Keiner ist feiner

Fritz Fischers frische Fische


Keiner ist feiner: Im Mürzer Oberland züchtet der frühere Energie-Manager Fritz Pink edelste Bio-Fische. Die einzigartigen Saiblinge und Forellen aus Frein an der Mürz gibt’s jetzt auch in Wien.
Text: Chris Röthlo / Fotos: Stefan Joham


Nahe dem Ursprung der Mürz, inmitten des Naturparks Mürzer Oberland, liegt das idyllische Bergdorf Frein, die Heimat der Freiner
Bio-Fische. Die Teichanlage mit Österreichs erstem Bio-Angelteich liegt auf fast 900 m See­höhe. Hier wachsen Forellen und Saiblinge artgerecht in ihrem natürlichen Lebensraum auf.

Biofrisch aus der Steiermark – In Wien bei Meinl am Graben
Herr der Fische ist Fritz Pink, Energiemanager im Ruhe­stand, Fliegenfischer und Qualitätsfanatiker. Seit vier Jahren baut, forscht und züchtet der gelernte Techniker mit seinen Partnern in seiner Teilzeitheimat Frein. Ziel: der beste Kulturfisch in Österreich.
Pink: „Wir arbeiten ausschließlich mit Salmoniden, lachsartigen Fischen, die bei uns heimisch sind. Experimente mit exotischeren Trendfischen wären hier nicht stimmig.“
Der Erfolg scheint ihn zu bestätigen. Anfangs von vielen der insgesamt 21 Dorfbewohner eher skeptisch ­beäugt, gilt der „Teich im Dorf“ heute bereits als Attraktion. Selbstredend steht Freiner Fisch auch auf der Speisekarte des Dorfgasthauses ganz weit oben. Und Fritz Pink, dem der Nachwuchs der Wirtsleute kurzerhand und absolut zutreffend den Kosenamen „Fischer Fritz“ verpasst hat, ist im Dorf eine ernährungswissenschaftliche Institution. Sein Geheimnis?
„Unsere Fische schwimmen in kristallklarem Bergwasser, das im Winter eine Temperatur um den Gefrierpunkt und im Sommer nicht über 12 Grad Celsius hat. Dank des kalten Wassers wachsen Saiblinge, Seeforellen und Regenbogenforellen natürlich und langsam. Die Teiche bieten den Fischen viel Platz und somit auch viel Raum für Bewegung. Und diese Kombination sorgt für bestes und festes Fleisch.“

Und wie ist das mit dem viel diskutierten Bio-Zertifikat?
Zahlt sich das aus? Und gibt’s da wirklich einen Unterschied? „Eindeutig ja“, meint Qualitätsfanatiker Pink.
„Wir züchten einen besonders natürlichen und gesunden Fisch. Die österreichischen Bio-Auflagen werden von uns freiwillig übertroffen. Bei uns gibt’s keine Medikamente und keine Chemie. Damit hat unser Fisch eine besondere Qualität.“
Und weil die Freiner es mit bio wirklich ernst meinen, haben Fischfreunde auch die Möglichkeit, die Teich­anlagen zu besuchen, die Angel auszuwerfen oder sich zumindest selbst ein Bild zu machen. Da versteht es sich von selbst, dass die Fische mit reinstem Bio-Futter aufgezogen werden. Für Fritz Pink, laut Selbstdefinition „Ein großer Sparmeister vor dem Herrn“, der jeden Cent zweimal umdreht, bevor er ihn ausgibt, gibt es da auch keinen Spielraum für Kompromisse:
„Das Spezialfutter ist zwar teuer, aber das schmeckt man auch.“
Was Elisabeth, die Wirtin des angrenzenden Freiner­hofes, nur zu gerne bestätigt:
„Die Saiblinge sind wirklich wunderbar fest und fleischig. Und noch dazu wachsen sie keine 5o Meter vor unserer Haustür. Spitzenqua­lität aus der Region. Besser geht’s nicht.“ Oder wie Fischer Fritz sagen würde: „Keiner ist F(r)einer!

