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Ein Kommentar

Spitze Feder


Am 11. Oktober wird in Wien gewählt – der Wahlkampf is allseits voll im Gange. Für die ÖVP tritt Finanzminister Gernot Blümel an. Als potenzieller Bürgermeister will er laut einer Plakatkampagne „Wien nach vorne bringen“. Dieser Spruch stößt einigen Wienern sauer auf – unter anderem dem Schriftsteller Robert Menasse.
Foto: Bubu Dujmic


„Wien nach vorne bringen“ – dieser Spruch ziert derzeit ÖVP-Wahlplakate in der Bundeshauptstadt. In sozialen Medien ärgern sich Wiener über den Slogan – und kontern zum Teil mit Kritik. So auch der Schriftsteller Robert Menasse, der seinem Unmut in einer Antwort auf ein öffentliches Facebook-Posting von Gernot Blümel Luft verschaffte. Hier der Kommentar:

„Lieber Gernot Blümel, was meinen Sie mit „Wien wieder nach vorne zu bringen“? Was ist „vorne“? Wo ist dieses „vorne“? Wieso „wieder“? Das bezieht sich offenbar auf die Geschichte der Stadt – wann war Ihrer Meinung nach Wien „vorne“, und daran müsse man nun „wieder“ anschließen? Meinen Sie Zeit VOR dem roten Wien, als die Stadt einen antisemitischen Bürgermeister hatte, von dem Hitler lernte? Können Sie sich bitte konkret ausdrücken?

Ich möchte Sie an Folgendes erinnern: So gut wie alles, was Wien heute so lebenswert macht und international bewundert und von den Wienern geliebt wird, hätte es mit Christdemokratischer bzw ÖVP-Regierung nicht gegeben: Gemeindebauten, sozialer Wohnbau (und dadurch immer noch einigermaßen leistbares Wohnen), denn Christdemokraten haben nie gezeigt, dass sie in Wien bauen können oder wollen, sie haben nur gezeigt, dass sie in Gemeindebauten hineinschießen, weiters: es gäbe keine Fußgängerzonen (ich erinnere mich, wie die ÖVP schon gegen die erste Fußgängerzone, am Graben, mobilisiert hat), es gäbe keine U-Bahn (ich erinnere mich, wie die ÖVP gestänkert hat, dass mit der U1 jetzt Proleten in 10 Minuten in die City kommen können…), es gäbe keine Donauinsel (ich erinnere mich, wie die ÖVP dagegen mobilisiert hat, zum Glück hilflos!), es gäbe keine UNO-City und kein Konferenz-Zentrum (die ÖVP hat ein Volksbegehren gegen Wien als Internationale Metropole gestartet), und es gäbe keine Stadterneuerung (die ÖVP wollte, dass Hauseigentümer abreißen und demolieren können, wenn es Spekulantenprofit verspricht), und und und und – und Sie, Herr Blümel, wagen es, Wien schlecht zu machen und glauben im Ernst, dafür gewählt zu werden?

Sie, als Vertreter einer Partei, die, zum Glück erfolglos, die Entwicklung Wiens zu einer lebenswerten und bunten Metropole bekämpft hat, wollen Wien in ein „vorne“ bringen, das Sie selbst nicht genauer definieren können, das aber nach allen Erfahrungen mit Ihrer Partei näher beim Mittelalter ist als bei den Bedürfnissen der Zeitgenossen. Als Finanzminister wurden Sie auffällig als einer, der sechs Nullen vergisst. Dann waren Sie nicht imstande, ein EU-Formular korrekt auszufüllen. Ich empfehle Ihnen zu schweigen.“