Interview mit Gottfried Kumpf

„Das Leben hat mir alles gegeben“


(Un-)Ruhestand. Wer kennt ihn nicht, den immer lächelnden Herrn mit dem markanten Schnurrbart? Kaum zu glauben, dass der international renommierte Maler, Graphiker und Bildhauer Professor Gottfried Kumpf vor kurzem bereits seinen 90. Geburtstag gefeiert hat.
Text: Ursula Scheidl / Fotos: Koch, Privat


Zuletzt hat ihn seine Heimatgemeinde Annaberg-Lungötz zum Ehrenbürger ernannt. Dort wurde der vielseitige Künstler als Sohn eines Landarztes geboren. Es lag also auf der Hand, dass er einige Jahre Medizin studierte. Doch gezeichnet und gemalt hat er immer, und für einen Anatomie-Atlas gestaltete er Aquarelle von Präparaten. Während der Ferien verdiente er sich als Gitarrist bei einer Jazzband das Geld für Farben und Leinwand. Seit 1956 arbeitet er als freischaffender Maler und Bildhauer. Mit seiner Kunst fand er unter dem Pseudonym „Kumpf“ weit über die Grenzen Österreichs höchste Anerkennung. Heute gilt er als typisch burgenländischer Maler, den die pannonische Weite mit ihren Schönheiten prägt, denn bereits seit 1968 lebt er dort, seit 1984 mit seiner Frau Guni. Befragt nach künstlerischen Vorbildern, nennt er „die Natur mit all ihren Formen – und die alten Meister“. 2005 erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Dabei ist er stets bescheiden geblieben. Und er bedauert es sehr, dass dieses Interview aufgrund der Coronapandemie nur per Mail und telefonisch stattfinden kann.

wienlive: Ihr Markenzeichen ist „Der Asoziale“, wie ist die Idee dazu entstanden?
GOTTFRIED KUMPF: „Der Asoziale“ hat sich auf manchen meiner Bilder ergeben und wurde von Schriftstellern und Sammlern dann plötzlich ,der Asoziale‘ genannt – einer, der neben der Gesellschaft lebt.

Stört es Sie, wenn manche Ihre Arbeiten als zu naiv bezeichnen?
KUMPF: Manche meiner Arbeiten schauen vielleicht naiv aus, sind es aber nicht, weil ich mit hohem Bewusstsein male oder die Skulpturen forme. Es stört mich nicht, wenn manche Leute meine Werke als naiv bezeichnen, die wissen es nicht besser. Außerdem ist die echte naive Malerei eine phantastische anerkannte Kunstrichtung.

1989 entwarfen Sie Stahlskulpturen für den Wiener „Adventzauber“. Wie kamen Sie von der Malerei zur Skulptur?
KUMPF: Meine erste Bronzeskulptur – „Der Asoziale“ – entstand schon 1974, und in den folgenden Jahren habe ich immer mehr kleine und große Bronzeskulpturen gemacht.

Die erste von vielen großen Bronzeskulpturen im Wiener Tiergarten Schönbrunn war 1990 ein Nilpferd, der Bronze-Elefant, der in Coronazeiten aktueller denn je wirkt, steht seit 2004 vor dem Naturhistorischen Museum Wien. Warum gerade dieses Material – Bronze?
KUMPF: Bronze wurde schon viele Jahrhunderte für Skulpturen verwendet. Es hat eine lange Tradition in der Geschichte der Kunst und ist als Material einzigartig für einen Künstler. Die Großskulpturen in Bronze für den Tiergarten Schönbrunn, dort stehen mittlerweile 15 Großskulpturen von mir, habe ich auf Initiative meines Freundes Helmut Pechlaner, damals Direktor des Tiergartens Schönbrunn, gemacht und daraus ist ein ganzer Skulpturengarten entstanden. Bernd Lötsch, damals Direktor des Naturhistorischen Museums, wollte einen Bronze-Elefanten von mir vor dem Museum stehen haben – und daraus ist eine Dauereinrichtung geworden. Nun verwechselt niemand mehr das „Naturhistorische mit dem Kunsthistorischen Museum“. Und jetzt ist er tatsächlich als „Babyelefant“ aktueller denn je geworden. Er ist ja etwas mehr als 2 Meter lang.

