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In Therapie

In Therapie


In Therapie – Die 2. Staffel der Erfolgsserie gibt es jetzt in der Arte Mediathek zu sehen.
Foto: Manuel Moutier


Was braucht es, um ein erfolgreiches Fernsehserienformat zu entwickeln? – Viel Geld für Spezialeffekte? Eine reißerische Handlung? Tolle Schauplätze? Hollywoodstars? Mitnichten! Eine der besten und erfolgreichsten Serien der letzten Jahre kommt ohne all das aus und funktioniert wie ein Kammerspiel. In jeder Folge kommt ein Patient/eine Patientin wöchentlich zu einem Psychologen und erzählt darauf los. Der Schauplatz ist die Wohnung des Psychiaters, es gibt kaum Szenen außerhalb, jede Folge dauert etwa 20 Minuten. Geht es noch simpler?

Erfunden hat dieses Format 2004 das israelische Fernsehen, aber seither hat es schon viele Adaptionen in den verschiedensten Ländern gegeben – in Rumänien, den Niederlanden, Serbien, Tschechien, Polen und Ungarn. Auf Arte zu sehen war die famose amerikanische Version „In Treatment“. Besonders erfolgreich wurde aber die französische Adaption, die das Potential des Settings besonders eindrucksvoll zeigt. 

Éric Toledano und Olivier Nakache ließen die erste Staffel gleich nach den schrecklichen Bataclan-Anschlagen spielen, Paris musste sich vom Schock erholen, wenngleich die Ursachen für die Probleme der Patienten natürlich tiefer lagen. In der zweiten Staffel sind wir im Coronajahr 2020 nach dem ersten Lockdown und wieder ist die nationale Krise nur das Brennglas für schwere Kommunikationsprobleme. Philippe Dayan spielt in beiden Staffeln den Psychiater, auch er leidet Seelenqualen – in der ersten Staffel geht seine Ehe kaputt, in der zweiten stirbt sein Vater. 

Die erste Staffel „In Therapie“ ist bis heute die erfolgreichste Arte-Serie – sie wurde 54 Millionen Mal angeklickt und lockte pro Folge durchschnittlich 1,6 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Alles ganz simpel? Natürlich nicht – man braucht für die 35 Folgen der 2. Staffel wieder blendende Schauspielerinnen und Schauspieler und intelligente Drehbuchschreiber, die sicher auch psychologische Berater zur Seite haben müssen. Einer der es wissen muss – Irvin Yalom, der bekannteste Psychiater der Welt – erzählte mir, dass die Sitzungen durchaus viel Ähnlichkeit mit der Praxis haben. In einer Folge der amerikanischen Version wird Yalom sogar zitiert. Und Regie-Größen wie Agnès Jaoui ( 2001 mit vier Césars ausgezeichnet), Arnaud Desplechin („Trois souvenirs de ma jeunesse“) oder Emmanuel Finkiel („La douleur“, 2017) werkten bei „In Therapie“ mit. Charlotte Gainsbourg als Philippe Dayans neue Supervisorin ist natürlich auch ein Atout.

Und jetzt kann man darüber nachdenken, warum im Land, in dem die Psychoanalyse bekanntlich erfunden wurde, sich niemand an eine Adaption dieses Formats herantraut.

Alle Folgen der Serie „In Therapie“ sind auf arte.de abrufbar.

The Eddy

Eine Serie für Nicht-Fans


Close-Ups, Nachtszenen und lange Einstellungen von unschönen Umgebungen – „The Eddy“ ist eine neue Netflix-Serie, die sich auch für Menschen empfiehlt, die im Grunde keine Serien-Fans sind.
Text: Helmut Schneider / Fotos: Lou Faulon/Netflix


Diese neue Netflix-Serie empfiehlt sich auch für Menschen, die keine Serienfans sind. Denn „The Eddy“ – so heißt auch der Jazzclub, der im Zentrum der Handlung steht – ist eher ein langer Independent-Film denn eine typische TV-Show. Auch der Stil und das Film-Design ist ganz anders. Viele Close-Ups, viele Nachtszenen, lange Einstellungen auf die nicht gerade schöne Umgebung des Clubs und vor allem: Viel interessante Musik abseits des Mainstreams.  Im Zentrum steht besagter Jazzclub in Paris, nicht im Zentrum, sondern an der Peripherie, der nach dem Mord an einem seiner Eigentümer ums Überleben kämpft. Hauptperson ist der international gefragte Musiker Elliot (André Holland), der plötzlich nicht nur für die Musik des Clubs, sondern auch für dessen Betrieb verantwortlich ist. Und dann kommt da auch noch seine schwer handle-bare, pubertierende Tochter (hinreißend: Amandla Stenberg) aus New York zu ihm und seine Sängerin Maja (Joanna Kulig) droht, einen lukrativen Job im Popbusiness anzunehmen.

Das Drehbuch von Jack Thorne (unter anderem „Shameless“, „Skins“) ist nicht der Grund, sich das anzusehen – der Mord und die Bedrohung durch das organisierte Verbrechen sind nicht gerade originell und der Schluss ein wenig unbefriedigend. Aber: Damien Chazelle (La La Land) ist mit „The Eddy“ eine atmosphärisch dichte Arbeit gelungen, die lange nachwirkt. Wir sehen ein komplett anderes Paris – eine multikulturelle Metropole mit all ihren Problemen – von Drogensucht über Mafia bis zu den prekären Verhältnissen im Kulturbetrieb. Und nicht zuletzt sind die Schauspielerleistungen hervorragend. Die Jazzclubband besteht etwa aus Schauspielern, die musizieren können, und aus Musikern, die schauspielern können. Und die Musik ist so spannend, dass man sich auch den Nachspann anschaut, weil man keine Note versäumen möchte. Noch ein Tipp: Unbedingt die Originalversion (mit Untertiteln) schauen, denn nur so wird verstanden, dass die Protagonisten immer wieder in verschiedenen Sprachen – Englisch, Französisch und Arabisch – wechseln.


„The Eddy“: Eine Netflix-Serie mit grandioser Musik und gelungener Atmosphäre.