Buchtipp – Milena Busquets, Meine verlorene Freundin
Als Frau in Barcelona
„Meine verlorene Freundin“ von Milena Busquets. Ein Buchtipp von Helmut Schneider.
Die 1972 in Barcelona und dort auch wieder lebende Schriftstellerin und frühere Verlegerin Milena Busquets, die 2014 mit ihrem Roman „Auch dies wird vergehen“ international erfolgreich war, arbeitet nach wie vor auch als Journalistin und Übersetzerin. Ihr neues Buch „Meine verlorene Freundin“ verhandelt weniger eine Recherche nach einer verstorbenen Klassenkameradin wie der Titel suggeriert, sondern es sind die Gedanken einer Frau, nicht mehr jung, noch nicht alt mit zwei Kindern, alleinlebend und neuerdings wieder mit einem Mann zusammen. Denn die Ich-Erzählerin, die noch dazu als Autorin und Übersetzerin arbeitet, findet über die jung Verstorbene – nach gut 30 Jahren – nicht viel heraus. Sie war die Tochter von Restaurantbetreibern, die auch später noch vom Unglück verfolgt wurden. Dafür erfahren wir im Buch viel über die Freundinnen der Erzählerin, ihren Geliebten, einen erfolgreichen Schauspieler, den sie am Ende des Buches wieder verlässt, und das Lebensgefühl einer Frau in Barcelona. Das ist ganz interessant und auch sehr charmant erzählt, ergibt aber eigentlich noch nicht wirklich einen Roman. Am ehesten könnte man den Text noch als Novelle lesen – nach Goethe „eine sich ereignete unerhörte Begebenheit“ – wenn man den allerdings nicht wirklich unerhörten Bericht eines Restaurantkritikers über das Schicksal der Familie der tragisch jung verstorbenen Klassenkameradin miteinrechnet. Aber die Bezeichnung „Novelle“ verkauft sich wahrscheinlich nicht so gut wie „Roman“, weshalb Verlage das zumeist vermeiden. Vielleicht ist „Meine verlorene Freundin“ aber einfach die passende Lektüre für einen entspannten Tag am Strand.
Milena Busquets: Meine verlorene Freundin
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
Suhrkamp Verlag
ISBN: 978-3-518-43047-7
136 Seiten
€ 22,70