Das ungeheure Ungeziefer – Lucia Bihler inszeniert Kafkas „Die Verwandlung“ im Akademietheater.

Das ungeheure Ungeziefer – Lucia Bihler inszeniert Kafkas „Die Verwandlung“ im Akademietheater

Bild: ©Marcella Ruiz Cruz

Auf den jungen Mann lastet schon eine große Verantwortung, nachdem sein Vater nicht mehr arbeiten kann oder will und seiner Schwester noch eine Ausbildung ermöglicht werden soll. Doch nach „unruhigen Träumen“ findet sich Gregor Samsa „eines Morgens“ zu einem „ungeheuren Ungeziefer verwandelt“ wie es in dem berühmten ersten Satz in Franz Kafkas wohl bekanntesten Erzählung „Die Verwandlung“ heißt. Die Metamorphose legt die Ängste und Spannungen im doch bisher geordneten Leben eines diensteifrigen Handlungsreisenden bloß. Seine Stellung als Ernährer der Familie fällt in sich zusammen, bis er am Ende nur noch als Belastung wahrgenommen wird. So radikal und schonungslos wie Kafka hat niemand noch die Reduktion des Menschen auf seine Funktion in der Gesellschaft beschrieben.

Die Metamorphose legt die Ängste und Spannungen im doch bisher geordneten Leben eines diensteifrigen Handlungsreisenden bloß.
Die Metamorphose legt die Ängste und Spannungen im doch bisher geordneten Leben eines diensteifrigen Handlungsreisenden bloß. – ©Marcella Ruiz Cruz

Die junge deutsche Theaterregisseurin Lucia Bihler übersetzt den inneren Monolog Gregor Samsas in bunte, expressionistische Bilder (Bühne: Pia Maria Mackert). Ihr Ungeziefer (gespielt von Paulina Alpen) spricht nicht und ist auch kein Käfer, sondern ein grotesk überzeichneter Mensch in einem orangen Überrock. Mutter (Dorothee Hartinger), Vater (Philipp Hauss) und Schwester (Stefanie Dvorak) tragen meistens Marionettenköpfe und als Erzähler in schwarz tritt Franz Kafka himself auf (Jonas Hackmann). Dabei verschieben sich die Räume unaufhörlich – Samsa wird klein wie eine Puppe, Figuren bewegen sich auf der Decke oder an der Wand. Der Text der „Verwandlung“ wird abwechselnd gesprochen und oft auch wiederholt. Dabei entsteht in anderthalb Stunden ein beklemmendes Gesamtbild, das uns den vor hundert Jahren gestorbenen Autor näherbringt. Sollte man erlebt haben.


Infos & Karten: burgtheater.at (nächste Spieltage: 3.2. und 10.2.)