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Schöner Wohnen in der „Smart City“ – Daniel Wisers nachdenklich machender neuer Roman

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Superreiche Tech-Konzerne an der Westküste der USA sollen ja schon seit Jahren darüber nachdenken, wie sie von Staaten unabhängige Insel oder Städte gründen können, um sich Steuern und Arbeitnehmerrechte zu sparen. Der in Wien lebende Schriftsteller Daniel Wisser hat seinen Roman „Smart City“ in der Zukunft angesiedelt, in der Datumsangabe heißt es immer 20**. Allerdings muss diese Zukunft sehr, sehr nahe sein, denn vieles, was es in der Smart-City NEUDA gibt, kennen wir bereits. NEUDA liegt an der Donau, nicht weit von Wien entfernt, und präsentiert sich als saubere Musterstadt. Innerhalb der Stadtmauern gibt es keine fossilen Antriebe, Taxis sind gratis, werden aber eh nicht wirklich gebraucht, denn die etwa 30.000 Einwohner arbeiten und wohnen fußläufig. Eine eigene Securityfirma sorgt für Sicherheit – in NEUDA soll es 0 Verbrechen geben, ebensowenig wie Müll und Arbeitskräfte von „außen“. In der Realität entsorgen allerdings die illegalen Putzfrauen aus den ärmeren Nachbarländern den Müll.

Im Roman erleben wir, wie sich die Journalistin Morag Olifant hier ansiedelt, um die Ermordung ihres Mannes, eines Investigativjournalisten, und ihrer Tochter zu verarbeiten. Sie selbst wurde bei dem Überfall schwer verletzt. Morag arbeitet für die wunderbarerweise sogar noch auch in Print erscheinende Zeitung der Stadt. Dass überall Kameras hängen – auch in der eigenen Wohnung – ist ihr anfangs noch egal, sie schreibt zunächst eine muntere Kolumne. Nach und nach entwickelt sich aus der Story allerdings etwas Krimihaftes, denn Morag erkennt die Verflechtungen der Politik mit der Securityfirma und den Medien. Schließlich gründet sie sogar eine eigene Partei und entdeckt, dass eben jene Firma auch ihre Familie auf dem Gewissen hat.

Daniel Wissers „Smart City“ ist weniger eine Dystopie und trotz der nicht geringen Spannungselemente auch kein echter Krimi. Der Roman ist in Wirklichkeit eine Abrechnung mit rechten Populisten, die Sicherheit versprechen, aber einzig mehr Macht und vor allem Kontrolle wollen. Die Chefs der verbrecherischen Security-Organisation sind eng mit dem regierenden Kanzler verknüpft. Demokratische Strukturen können nur allzu leicht ausgehebelt werden, denn sie dienen nur zur Verhübschung der Macht.

„Smart City“ erinnert ein bisschen an Juli Zehs Roman über eine Diktatur unter der Flagge der Gesundheit „Corpus Delicti“. Der Plot kann auf jeden Fall Leser in den Bann ziehen und er macht nachhaltig nachdenklich.

Daniel Wisser: Smart City. Luchterhand Verlag, 414 Seiten, € 26,95

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