Informationen, Bestellungen und Details auf:
freinerfisch.at, meinlamgraben.at, freinerhof.at, echo.at


Das gibt’s bei Freiner Fisch:
Freiner Bio-Bergsaibling (Salvelinus fontinalis)
Heimisch bei Freiner Biofisch und trotzdem eng verwandt mit dem Lachs. Feiner Geschmack. Festes Fleisch. Reich an Omega-3-Fettsäuren. Ein Fisch für Genießer.
Freiner Bio-Bergforelle (Salmo trutta oder Oncorhynchus mykiss)
Schon immer bei uns heimisch. Liebt eiskaltes Wasser. Charakteristischer Forellengeschmack. Festes Fleisch, da Dauerschwimmer. Gesund. Für Gourmets und Kenner.
Freiner Bio-Lachsforelle (Oncorhynchus mykiss)
Heimischer Edelfisch. Herrlicher Forellengeschmack. Rotfleischig. Fischgenuss pur.

Every Scarf tells a tale

Silk & Love


Der Name ihres Labels „Decielis“ bedeutet „vom Himmel“, dabei steht Zoë Hili mit beiden Beinen fest im Leben. Geboren in Bahrain und aufgewachsen quer über den Globus, verarbeitet die in Wien lebende Designerin weltkulturelle Einflüsse in ihren Accessoires. Hinter jedem Seidenschal, jedem Bandeau, jedem Schuh verbirgt sich eine zauberhafte Geschichte.
Text: Klaus Peter Vollmann / Fotos: Patrick Langwallner; Decielis


Es ist nicht nur geographisch gesehen ein langer Weg von Bahrain nach Wien-Neustift, doch Zoë Hili hat ihn mit offenen Augen zurückgelegt, um im beschaulichen Heurigendorf zu ihrer Designerbestimmung zu finden.

Geboren und bis zu ihrem 12. Lebensjahr aufgewachsen am Persischen Golf, lebte sie danach mit ihren Eltern in Kanada und anschließend im italienischen Rom. „Ich war ein Teenager und begann, mich für Kunst zu begeistern. Als ich 17 war, sind wir nach Hongkong gezogen – das war das genaue Gegenteil des klassischen Rom –, eine hypermoderne Stadt. Aber genau diese spannende Dualität hat mich auch in meiner künstlerischen Entwicklung beeinflusst.“

Nach dem Studium am London College of Fashion arbeitete sie bei Roland Mouret, ging auf Reisen und schließlich nach Wien, wo ihre Eltern inzwischen beheimatet waren. Zunächst für Louis Vuitton tätig, machte sich Zoë Hili Anfang 2017 mit ihrem eigenen Label „Decielis“ selbstständig.

DIE GANZE WELT IST INSPIRATION
„Obwohl ich es studiert habe, wollte ich keine Damenmode, sondern etwas Neues machen. Ich war immer auch eine gute Illustratorin und liebe es, Geschichten zu erzählen“, erklärt Zoë Hili. Ihre ersten Entwürfe waren Tücher, die sie per Hand zeichnet und denen eben eine persönliche Geschichte, meist inspiriert durch eine ihrer Reisen, innewohnt. Der Name „Decielis“ heißt übersetzt zwar „vom Himmel“, ist in Wahrheit aber nur eine leichte Abwandlung des Nachnamens ihrer Großmutter. Der rasche Erfolg führte bald zu weiteren Accessoires wie Bandeaus und Sandalen – erst vertrieben in Pop-up-Stores, heute erhältlich in Wiener Shops ebenso wie in Boutiquen in Dubai – und natürlich online.

Wien als Lebensmittelpunkt möchte die Designerin unbedingt treu bleiben. „Hier ist es ideal für mich. Man ist in Europa, strategisch zwischen Ost und West. Wien ist keine riesige Stadt wie London, aber doch international. Ich mag den Lebensstil.“ Zoë Hilis aufgeweckte Hundedame Mila kann dem nur zustimmen. Obwohl ein Golden Retriever, fühlt sie sich bei ausgedehnten Spaziergängen in den Neustifter Weinbergen pudelwohl.               


