Flucht nach Tirol – Katharina Köllers Roman um häusliche Gewalt „Wild wuchern“
Die 1984 in Eisenstadt geborene Autorin Katharina Köller hat schon viele Theaterstücke geschrieben und – auch selbst – auf die Bühne gebracht. 2021 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „Was ich im Wasser sah“ – „Wild wuchern“ ist nur ihr zweiter und er ist unbedingt lesenswert. Darin geht es um eine verheiratete Frau in Wien, die nach tausenden verbalen Beleidigungen und Schlägen endlich – und zwar buchstäblich, nämlich mit der Bleikristallvase der Oma – zurückschlägt und danach in Panik zu ihrer Cousine Johanna nach Tirol flüchtet.
Ob Peter jetzt tot ist, weiß die Ich-Erzählerin Marie aber nicht. Die Johanna hat das ideale Versteck, sie wohnt nämlich in einer kleinen Hütte in den Bergen – fernab jeder Zivilisation – und ernährt sich von dem, was die Natur hergibt bzw. von der Milch ihrer Ziegenherde. Bloß, die etwa gleichaltrige Johanna ist gar nicht begeistert von der neuen Gesellschaft…
Wie sich die beiden Frauen „zusammenraufen“ und dabei ihre jeweilige Lebensgeschichte aufarbeiten – sehr schwierig, weil Johanna eine Einsiedlerin ist und fast nichts spricht und Maria doch irgendwie noch ein Szene-Stadt-Girl – macht den Reiz dieses Romans aus, der psychologisch durchdacht ist. „Wild wuchern“ hebt sich so wohltuend von der Fülle jener Romane ab, in denen irgendeine Städterin am Land Selbstverwirklichung erleben möchte und natürlich kläglich scheitert.
Katharina Koller: Wild wuchern. Penguin Verlag, 206 Seiten, € 22,70