Nestroys „Häuptling Abendwind“ als Rap-Tragikomödie im Rabenhof
Bild: ©Rita Newman
Johann Nestroys Menschenfresserstück „Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl“ ist so politisch unkorrekt, dass man es sich heute kaum mehr spielen traut. Nun hat sich die Musikerin und Poetry Slammerin Yasmin Hafedh aka Yasmo bei ihrer allerersten Regiearbeit dem Stoff angenommen und für den Rabenhof ein aktuelles Schauerstück mit antizipatorischem Anspruch gemacht. Ihre zwei „Wilden“ – die Häuptlinge Abendwind und Biberhahn – agieren durchaus heutig, ihr Appetit auf Menschenfleisch ist eben ihre Leitkultur (oder Leidkultur) und ihr Abwehrkampf gegen die Zivilisation und den Fortschritt irgendwie verständlich. Roman Gregory, der umtriebige Mastermind der Szeneband „Alkbottle“, kann in der Titelpartie voll Überzeugung singen: „I wü ka Gemüse / I wü ka Obst“.
Doch auch in der Leitkultur gibt es Probleme. Die beiden Chefs haben sich gegenseitig die Ehefrauen wortwörtlich einverleibt und Abendwinds Tochter Atala begehrt gegen die Pläne ihres Vaters, sie mit Biberhahns Sohn Artur zu vermählen. Das geht sowieso schief, denn blöderweise landet dieser im Kochtopf. Davor präsentiert sich Artur aber noch als völliger Schnösel, der ebenso wie Atala an seinen Followern interessiert scheint. Influencer gibt es anscheinend schon auf der letzten Südseeinsel. Auch das junge Paar ist exzellent besetzt mit der aus Ghana stammenden Musikerin Bex und dem Schlagzeuger Raphael Rameis, der gemeinsam mit Yasmo auch die Musik beigesteuert hat. Und Christian Strasser spielt den Biberhahn als Pendant zu seinem Prolo-Chefkollegen mit Döblinger Zungenschlag. Klar, dass am Schluss die Häuptlingstochter die Macht übernimmt, obwohl sie keine Vorstellung davon hat, was sie politisch durchsetzen will. Das bringt Jubel aus der feministischen Ecke, stimmt für die Zukunft der Insel aber nicht hoffnungsfroh, denn im ersten Teil wurde Atala als nicht gerade helle Influencerin gezeichnet. Yasmo sitzt als Autorin und Beobachterin die ganze Zeit am Rand der Bühne und kommentiert das Geschehen, zweimal auch mit Raps.
Das Publikum im Rabenhof applautierte schon während der Vorstellung bei allen Songs heftig, die Kombi Musik und Theaterkomödie ist immer für einen Triumpf gut.
Karten und Infos: rabenhof.at