„Decielis“: Design, das eine Geschichte erzählt.

Die 11 Begierden des Herrn Ludwig van

Fangen wir mit dem Ärger an


Aus bekannten Gründen hätte man es fast vergessen, aber heuer ist Beethovenjahr – wir feiern seinen 250. Geburtstag. Unser Kolumnist Otto Brusatti hat ein etwas anderes Buch über Beethoven herausgebracht. Lesen Sie eine Kostprobe aus seinem Werk „Die 11 Begierden des Herrn Ludwig van“.
Text: Otto Brusatti / Foto: Arman Rastegar


ALSO
Da sitzt frau/man wieder – egal eigentlich jetzt wo – z. B. mit Ohrenstöpseln herum oder dort im Konzert zwischen den Parfümstinkenden, am liebsten eh vor einem Küchenradio beim Kartoffelschälen, gar im Lehnstuhl mit einer Partitur in der Hand oder vor 88 SW-Klaviertasten und einer sogenannten „Kritischen Sonaten-Ausgabe“. Es stellt sich bald dreierlei ein. Erstens: Wohligkeit, ev. sogar initialiter wohliges Wiedererkennen, Erinnern. Zweitens: Verblüffung, Glück und zugleich intellektuelle Vollbefriedigung. Drittens: Ärger über den Ludwig van.

FANGEN WIR MIT DEM ÄRGER AN
Er zwingt uns zu heroischen Gedanken, die wir, 250 Jahre nach seiner Geburt und am Beginn des 3. Jahrzehnts der 2000er Jahre, eigentlich schon ad acta haben legen wollen; denn sie, diese Gedanken/Empfindungen/Anleitungen richteten bisher einfach zu viel Unsinn, auch Leid, auch Unsägliches an, vor allem diese voll heroischen Heroen-Sachen. Außerdem. Er, der L. v. B., macht uns klein vor ihm und vor unserem Selbstwertgefühl. Er höhnt uns geradezu mit dem von ihm uns aufgezwungenen Gefühl (selbst wenn wir alles von ihm schon intensiv angehört haben, die Masse seiner Formidabel-Kompositionen schon studierten), dem Gefühl eines schier Unüberschaubaren seines Gesamt-Œuvres.

GEHEN WIR JETZT ZUM ZWEITEN
Er verblüfft als schaffender Mensch und zugleich als einer im schlichten, oft mühevollen und bekämpften Alltag. Als einer noch dazu mit einer Schwerstbehinderung akzelerierend wachsend seine letzten 25 Lebensjahre hindurch, von einem zunächst schlimm Verunsichert-Werden beim schlichten Zuhören bis zur jahrelangen, peinigenden, bald aber vollen, suizidgefährdenden Taubheit. – Er. Ein weitgehend unzugänglicher Mensch, der um liebevolle Kontaktnahmen, Zuwendungen und mehr,
beinahe skurril (auch in seiner Musik) manchmal infantil bettelte. – Er. Einer, der Jahre hindurch und oft in einer Schreibe, die jeden Psychoanalytiker schockiert hätte, an Stücken arbeitete, welche dann wie aus einem Guss erschienen/erscheinen, als ein Komponist, der für seine Musiknachwelt wahrscheinlich prägender gewesen ist als andere je. Dabei formulierte er in den Groß-Kompositionen nichts, was zugleich nicht auch die ästhetischen Grund-Kriterien erfüllt: Musik als Typisierung, Stilisierung und Idealisierung von all dessen, was der Mensch überhaupt hervorbringen kann; Beethoven liegt da im Bett der Klassik zwischen Kant, Fichte, Schelling und Hegel, doch diese Meister des Denkens mit ein paar, jeweils neu zusammengesetzten und rhythmisierten Noten weit hinter sich lassend und beschämend. – Er. Beethoven (vielleicht mehr noch als Mozart, mehr noch als Bach und Schubert) vermag im Großteil seiner mehr als 250 innovativen Einzelstücke seine perfekt geformte Musik tatsächlich darzustellen als sinnlich gewordener Intellekt.

