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Am 15. Februar wird die deutsche Autorin und Buchmoderatorin Elke Heidenreich 80 Jahre alt. Wir gratulieren unserem Gast bei „EineStadt.EinBuch. 2022“ mit einer „Hommage“ an Heidenreich des in Wien lebenden Schriftstellers Radek Knapp.

Elke Heidenreich – Hommage zum Geburtstag

Bild: ©Stefan Burghart

Am 15. Februar wird die deutsche Autorin und Buchmoderatorin Elke Heidenreich 80 Jahre alt. Wir gratulieren unserem Gast bei „EineStadt.EinBuch. 2022“ mit einer „Hommage“ an Heidenreich des in Wien lebenden Schriftstellers Radek Knapp.

Eine Frau wie Elke lernst du nicht in einer Bar oder Disco kennen. Zuerst siehst du sie im Fernsehen, wie sie ein Buch in die Kamera hält und fragst dich: Wie kann so eine coole und fetzige Frau Ihre Zeit mit Literatur verschwenden? Diese Frage wurmt dich eine Weile, bis du dir die übliche Erklärung zulegst: Muss wohl mit der Kindheit und Pubertät zusammenhängen, die ja sowieso an allem schuld sind. Jahre vergehen, du siehst fern und liest wie blöd, bis das Wunder passiert. Elke steht eines Tages leibhaftig vor dir, betrachtet dich von oben bis unten und sagt: „So siehst du also aus“.
Sie nimmt dich an der Hand wie ein Kind, das sie selbst einmal war, und führt dich durch die dunklen, tiefen Gänge der Kölner Philharmonie, bis man in einer Garderobe landet. Dort sitzen zwei Männer. Einer jünger, der andere älter.
„Schau mal“, sagt Elke:  „Der Alte ist mein Mann, der Junge mein Freund.“

Die beiden Männer grinsen und reichen dir die Hand. „Brauchen Sie nicht noch einen dritten?“, fragst du und diesmal lachen nicht nur die Männer, sondern auch Elke. 

Das nächste Mal bist du mit Elke in der Albertina in Wien. Elke bekommt dort eine Extraführung nach Sperrstunde. Der Direktor, Eigentümer einer zwei Meter Körpergröße,  erklärt  exaltiert die Meisterwerke an der Wand, als hätte er sie selber in seiner spärlichen Freizeit gemalt. Er ist sichtlich angetan von seinem Gast, obwohl dieser Zwischenfragen stellt, die seinen Redefluss ordentlich sabotieren. Vor einem Rembrandtgemälde wird er nicht nach der Zusammensetzung der Farbe gefragt, sondern mit einem „Wieviel Geld hatte den Rembrandt, als er die Hufen von sich streckte?“ auf den Boden der Tatsachen geholt. Bei der Renaissanceabteilung legt der Ehrengast noch eins nach: „Dass Michelangelo schwul war ist ein alter Hut, aber war er jetzt Linkshänder, oder nicht?“.

Jedes Mal packt der Direktor packt sein bestes Lächeln aus, denn die Kunstuni hat ihn auf diese Fragen nicht vorbereitet. Sein Gesichtsausdruck bröckelt aber langsam  und  du denkst dir.  „Hätte  ich  bloß jetzt einen Fotoapparat dabei, hätte  ich jetzt einen Picasso darauf.“

Und dann wirst du zu einem Literaturfeste auf Sylt eingeladen. Alles nobel, das Hotel und die Gäste noch nobler als die Einrichtung. Elke kämpft mit einem Gourmetgericht, das klein wie ein Briefmarke ist und in ihrem Gesicht steht in Großbuchstaben: „Warum liefern die nicht zum  Besteck gleich ein Mikroskop mit?“   

Entnervt schiebt  sie den Teller von sich und verlässt den Tisch. Du suchst sie, weil du ihr sagen willst, dass du zufällig am Buffet ein Mikroskop gefunden hast, aber sie ist unauffindbar. Schließlich findest du sie. Und zwar in der Hotelbibliothek, gleich neben dem Fitnessraum. Elke brütet gerade über den Bücherregalen und schüttelt den Kopf:  

 „Hab das ganze hier mit Ach und Krach eingerichtet, damit die Millionäre zumindest ein Buch aus der Nähe zu Gesicht bekommen. Und sieh dir das an: Die Hälfte ist geklaut“   

„Immerhin klauen sie keine Autos mehr“, probierst du eine plumpe Anspielung auf die polnischen Autodiebe, die einst dein Heimatland über die Grenzen berühmt gemacht haben. Elke lacht und öffnet einen Karton mit frischen Büchern. Bald hat sie nur noch Augen für eines: Die leeren Bücherlücken auszufüllen. Du gehst ein paar Schritte zurück wie ein Maler, um alles besser zu sehen und denkst dir.
„Hier würde sogar Sisyphus davonlaufen. Warum tut sie sich das an?“
Aber Elke ist schon weg. Sie würde dich nicht mal hören, wenn du schreien würdest. Du siehst ihr zu und dir wird klar, was dir eigentlich schon am Anfang hätte klar werden sollen:
„Solange Elke die Bücherlücken füllt, kann man es hier noch aushalten. Und kommt mal das Weltende, dann erwischt es uns eben zwischen den Bücherregalen. Gibt Schlimmeres, wenn du mich fragst.“


Radek Knapp

(Geboren 1964 in Warschau folgte 1976 seiner Großmutter nach Wien. Studium der Philosophie, 1999 erschien sein Erfolgsroman „Herrn Kukas Empfehlungen“, der auch verfilmt wurde.)