Einen Kampf um die (Leit)Kultur gab es auch schon früher – Eine Darstellung der Kulturgeschichte des Austrofaschismus bei „Rund um die Burg“
Im Gymnasium lernte ich noch, dass sich das österreichische Parlament im März 1933 selbst ausschaltete und Dollfuß/Schuschnigg den Ständestaat als letztes Bollwerk gegen Hitler errichten mussten. Ein damals noch durchaus gängiges Geschichtsbild. Inzwischen weiß man, dass die Christlichsozialen schon lange vor der – leicht wieder reparierbaren – Abstimmungspanne im Parlament die Liquidierung der Demokratie planten. Auch, aber nicht nur weil sie mit einem großen Stimmzuwachs der Nationalsozialisten bei den nächsten Wahlen rechneten. Der Hass auf die Sozialdemokratie und das Rote Wien war bei Dollfuß und Co. einfach riesengroß und in der Kirche sahen sie eine starke Verbündete.
Der Ständestaat begann dann auch – spätestens nach den Februarkämpfen 1934 – mit den Säuberungen und der Propaganda auch in der Kultur wie das gerade erschienene Buch „Maskeraden. Eine Kulturgeschichte des Austrofaschismus“ von Alfred Pfoser/Béla Rásky/Hermann Schlösser aufzeigt. Der Titel ist einem erotisch aufgeladenen Kinoerfolg mit Paula Wessely aus dem Jahr 1934 entnommen, denn die Autoren beschreiben die damalige Politik als Maskerade eines brutalen Polizeistaates, der mit den Mitteln der Unterhaltungsindustrie auf schön geschminkt werden sollte. Wie im Nationalsozialismus sollte die Heimat im Zentrum stehen, alles Liberale oder gar sozialdemokratische Denken wurde mit Hinweis auf den katholischen Glauben und das Vaterland getilgt. Man erließ zwar nicht wie Hitler einschlägige antisemitische Gesetze, Juden wurden aber überall benachteiligt. Joseph Roth schrieb etwa in seinem Essay „Juden auf Wanderschaft“ schon 1927: „Es ist furchtbar schwer, ein Ostjude zu sein, es gibt kein schwereres Los als das eines fremden Ostjuden in Wien.“
Das Filetstück der Sozialdemokraten war natürlich das Rote Wien. Partei und Gewerkschaften wurden von den Austrofaschisten verboten, die sozialdemokratischen Einrichtungen wie Arbeiterbüchereien und Volkshochschulen gesäubert. In Zusammenarbeit mit der Kirche wurden auch höchst literarische Werke von Autoren wie Èmile Zola, Jack London oder B. Traven aus den Beständen eliminiert und durch Bücher von Waggerl oder Luis Trenker ersetzt. Selbst Sigmund Freud fand keine Gnade vor der Sexualfeindlichkeit der Machthaber.
Dagegen suchte man nach einer echten österreichischen Leitkultur. Mit allerdings bescheidenem Erfolg organisierte das Regime Weihespiele und Aufmärsche wie eine „Huldigung der Stände“ ausgerechnet am 1. Mai und ausgerechnet vor dem Wiener Rathaus. Malerische Alpentrachten und blaugelbe Pfadfinderhemden waren die neue Mode. Am Ende mussten allerdings auch Vertreter des Regimes einsehen, dass es besser gewesen wäre, gemeinsam mit der verhassten Linken den Kampf gegen die Nationalsozialisten aufzunehmen statt sich ideologisch immer mehr anzubiedern.
Am 11. Mai wird Alfred Pfoser um 10.30 Uhr bei „Rund um die Burg“ das Buch „Maskeraden“ im Restaurant Vestibül vorstellen. Alle Infos: rundumdieburg.at
„Maskeraden. Eine Kulturgeschichte des Austrofaschismus“ von Alfred Pfoser/Béla Rásky/Hermann Schlösser
Residenz Verlag
424 Seiten
€ 39,-