Klimakrise, die natürlich auch viele Arten gefährdet, ist so einfach wie schlagend: „Everything is connected – everyone can make a difference.“

Sie waren schon mehrmals in Wien. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

Leider bekomme ich niemals etwas von Wien zu sehen, denn ich muss dauernd Vorträge halten und Anfragen beantworten, zwischendurch Artikel schreiben. Ich reise zwar sehr viel, fürchte aber, ich bin bis zum Ende meines Lebens mit Arbeit ­eingedeckt.

Sie sind praktisch immer unterwegs, ist das nicht extrem anstrengend?

Ich bin 300 Tage – wenn nicht mehr – im Jahr unter­wegs. Natürlich ist das anstrengend. Ich habe gerade nachgeschaut, wo ich bis Weihnachten noch überall sein werde – quasi quer durch die USA, an die sieben Städte und dann noch zwei Orte in Kana­da, dann nach Italien, Spanien, in die Schweiz, danach Malaysia, Singapur und China, dann Frankreich, Belgien und Deutschland.

Sie haben schon vor Jahrzehnten Roots & Shoots gegründet, Ihr Jugendprogramm. Was war die Idee?

Als ich weltweit unterwegs war, wurde mir klar, dass, wenn wir so weitermachen, die Schimpansen und der Regenwald verschwinden würden. Ich versuchte das den Menschen klarzumachen – besonders was die Vernichtung des Regenwalds für das Klima bedeuten würde. Und ich habe festgestellt, dass besonders die Jugend für dieses Thema empfänglich war. Sie waren entsetzt, deprimiert oder wütend. Und wenn ich sie fragte, wie sie sich fühlten, sagten sie mir: „Wie soll es uns gehen? Ihr zerstört unsere Zukunft und wir können nichts dagegen tun.“ Ich sagte ihnen: „Ja, wir stehlen die Zukunft unserer Kinder, aber es gibt noch eine Zeitspanne, in der wir etwas bewirken können – und die ist jetzt!“ Roots & Shoots ist die Antwort auf ihre Frage, denn unsere Botschaft lautet: Jeder kann etwas tun, jeden einzelnen Tag seines Lebens. Wir treffen tagtäglich eine Fülle an Entscheidungen – was wir kaufen, was wir essen, was wir tragen, wie wir uns fortbewegen – das sind Millionen an Entscheidungen, die wir dazu nützen könnten, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Roots & Shoots gibt es ja an vielen Orten der Welt, was wird in den Centern gemacht?

Jede Gruppe von Roots & Shoots wählt aus drei Themenprojekten und hilft so Menschen, Tieren oder der Umwelt. Wir haben Mitglieder vom Kindergarten bis zur Universität. Es bilden sich auch immer mehr Erwachsenengruppen, in den USA haben wir jetzt sogar vier Gruppen in Gefängnissen. Alle wählen eigene Projekte – wir sagen ihnen nicht, was sie tun sollen. Wir versuchen aber, Menschen zusammenzubringen. Denn es geht immer auch darum, andere Kulturen, Traditionen und Reli­gionen zu respektieren – es hat keine Bedeutung, ob deine Haut weiß, schwarz oder braun ist.

Die Problematik ist ja, dass Menschen, die nichts haben, von irgendetwas leben müssen …

Ja, wir müssen dringend Armut bekämpfen, denn wenn Menschen wirklich arm sind, werden sie noch den letzten Baum abholzen, um an Nahrung zu kommen. Arme Menschen in den Städten können natürlich nur die billigsten Nahrungsmitteln kaufen – sie können es sich schlicht nicht leisten, auf eine umweltschonende Herstellung zu achten, sie müssen einfach überleben. Aber wir hier in den reichen Ländern haben meist viel mehr, als wir brauchen. Wir müssen also etwas gegen den massiven Bevölkerungszuwachs tun. Ist es nicht schockierend, dass mehr Getreide dafür verwendet wird, um Tiere zu füttern, die dann in reicheren Ländern gegessen werden, als dafür verwendet wird, Hungernde zu versorgen? Und bekanntlich produzieren Nutztiere noch dazu sehr viel Methangas, was wiederum verheerend für unsere Umweltbilanz ist. Everyone can make a difference! (Foto: Rene Wallentin)