In den 1990er-Jahren haben Sie die Therme Stegersbach gestaltet und das Bühnenbild von „Der Zigeunerbaron“ für die Seefestspiele Mörbisch entworfen. Was hat Sie daran begeistert?
KUMPF: Die Bauten haben sich naturgemäß ergeben, ich wurde einfach gefragt. Und wenn so eine große Bühne mit 3.600 Quadratmetern wie in Mörbisch vorhanden ist, dann ist das eine sehr schöne Aufgabe für einen Künstler, dort ein Bühnenbild zu entwerfen. Außerdem war dieses Thema für mich wie geschaffen (lacht).

1970 versuchten Sie sich auch als Schauspieler in dem Film „Das falsche Gewicht“. Warum blieb es bei diesem einen Ausflug?
KUMPF: Auch da wurde ich sozusagen „entdeckt“, weil mich der Drehbuchautor des Filmes, Fritz Hochwälder, bei einer Ausstellung gesehen hat. Aufgrund meines Aussehens hat Hochwälder sofort erkannt, dass ich der „Sameschkin“ bin. Eine Figur dieses Filmes und Gegenspieler von Helmut Qualtinger. So wurde ich eingeladen, diese Rolle zu spielen.

Wie hat es Sie ins Burgenland verschlagen?
KUMPF: Es war hauptsächlich die Landschaft, die mich fasziniert hat, und dann hat es sich ergeben, dass ich einen alten Streckhof gefunden habe, den ich gemeinsam mit meiner 1982 verstorbenen Frau, der akademischen Malerin Prof. Maria Plachky, restaurieren konnte.

Was fasziniert Sie am Burgenland, an der Landschaft? Ihr Gemälde „Löffler über der Langen Lacke“ wurde eine Ihrer bekanntesten Arbeiten …
KUMPF: Natürlich ist diese besondere Landschaft im nördlichen Burgenland in Österreich einzigartig. Das Ölbild „Löffler über der Langen Lacke“ habe ich für die Errettung des „Naturschutzgebietes Lange Lacke“ gemalt. Gemeinsam mit dem ORF und WWF haben wir diese Aktion gestartet und daraus wurde der heutige „Nationalpark Neusiedler See / Seewinkel“.

Sie sind als Künstler ungeheuer vielfältig. Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
KUMPF: Die große Freiheit und Vielfältigkeit, die man in diesem Beruf hat.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf?
KUMPF: Dass ich immer und überall arbeiten kann, ganz, wie es mir gefällt.

Wer oder was ist Ihre größte Inspiration?
KUMPF: Die Natur, die man nie übertreffen kann.

Gibt es in Ihrem Leben etwas, das Sie gerne gemacht hätten, es aber nie dazu kam?
KUMPF: Nein!

Wie erleben Sie die Corona-Pandemie?
KUMPF: Für mich persönlich hat sich nicht viel geändert, weil ich ja immer zu Hause im Atelier arbeite – außer bei den Bronzeskulpturen, die ich in Italien gieße, und jetzt kann ich nicht nach Bologna fahren. Derzeit arbeite ich gerade an Ölbildern für die nächste Ausstellung. Aber allgemein spürt man die große Depression auf jedem Gebiet. Mir tut das alles sehr leid.

Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
KUMPF: Wenn ich nach dem Frühstück sofort arbeiten – malen oder bildhauern – kann.

Was ist Ihr liebster Ort auf der ganzen Welt?
KUMPF: Mein Atelier.

Welches Motto passt zu Ihrem Leben?
KUMPF: Leben und leben lassen.

Welchen Wunsch möchten Sie sich noch erfüllen?
KUMPF: Natürlich – so wie vermutlich jeder – dass Corona bald vorbei ist. Und dass es danach so weitergeht wie vorher in meinem Leben.