Der in New York lebende Londoner Hari Kunzru schreibt packende Romane über Schicksale von Künstlern und Literaten – und er liebt gängige Titel mit Farben. „Red Pills“ und „White Tears“ hießen Vorgänger, jetzt also „Blue Ruins“.

Junge Wilde aus London gefangen in der Pandemie – Hari Kunzrus Künstlerroman „Blue Ruin“

Der in New York lebende Londoner Hari Kunzru schreibt packende Romane über Schicksale von Künstlern und Literaten – und er liebt gängige Titel mit Farben. „Red Pills“ und „White Tears“ hießen Vorgänger, jetzt also „Blue Ruins“.

Das Buch spielt sowohl in den 90er-Jahren in London – als die Jungen Wilden in der Kunstszene antraten, die Welt zu erobern – als auch in der nahen Vergangenheit der Pandemie in einem riesigen Hochsicherheitsanwesen Upstate New York. Es ist eine Dreiecksgeschichte um die beiden Maler Rob und Jay sowie der Kunststudentin Alice, die Kuratorin werden will. Ich-Erzähler Jay kommt am Beginn als Essensauslieferer  zu der besagten Villa und trifft dort unvermutet auf Alice, seine ehemalige Freundin. Er ist nicht nur ziemlich heruntergekommen und lebt inzwischen in seinem Auto, sondern hat gerade einen Covid-Anfall. Alice bringt ihn in einer luxuriösen Scheune unter, denn niemand soll erfahren, dass er hier ist. Warum das so ist und was er seit dem Ende ihrer Beziehung erlebt hat, ist das Gerüst des Buches. Wie die anderen Villenbewohner – sein ehemaliger Freund Rob und dessen Galerist mit Freundin sind Gäste eines Superreichen – dann auf sein Erscheinen reagieren, bringt die nötige Spannung ins Buch. Denn während Jay als Shootingstar plötzlich für mehr als 20 Jahre verschwand, um seine letzte Performance – das Verschwinden – aufzuführen, hat Rob als Künstler der Superreichen reüssiert, aber künstlerisch nichts weitergebracht.

Jay ist aber auch verschwunden, weil Alice ihn wegen Rob verlassen hat. Die monatelangen Drogenexzesse mit Jay waren ihr zu viel. Eine zusätzliche Ebene besteht darin, dass Jay einen jamaikanischen Vater hat, also schwarz ist, während Alice aus einer reichen vietnamesisch-französischen Familie stammt. Hari Kunzru arbeitete früher auch als Kunstkritiker, er kennt also die Diskussionen über die wahre Kunst und das Galeriengeschäft sehr gut. Es ist interessant, mit ihm über Kunst nachzudenken, wenngleich manche Schilderungen aus Jays Leben etwas klischeehaft klingen. Dafür hat der Roman am Ende fast Thrillerqualitäten. Es geht um Autorenschaft in der Kunst und natürlich auch die Frage, wofür sich Alice und Jay entscheiden, als sich die reichen Besitzer der Villa ankündigen.


Hari Kunzru: Blue Ruin
Aus dem Englischen von Nicolai von Schreder-Schreiner
Liebeskind
342 Seiten
€ 25,50