Herbstsaison

Zu zweit ist alles schöner


Grandios. Die Kammerspiele starten die Herbstsaison mit Peter Turrinis Uraufführung „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“. Maria Köstlinger und Johannes Krisch brillieren in dieser Tragikomödie (ab 19.9.).
Text: Andrea Buday / Fotos: Stefan Joham


Der Theaterbesuch wird ein anderer sein, aber die Verantwortlichen versprechen, alles zu tun, um trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die den Verordnungen der Gesundheitsbehörden entsprechen, einen schönen Abend zu bieten. Spätestens wenn Maria Köstlinger und Johannes Krisch die Bühne betreten, werden Mund-Nasen-Schutz (beim Betreten und Verlassen des Hauses), coronaadäquate Sitzpläne etc. vergessen sein. Und genau davon handelt auch das Stück.

GEMEINSAM IM HEIM
Ein Paar, das ein Leben miteinander verbracht hat, lebt nun im Altersheim in der Abteilung für Demenzkranke. Sie erinnern sich an gute wie schlechte Zeiten, an Affären, an schmerzvolle Kränkungen, an eigenes Versagen und machen einander Vorwürfe, die immer heftiger und aufgrund ihrer Vergesslichkeit immer unspezifischer werden.

SCHWARZER HUMOR
So nachdenklich das Stück auch stimmt, hat es dennoch recht lustige Seiten. Und sogar ein Happy End. Denn die Zwei, die am Ende alles vergessen zu haben scheinen, verlieben sich erneut ineinander. Der Verlust des Gewesenen bedingt einen neuen Anfang. Durch das Vergessen könne etwas völlig Neues entstehen, sagt auch Maria Köstlinger. Alles fange wieder von vorne an.

ENDLICH WIEDER SPIELEN
Dass Peter Turrini mit diesem Stück ein großer Wurf gelungen ist, darin sind sich die zwei Josefstadt-Schauspieler, die sich nach der langen Corona-Pause wieder enorm aufs Spielen freuen, einig. Und wenn alles klappt wie geplant, dann steht Köstlinger zudem ab September für die sechste Staffel „Vorstadtweiber“ vor der Kamera. Auch Krisch hat Drehtermine, darf aber darüber noch nicht reden.


wienlive: Turrinis Stück behandelt viele Themen wie Krankheit, Alter, Abgeschobenwerden, Einsamkeit und Tod. Wirkt das nicht bedrückend?
JOHANNES KRISCH: Das Stück zieht mich nicht runter, aber es ist doch sehr anstrengend und energieaufwendig.
MARIA KÖSTLINGER: Ja, ziemlich, weil man sich doch mehr als sonst mit all diesen Themen auseinandersetzt. Man hat persönliche Erfahrungen. Zudem habe ich in meinem Leben auch schon viel Zeit in Alters- bzw. Pflegeeinrichtungen verbracht und das kommt alles wieder hoch. Auch die eigene Angst vor Krankheit, Schwäche und Einsamkeit spielt hier mit.

Sie fürchten sich vor Einsamkeit?
KÖSTLINGER: Davor habe ich wirklich große Angst. Einsamkeit ist etwas, was sich richtig schlimm anfühlt. Es gibt Menschen, die können sehr hervorragend allein sein und sehnen sich gelegentlich danach, ich tue mir sehr schwer damit.
KRISCH: Mir geht’s genauso. Ich kann nicht allein sein. Zwei Tage allein zu Hause? Entsetzlich! Ich halte mich nicht aus. Da muss ich leiden (lacht).

Wieso halten Sie sich selbst nicht aus?
KRISCH: Ich habe schon versucht draufzukommen, es ist mir aber noch nicht gelungen. Ich weiß nur: Einsamkeit ist etwas Furchtbares.


„Man kann oft gar nicht anders, als dem Leben mit all seinen Widrigkeiten mit Lachen zu begegnen.“

Maria Köstlinger

Und wie geht es Ihnen mit dem Alter bzw. dem Älterwerden?
KÖSTLINGER: Für eine Frau bedeutet alt werden etwas anderes als für einen Mann. Rein äußerlich ist es einfach schwieriger, damit zurechtzukommen. Man sieht das ja bei Kolleginnen, deren Gesicht „gebügelt“ bzw. gespritzt ist. Dabei wird immer vergessen, dass die Seele in dem Alter bleibt, in dem man eben ist. Grundsätzlich ist es etwas Wunderbares, ein Leben gelebt zu haben. Wenn man sich dessen bewusst ist, dann ist das schön. Nur heutzutage verhält es sich leider so, dass diese Einstellung wenig Anerkennung findet. Das spüre ich sehr stark und dagegen versuche ich mich zu verwehren. Mit viel Humor (lacht).
KRISCH: Je älter man wird, umso weiser sollte man mit dem Leben umgehen und mit den Erkenntnissen, die man daraus gewonnen hat. Alt werden heißt, dass die Maschine nicht mehr so funktioniert und das ist bitter. Und ärgert uns. Aber vielleicht muss das ja so sein, damit wir eine andere Ebene erreichen, sozusagen reinkarnieren und unsere Reise auf einer anderen Ebene fortsetzen.

Das Stück zeigt auch, wie wichtig es ist, im Jetzt zu leben und seinen Partner wertzuschätzen, ihn täglich neu zu entdecken.
KÖSTLINGER: Ein wunderschöner Gedanke. Man sollte sich auch immer wieder bewusst machen, dass der Moment zählt. Es funktioniert eine gewisse Zeit lang, aber früher oder später holt einen der Alltag ein und man achtet nicht mehr darauf. Erst wenn etwas Gravierendes passiert, beginnt man wieder nachzudenken. Es mag kitschig klingen, aber man sollte tatsächlich bemüht sein, seinen Partner jeden Tag neu zu entdecken.
KRISCH: Vor allem jeden Abend! Schon die Großmutter hat immer gesagt, man solle nie böse aufeinander einschlafen, sondern vorher alles bereinigen. Weil man ja nie weiß, ob man am nächsten Tag aufwacht, und das zuletzt Gesagte wird ewig in Erinnerung bleiben. Das sollte man sich stets vor Augen führen. Natürlich schafft man es nicht immer, was furchtbar ist … Es hat etwas mit Zeit nehmen zu tun und mit Achtsamkeit.

„Ich kann nicht allein sein. Einsamkeit ist etwas Furchtbares. Ich halte mich selbst nicht aus.“

Johannes Krisch

Wie bereitet man sich auf ein Stück mit solch dramatischer Thematik vor?
KRISCH: Die Konflikte, die im Stück vorkommen, sind uns ja nicht unbekannt, und den Rest übernimmt die Fanatise. Zudem hat man auch Erfahrungen bzw. kennt Menschen, die dement sind. Insofern ist dieser Rucksack schon ein wenig gefüllt. Und Peter Turrini hat das ja auch sehr gut geschrieben. Vieles bleibt offen und interpretierbar.

Darf man eigentlich über derart ernste Themen lachen?
KRISCH: Unbedingt. Man sollte über viel mehr lachen. Über die Liebe lacht man ja auch.
KÖSTLINGER: Man kann manchmal gar nicht anders, als dem Leben mit all seinen Widrigkeiten mit Lachen zu begegnen. Es ist auch ein Rettungsanker. Noch schöner ist es, wenn man zu zweit lachen kann. Krisch: Alles ist schöner, wenn man es zu zweit erlebt, nicht nur Alzheimer. Auch das Leben selbst (lacht).


Infos & Details zu „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“: josefstadt.org.