Im Schlachthaus der Geschichte – „Animal Farm“ von Alexander Raskatov in der Staatsoper
Szenenfoto. – ©Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Schullektüre, verstaubt – ein Relikt aus dem Kalten Krieg: Die Romanparabel „Animal Farm“ – immerhin bereits vor dem Ende des 2. Weltkrieges vom enttäuschten Kommunisten George Orwell geschrieben – galt längst als veraltet und uninteressant. Seitdem sich Russland wieder in Richtung der Stalin-Sowjetunion entwickelt, wirkt diese Geschichte einer Revolution, die sich in Windeseile in ein totalitäres System verwandelt, aber wieder hochaktuell. Der schon lange in Frankreich lebende russische Komponist Alexander Raskatov, der übrigens just an dem Tag zur Welt kam, als Stalin begraben wurde, bekam aber den Auftrag zur Vertonung von „Animal Farm“ längst vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Und – wie die Aufführung in der Wiener Staatsoper zeigt – ist seine Oper kein Russen-Bashing, sondern eine höchst zeitgemäße Allegorie auf den Verrat humanistischer Ideen im Politalltag.
In nur knapp zweieinhalb Stunden (mit Pause) sehen wir in der Staatsoper die Metamorphose einer Demokratie in eine Diktatur am Beispiel eines Bauernhofes, in dem die Tiere die Herrschaft an sich gerissen haben. In der Inszenierung von Damiano Michieletto spielt „Animal Farm“ gleich in einem Schlachthaus – eine Farm ist schließlich kein Ponyhof, wir sind sozusagen im Schlachthaus der Geschichte gefangen. Und schließlich wird das unermüdlich arbeitende Pferd Boxer (Stefan Astakhov) dann auch tatsächlich geschlachtet und wiederverwertet.
Anfangs tragen noch alle Darsteller Tiermasken, nach und nach werden sie dann sozusagen zu Menschen – verrohen also nachhaltig. Raskatov hat geschickt Tierlaute in die Partitur eingebaut, ohne das Ganze dadurch zu verniedlichen. Überhaupt ist seine Musik ebenso unterhaltsam wie abwechslungsreich, ein Klangteppich, an dem man sich – trotz großer Dramatik – auch erfreuen kann. Und es gibt gute Rollen, denn nicht nur die schweinischen Widersacher Napoleon (Bassbariton Wolfgang Bankl als „Stalin“) und Snowball (Michael Gniffke als „Trotzki“) haben ihre großen Auftritte. Dem Raben Blacky (Elena Vassilieva) haben die Librettisten – neben dem Komponisten auch Ian Burton eine wesentliche Rolle als grausamen Beobachter und Einsager zugestanden. Andrei Popov singt den Geheimdienstchef („Beria“), der ihm nicht willige Tiere kurzerhand über die Klinge springen lässt.
Der britische Dirigent Alexander Soddy bringt die Farbigkeit der Musik mit dem exzellenten Orchester der Staatsoper optimal zur Geltung. Man kann in dieser Inszenierung sowohl im Text als auch in der Musik vieles entdecken. Verdienter Jubel vom Publikum bei der Premiere.
Weitere Aufführungen am 2., 5., 7. und 10. März