Die Gastro-Szene im Wandel zur Zwei-Klassen-Gesellschaft mit Billiglokalen und gehobenen Restaurants. Ein Interview mit WKW-Gastro-Obman Peter Dobcak.

Aus für den Wirt am Eck? Interview mit Peter Dobcak

Bild: ©Bubu Dujmic

Die Gastro-Szene im Wandel zur Zwei-Klassen-Gesellschaft mit Billiglokalen und gehobenen Restaurants. Ein Interview mit WKW-Gastro-Obman Peter Dobcak.

Seit acht Jahren kämpft der Fachgruppenobmann der Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien, Peter Dobcak, jetzt schon für „seine“ Wirte. Auch mit viel Erfolg und Einsatz in der Corona-Zeit – die Förderungen der Regierung für die Gastro-Szene waren hoch. Der Sohn einer Hoteliersfamilie in Salzburg hat das Gastro-Geschäft von der Pike auf gelernt und nach einem Abstecher auf den Immobiliensektor in den USA auch in Wien Lokale betrieben. Der Job als Wirt geht sich mit dem Einsatz in der WKO, wo er 6.000 Mitglieder vertreten muss, natürlich nicht mehr aus. 

Zumal die Gastro-Szene gerade einen Umbruch erlebt. Nach Corona kam die Inflation. Die Energiekosten haben sich vervielfacht und auch die Preise für die Wareneinkäufe zogen stark an. Dazu kommen Mietpreiserhöhungen. Die Wiener Wirte müssen seither seiltanzen zwischen Mehrkosten-Abdeckung und Preisen für die Gäste, die sich diese gerade noch leisten können. Dazu kommen die Probleme bei der Rekrutierung von Personal.

wienlive: Warum ist es so schwierig, Köche und Kellner zu finden?

PETER DOBCAK: Das Gehalt – die Kollektivverhandlungen sind gerade für beide Seiten befriedigend gelaufen – ist wichtig, aber es gilt sicher auch, Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir müssen uns darauf einstellen, dass unsere Angestellten flexiblere Arbeitszeiten wollen. Viele möchten nur noch 30 Wochenstunden arbeiten – ich bräuchte also mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Branche muss sich darauf einstellen. Allerdings kann ich ein Lokal nicht weniger lang offen halten, da sonst der Umsatz fehlt. Das ist der Grund für unser Personalproblem. 

Auch die Drop-out-Quote ist in Ihrer Branche sehr hoch, wieso?

Das war in der Gastro-Szene schon immer so – aber das gilt auch für uns Unternehmer selbst. Etwa 20 Prozent der Gewerbescheine fallen pro Jahr weg und es kommen 20 Prozent wieder dazu. Auch wenn da viele Ummeldungen etwa innerhalb der Familie dabei sind, ist das eine hohe Zahl. 

Seit einiger Zeit geistert das Schlagwort von der Zwei-Klassen-Gastronomie herum – also nur noch Billiglokale mit wenig Personal und entsprechend teurere Restaurants. Ist das die Zukunft?

Das sind unsere Befürchtungen. Der Mittelbau könnte tatsächlich wegbrechen, denn zwischen 5 und 30 Mitarbeiter*innen hat man bald – wir sind nun einmal eine personalintensive Branche. Um sich das leisten zu können, was wir als Mittelbau bezeichnen – also das bessere Wiener Gasthaus –, werde ich als Unternehmer preislich ein Stück raufrutschen müssen. Wir sehen das jetzt schon in anderen Ländern wie der Schweiz, wo es im mittleren Preissegment gar nichts mehr gibt. Dort haben sie nur noch To-Go-Lokale mit bestenfalls Selbstbedienung und Restaurants mit sehr hohen Preisen. Ich fürchte, das wird auch bei uns die Zukunft sein. Wir sind stolz darauf, dass unsere Gäste eine schöne Zeit bei uns verbringen können, aber es muss sich am Ende des Tages auch für uns rechnen. Ich kann nichts um 1 Euro verkaufen, das mich im Einkauf 1,50 Euro kostet.


