Die Postmoderne ist an allem schuld – Raphaela Edelbauers Terroristenroman „Die echtere Wirklichkeit“

Alternative Wahrheiten & Fake News bestimmen schon lange den politischen Diskurs. Dass Politiker lügen, ist nichts Neues, aber dass sie frech einfach Fakten negieren und auf ihre „subjektiven Wahrheiten“ pochen, scheint erst mit den Wahlsiegen von Populisten Mainstream geworden zu sein.

In Raphael Edelbauers neuem Roman „Die echtere Wirklichkeit“ findet sich eine Gruppe von Philosophen zusammen, die die Ursache für die Aushöhlung der Wahrheit just bei den Denkern der Moderne ausmachen. Ihr Subjektivismus gewann den Kampf gegen die analytische Weltsicht, wie sie etwa Wittgenstein und Popper propagierten. Edelbauer lässt eine – allerdings höchst unzuverlässige, nach einem Autounfall auf einen Rollstuhl angewiesene Erzählerin, die sich Byproxy nennt, zufällig auf zwei Philosophen und zwei Philosophinnen treffen, die mithilfe von Terror die Gesellschaft zur Wahrheit zwingen wollen. Und zwar durch einen Bombenanschlag plus Geiselnahmen auf das österreichische Parlament und die Universität.

Das klingt ein wenig nach der dilettantischen judäischen Befreiungsfront in Monty Pythons „Das Leben des Brian“. Aber Edelbauer hat in ihrer Geschichte zusätzlich noch zwei Ebenen eingebaut, die das Erzählte desavouieren. Byproxy programmiert Computerspiele, die anders funktionieren als die gängigen. „Think backwards“ heißt es da – die Spieler müssen herausfinden, wie es zu der gezeigten Situation gekommen ist und nicht wie üblich Aliens und Monster abknallen. Weiters werden die Hintergründe des Autounfalls beleuchtet, denn Byproxy war zu dieser Zeit mit ihrer besten Freundin im letzten Schuljahr in Schweden und die Freundin ließ ihr kaum Luft zum Atmen. Sie organisierte schon eine heimliche Flucht. Gab es diesen Zwilling überhaupt, oder ist Dorothea nur eine Spiegelung der Erzählerin?  

Die vier Philosophie-Terroristen – sie nennen sich übrigens „Aletheia“ nach dem altgriechischen Wort für Wahrheit – werden zwar brav geschildert, mehr dürfte die Autorin allerdings tatsächlich die Ideengeschichte der Menschheit – von Sokrates bis zu Foucault – und dazu noch die Entwicklung des Lebens interessiert haben. Das ist dann manchmal auch spannender als die oft ermüdenden Streitereien und Heimlichtuereien in der Gruppe. Am Ende wartet Edelbauer aber doch noch ein bombiges Finale auf.

Raphaela Edelbauer: Die echtere Wirklichkeit. Klett-Cotta, 444 Seiten, € 29,95