Dreigroschenoper

Zuversicht kann man lernen


Susa Meyer, 55, und Swintha Gersthofer, 35, brillieren in Bertolt Brechts & Kurt Weills Welterfolg „Dreigroschenoper“ als „Spelunken-Jenny“ bzw. „Polly Peachum“ – demnächst in den Kammerspielen.
Text: Andrea Budey / Foto: Stefan Joham


Treffpunkt Kammerspiele. Probenende. Regisseur Torsten Fischer verlässt das Haus, wenig später Claudius von Stolzmann alias „Mackie Messer“. „Polly Peachum“ Swintha Gersthofer und „Spelunken-Jenny“ Susa Meyer winken ins Foyer. Fast könnte man meinen: ein Interview wie damals. Vor Corona. Ursprünglich war die Premiere für 11. März angesetzt, nun heißt es wieder warten. Geprobt wird dennoch. Denn ORF III setzt vermehrt auf aktuelle Theateraufzeichnungen – stark vertreten dabei sind Produktionen der Josefstadt. Und ein Dauerbrenner wie Brechts & Weills Welterfolg durfte wohl auch nicht fehlen.

wienlive: Wie geht’s Ihnen in Zeiten wie diesen?
SWINTHA GERSTHOFER: Ich hatte bis vor kurzem eine längere Pause, was angenehm war, weil ich endlich Zeit für andere Dinge fand. Für den Kulturbereich ist dieser Stillstand natürlich extrem schlimm, vor allem für die Freischaffenden, die dringend wieder Einnahmen zum Überleben bräuchten. Ich befinde mich in einer Luxussituation, weil ich als Ensemble-Mitglied bezahlt werde.
SUSA MEYER: Das stimmt. Wir sind in einer sehr privilegierten Situation. Wir haben das Glück, dass wir regelmäßig getestet werden und die Möglichkeit haben, ganz normal zu proben. Diese Kontinuität wissen wir sehr zu schätzen. Ein Freund erzählte erst kürzlich von einer Schauspielerin und einer Opernsängerin, die sich in Berlin als Kassiererin bzw. Grabrednerin über Wasser halten.

Trotz dieser Sicherheit, belastet es nicht trotzdem psychisch?
MEYER: Den ersten Lockdown haben viele – auch ich – noch als entspannend empfunden. Jetzt ist es anders. Dennoch: Man muss immer versuchen, jede Situation, mit der man konfrontiert wird, positiv zu formulieren. Positives Denken wird gern belächelt, aber ich glaube, es ist eine Strategie. Wenn man sich permanent auf Angst fokussiert, dann wächst diese auch. Zuversicht kann man lernen.

GERSTHOFER: Es ist manchmal sehr schwierig, für alle von uns, aber man darf sich nicht unterkriegen lassen und muss optimistisch bleiben, um diese Zeit gesund zu überstehen. Für Menschen, die permanent alleine auf sich gestellt sind, ist es bestimmt besonders hart. Man braucht die Energie von anderen, den Austausch, die Inspiration oder auch die Unterstützung. Ich vermisse ebenso vieles. Aber dennoch: Es ist, wie es ist. Also gilt: „Mach’ das Beste daraus, mit guten Gedanken und mit positiver Energie!“

Dreigroschenoper. Brecht verspottet den Kapitalismus, prangert Doppelmoral an und zeigt soziale Missstände auf. Noch zeitgemäß?
GERSTHOFER: Total aktuell. Schon allein die soziale Schere, die immer weiter auseinanderklafft. Auf der einen Seite profitieren etliche enorm von der Krise, andererseits geht es vielen finanziell an den Kragen. Auch all die politischen Skandale, die jetzt wieder am Aufbrechen sind. Leider wiederholt sich alles ständig.
MEYER: Wir leben in einer kapitalistischen wie korrupten Gesellschaft, in der sich die Mächtigen scheinbar alles richten. Beispiel Donald Trump – zweites Impeachment, aber dem passiert nichts!

Glauben Sie an eine ausgleichende Gerechtigkeit?
GERSTHOFER:Ja, ich glaube daran, auch wenn wir vieles nicht mitkriegen. Und ich will auch daran glauben. Es kann ja nicht sein, dass Trump schon wieder ungeschoren davonkommt. Vielleicht macht ihm ja Melania das Leben zur Hölle?! Hoffentlich (beide lachen)!

Wie klappt’s mit dem Singen?
GERSTHOFER: Es ist eine Zeit lang her, dass ich musikalisch so gefordert wurde. Zumal auch fast alle Lieder für die Frauen irrsinnig hoch sind!
MEYER: Kurt Weill würde die Songs heute anders schreiben, er würde die Tonlagen für Frauen schreiben, die mit beiden Beinen im Leben stehen, für Frauen also, die mehr Eier haben (beide lachen).

Ist das Stück nur ernst oder darf man auch mit gewisser Leichtigkeit rechnen?
GERSTHOFER: Es ist eine gute Mischung aus beidem. Die große Kunst besteht stets darin, dem Unterhaltsamen eine Tiefe zu geben, die betroffen macht. Und umgekehrt. Ich hoffe, wir kriegen das hin.