„Unsere Ausbildung ist top. Auf der ganzen Welt trifft man in der Spitzengastronomie auf Österreicher.“

Peter Dobcak, Fachgruppenobmann Gastronomie Wien, über die Situation in der Szene. 

Das traditionelle Wiener Gasthaus am Eck ist also in Gefahr. Wird das aussterben?

Ich glaube nicht, dass es aussterben wird, aber es wird sich verändern, wird sich anpassen, also schlicht und ergreifend bis zur letzten Komma-stelle optimieren müssen, damit das Ding wirklich gut läuft. Jetzt hatten wir ja noch den Aufholeffekt nach der Pandemie – die Gansl- und Weihnachtsumsätze waren wirklich gut. Aber natürlich waren auch unsere Kosten durch die Inflation sehr hoch. Manche Kolleginnen und Kollegen haben etwa Energiepreissteigerungen um das 10-Fache. Wir sind ja logischerweise eine sehr energieintensive Branche und wenn ich dann statt 50.000 im Jahr 500.000 zahle, kann man sich ausrechnen, was das für uns bedeutet. Das ist kalkulatorisch nicht mehr darstellbar. Dazu kommt, dass das Mittagsgeschäft durch das vermehrt genützte Homeoffice eingebrochen ist. 

Wie sehen Sie den Boom der Zustelldienste? Viele Wirte nützen das ja auch …

Die Lieferdienste sind gekommen, um zu bleiben, wie es so schön heißt. Es gibt momentan nur noch zwei große – Mjam und Lieferando –, die fast schon eine Monopolstellung haben und in gewisser Weise die Preise diktieren können. Idealerweise nützen unsere Mitglieder die schwächeren Zeiten in der Küche für diese Dienste, aber es ist nicht einfach, die Kosten im Griff zu halten. Was mir aber mehr Sorge bereitet, sind sogenannte „Ghost Kitchen“. Da wird das Menü irgendwo produziert, wo es überhaupt keine Gasträume gibt, der Kunde bestellt aber im Glauben, es wäre beispielsweise eine echte Pizzeria. Eine solche Schattengastronomie ist leider gesetzlich vollkommen legal. 

Was ist momentan der Trend in der Gastronomie – welche neuen Lokale werden vermehrt eröffnet?

Es geht stark in Richtung Regionalität und Nachhaltigkeit. Auch veganes und bewussteres Essen ist weiter im Trend. Gäste, die ins Lokal gehen, wollen ein hochwertiges Essen, bei dem man weiß, wo die Zutaten herkommen. Jahrzehntelang gab es eine Burgerwelle, dann kamen Wraps in Mode.

Ich beobachte tatsächlich vermehrt Lokale, die auch Zutaten zum Selberkochen verkaufen, wie etwa selbstgemachte Pasta oder Gnocci …

Ja, das gibt es auch. Manche haben sogar einen kleinen, feinen Lebensmittelhandel dabei und bieten neben dem Gastraum auch To-Go an. Unsere Mitglieder werden immer flexibler.

Was hat Sie bewogen, in die Gastronomie zu gehen?

Ich bin in der Touristik aufgewachsen und habe mit vier Jahren schon Teller abserviert. Ich bin dann in die Hotelfachschule gegangen, wo ich meine Frau kennengelernt habe. Also ich war sozusagen immer im Dienstleistungsgewerbe. Jetzt als Funktionär ist es meine Arbeit, „lästig“ zu sein und Gefahren für die Branche aufzuzeigen. Die Förderungen in der Pandemie haben unsere Kolleg*innen einzig und allein unserer Beharrlichkeit zu verdanken. Gastronom wird man aus Freude an der guten Zeit von anderen und aus Freude am Kochen. Wir haben nach wie vor viele Familienbetriebe und unsere Ausbildung ist sehr gut – auf der ganzen Welt trifft man in der Spitzengastronomie auf Österreicher.