Ödön von Horváths „Die Unbekannte aus der Seine“ im Volkstheater

Ödön von Horváths „Die Unbekannte aus der Seine“ im Volkstheater

Die deutsche Regisseurin Anna Bergmann setzt Horváths eher selten gespieltes Stück in einen Rahmen aus Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Am Beginn treibt die schöne Unbekannte – die es um 1900 in Paris tatsächlich gegeben hat und deren Totenmaske mit dem lächelnden Gesicht zum skurrilen Modeartikel wurde – schon im Wasser. Wir sehen auf der über die gesamte Bühne gespannten Leinwand einen Film (Video: Sophie Lux) mit allerlei Wasserfundstücken und einer sprechenden Toten. Dann sind wir aber bereits in einer dystopischen Zukunft mit Roboterpolizisten, die schon einmal Menschen foltern. Dazu singt ein schwarz gekleideter Kinderchor düstere Lieder. An Einfällen ist Bergmann nie verlegen, auch in den darauffolgenden Szenen, die in den 30ern spielen, gibt es etliche Brüche. Heiratende Schwule oder sich am Boden verrenkende Liebhaber und Sona MacDonald darf als Uhrmacherin und Raubmordopfer sogar Arien singen.

Völlig anders ist auch die Unbekannte charakterisiert. Sie ist keine naiv den Falschen – Raubmörder und Strizzi Albert (Lucas Gregorowicz) – Liebende, sondern eine selbstbewusste Frau, die sich ohne Kompromisse für einen Mann entschließt. Birgit Unterweger spielt sie selbstsicher und souverän. Am Ende wird sie von Albert zwar – in Abänderung von Horváths Text – ertränkt, aber in der Zukunft steht sie dann mit Revolver vor dem längst angepassten Vater und Ehemann Albert ehe das Licht ausgeht. Erschießt sie ihn? Gut möglich, denn wir hören einen Knall.

Langeweile lässt Anna Bergmann an dem zweistündigen Abend jedenfalls mit Sicherheit nicht aufkommen – bisweilen wird man von ihren Einfällen geradezu erschlagen. Der Femizid findet etwa im Wohnzimmer Alberts statt, das allerdings – durch permanenten Wolkenbruch angefüllt – unter Wasser steht. Dafür hat man einfach das Gründerzeithaus, vor dem die übrigen Szenen spielen, angehoben.

Man muss nicht alles mögen – und auch nicht alles verstehen –, aber Bergmann schafft es mit dieser Inszenierung zu zeigen, dass das Theater heute noch viele Möglichkeiten hat, etwas zu sagen.

Infos & Karten: volkstheater.at