Katastrophe ohne Anlauf – Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ im Burgtheater
Bild: ©Marcella Ruiz Cruz
Immer wieder hört man das Ticken einer Uhr und auch das Programmheft besteht nur aus Stellen über die Zeit aus Manns Jahrhundertroman „Der Zauberberg“. Das scheint ein logischer Ansatz angesichts der Handlung, denn aus Hans Castorps geplantem dreiwöchigen Besuch seines Vetters in der Lungenheilanstalt in Davos werden bekanntlich sieben Jahre. Das verordnete siebenminütige Fiebermessen dauert in der Bühnenfassung von Bastian Kraft zwar nicht wirklich sieben Minuten, aber eine Szene, in der nicht gesprochen und agiert wird, kommt einem im Theater schon sehr lange vor.
Das eigentliche Regiekonzept von Kraft besteht aber darin, alle vier Darsteller – Felix Kammerer, Dagna Litzenberger Vinet, Markus Meyer und Sylvie Rohrer – in ähnlicher, cremefarbiger Kleidung Hans Castorp spielen zu lassen und die anderen 14 Nebenfiguren – ebenfalls durch sie – mit Videoclips einzuspielen. Dabei leistete die Maskenbildnerin (Lena Damm) Erstaunliches – man muss oft sehr genau hinschauen, um die Schauspieler zu erkennen, die oft konträr zu ihrem tatsächlichen Geschlecht eingesetzt werden. Felix Kammerer spielt etwa die verführerische Russin und ebenso ihren reichen, holländischen Gatten. Gesprochen wird alles live – und so können wir etwa fasziniert die Gespräche der zwei intellektuellen Kontrahenten Settembrini und Naphta verfolgen, die sich später auch noch duellieren und die beide von Sylvie Rohrer dargestellt werden. Solche Szenen erfordern ein perfektes Timing, das alle an diesem Abend bravourös meistern.
Peter Baur hat einen schematischen Berg auf die Vorderbühne des Burgtheaters gestellt, auf dem die Videos auch eingespielt werden womit er uns öde Leinwände erspart. Das alles vermittelt eine abgeschlossene Welt der Krankheit und der Dekadenz, die benommen auf die drohende Katastrophe – den 1. Weltkrieg – zusteuert. Ein faszinierendes Setting, das vom Premierenpublikum ausführlich bejubelt wurde.
INFO
burgtheater.at