Matthias Jakisic ist ein Musiker, der auch für Theater & Film komponiert. Ein Studiobesuch.

Studiobesuch bei Matthias Jakisic

Matthias Jakisic ist ein Musiker, der auch für Theater & Film komponiert. Ein Studiobesuch.
Foto: ©Stefan Diesner

Hier im Schlossquadrat am Margaretenplatz würde man nicht vermuten, dass jemand in Ruhe komponieren kann. Aber Matthias Jakisic arbeitet natürlich tagsüber und ein Teil seines Studios ist schallisoliert. 1977 als Sohn von Eltern, die beide an der Oper sangen, geboren, erhielt er schon mit 6 Violinunterricht, studierte auch Musik, aber eine Karriere als Orchestermusiker kam für ihn nie in Frage – Jakisic: „Ich wollte nicht nachspielen, was es seit hunderten Jahren gibt, sondern von Anfang an kreativ sein.“ Neben Geige lernte er auch Schlagzeug, aber mit 16 entdeckte er die Möglichkeiten, die Computersoftware für Musiker bieten. Und schnell spielte er in eigenen und fremden Bands – tourte mit österreichischen Freunden als „Ballycotton“ und performte irische Musik so authentisch, dass sie als Support der „Dubliners“ engagiert wurden. „Wir waren wirklich gut und vor allem trinkfest“, erinnert sich Jakisic. Ein paar Jahre arbeitete er dann auch als Studiomusiker in England, um – zurückgekehrt in Wien  – „Bauchklang“, eine A-capella-Band, zu produzieren und die Musik mitzuschreiben. Im „Dschungel“ schnupperte er als Komponist erstmals Theaterluft und wurde über die „Junge Burg“ auch ans Burgtheater engagiert. Für die größte Wiener Sprechbühne verfasste er die Musik zu Erfolgsproduktionen wie „Hotel Europa oder der Antichrist“, „Engel des Vergessens“ oder „Die letzten Tage der Menschheit“. Daneben gab es Aufträge für die Josefstadt, die Salzburger Festspiele, das Schauspielhaus sowie diverse Landesbühnen.

Vor kurzem arbeitete Jakisic mit Archim Freyer an Raimunds „Die gefesselte Fantasie“ in Gutenstein, (wird noch bis 8. August gespielt). Wobei die Zusammenarbeit mit der Regielegende denkbar einfach war, denn Freyer befand, dass die Grundlage für seine Theatermusik Jakisic’ neues Streichquartett-Album „Fragmente“ bilden soll.

Musik für Theater und Film

Was hat ihn überhaupt an der Arbeit fürs Theater gereizt? Jakisic: „Mir hat es getaugt, weil ich dabei zu Bildern komponieren kann. Musik ist da ja – wie auch beim Film – eine zweite Ebene, auf der man das Geschehen beeinflussen und etwa die Stimmung verändern kann. Das finde ich noch immer wahnsinnig spannend.“

Über seinen Kollegen Paul Haslinger, der schon lange in L.A. lebt, kam Jakisic auch zum Film. Er steuerte etwa Teile in dessen Score zur Netflix-Serie „Die Bande aus der Baker Street“ (Originaltitel „The Irregulars“) bei. Zurzeit arbeitet Jakisic an einem Megaprojekt. Gemeinsam mit einem Kollegen aus Israel schreibt er die Musik zur deutschen Serie „Two Sides of the Abyss“, die über HBO und Warner bzw. RTL international in 62 Ländern vermarktet wird – die Autorin ist Kristin Derfler. Damit ist der Musiker fast ein Jahr lang beschäftigt. „Am Anfang heißt das immer liefern, liefern, liefern, denn die Regie will für jede Stimmung etwas zur Hand haben. Vom Material bleibt dann aber nur ein Bruchteil übrig. “ Auch bei der Filmmusik gibt es Trends und Moden. Jakisic: „Es geht mehr in Richtung Kammermusik – der Hans-Zimmer-Sound ist definitiv weg. Es geht mehr um das nicht Perfekte, sogar Verstimmte – das hört man etwa bei Serien wie ,Breaking Bad‘ oder ,Ozark‘ – und das kommt mir sehr gelegen.“

Komponieren heute

Während man früher meist mit Klavier seine Komposition vorantrieb und dabei die Noten notierte, arbeitet man heute mit Computer und Software – die Noten schreibt der Rechner nebenbei. „Deshalb heißt mein Album mit Streichquartette auch ,Fragmente‘, denn ich bin dabei praktisch von Takt zu Takt vorgegangen. Ich habe einen Takt, schreibe die vier Stimmen und überlege mir für jedes der vier Instrumente, wo ich im zweiten Takt hinwill. Das Album hat sich sozusagen entwickelt – es gab keine große Anfangsidee. Man nennt das fragmentarisches Komponieren.“

Das jetzt erschienene Album klingt dann auch wie serielle Musik. Und ein Streichquartett im 21. Jahrhundert zu schreiben ist natürlich ein Wagnis, denn so etwas bedient nur eine sehr kleine Nische – die erste Live-Aufführung wird erst nächstes Jahr im Konzerthaus beim Festival „Gemischter Satz“ stattfinden.

Kinder als Publikum

Für Kinder zu komponieren ist dann wieder etwas ganz Eigenes, erzählt der Musiker: „Die haben keine Schubladen, und man kann die Reaktion nie vorhersehen. Der größte Erfolg im ,Dschungel‘ war Stephan Rabls Tanzperformance ,Überraschung‘, die für Kinder ab 2 Jahren geeignet war und nicht wirklich leichte Kost darstellte. Wir sind damit bis nach Sydney getourt. Und in allen Ländern war der Response ganz unterschiedlich – es gab da etwa vor Begeisterung tobende Kinder in Taiwan. Ein wirklich tolles Erlebnis!“


Matthias Jakisic ist ein Musiker, der auch für Theater & Film komponiert. Ein Studiobesuch.

Matthias Jakisic: Fragmente
Musik für ein Streichquartett im 21. Jahrhundert
Es spielen Lena Fankhauser, Emily Stewart, Nikolai Tunkowitsch und Asja
Erschienen auf col legno.