ALS BEGIERDE OHNE HERKÖMMLICHE KÖRPER
Mit über 5 Millionen an Zeichen als Basis (diese Notenköpfe und -hälse und Pausen und Taktstriche und so weiter), die zwar alles zum Inhalt haben und die sofort alles verbergen, locken wir sie nicht aus dem perfekten System he­raus, welches jedes Programm in EDV und Computern und Riesenrechnern locker hinter sich lässt, geradezu ebenfalls beschämt. Denn es handelt sich bei der Beethoven-Musik um Sicht(hör)barmachungen und zugleich vorweg schon um die Aufforderung dazu, nämlich Dingen zu begegnen, die zuvor (seit dem Urknall mindestens) gar nicht da gewesen.    


Otto Brusatti: „Die 11 Begierden des Herrn Ludwig van“ (Morio Verlag, 144 Seiten, € 12,-).

Lesefestival

Rund um die Burg


Das Lesefestival „Rund um die Burg“ ging heuer coronabedingt am 8. Mai online über die Bühne. Und das mit sensationellem Erfolg: Insgesamt waren mehr als 7.000 Besucher dabei, also weitaus mehr als im Zelt neben dem Burgtheater Platz gehabt hätten.
Text: Helmut Schneider / Fotos: Rund um die Burg


Insgesamt lasen 48 Autorinnen und Autoren zur Feier der Literatur – mehr als doppelt so viele wie in vergangenen Jahren – bis nach Mitternacht aus ihren Werken. Darunter waren heimische Größen wie Hugo Portisch, Erika Pluhar und Michael Köhlmeier ebenso dabei wie internationale Topstars wie T. C. Boyle, Rafik Schami oder Hilary Mantel.

T. C. Boyle las in seinem Heimatort Santa Barbara in Kalifornien.

Ebenso zu erleben waren Einblicke in jene Texte, die Autoren wie Stefan Slupetzy, Eva Rossmann, Andreas Pittler oder Tex Rubinowitz für die Gratisbuchaktion „Eine Stadt. Ein Buch.“ im November schreiben. Zwei Beiträge waren – obwohl lange vor der Corona-Krise geschrieben – besonders aktuell. T. C. Boyle las in seinem Heimatort Santa Barbara in Kalifornien eine Geschichte über einen Menschen, der aufgrund seiner ansteckenden Krankheit gezwungen wird, eine Maske zu tragen. Als er das nicht tun will, wird er von den Behörden wie ein Verbrecher gejagt. Und Stefan Slupetzky überraschte mit einer Story über ein ansteckendes Virus, das Befallene zu Zombies macht. Als der Erzähler entdeckt, dass die Zombies vor Betrunkenen zurückschrecken, ist sozusagen ein Gegenmittel gefunden. Wer das einzigartige Festival verpasst hat, braucht sich nicht zu grämen: Alle Lesungen sind jederzeit abrufbar auf rundumdieburg.at.

Tex Rubinowitz las aus „Ich höre Farben“.

Unser besonderer Dank gilt folgenden Unterstützern & Partnern, die „Rund um die Burg“ auch in schwierigen Zeiten möglich gemacht haben: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport; Stadt Wien Kultur; Capito Wien; Morawa; ORF Wien; Wiener Städtische Versicherung

Das neue Wienerlied

Granteln ist „in“


Der Wiener Dialekt ist wieder in, Granteln und Melancholie sowieso. Mit neuen Einflüssen und Weiterentwicklungen feiert das neue Wiener Lied eine wohl verdiente Renaissance. Wir fiebern mit den Künstlern einer baldigen Öffnung der Wiener Kulturszene entgegen.
Text: Ursula Scheidl / Fotos (von oben): Daniela Matejschek, Ingo Pertramer, Astrid Knie, Konstantin Reyer, Wolfgang Seehofer, Stephan Musil


Ernst Molden
Lässig, elegant und ungeheuer vielseitig. Der hoch dekorierte Stadtpoet Ernst Molden ist ein ausgezeichneter Journalist und Romanautor, der Spaß daran hat, absurde Figuren zu erschaffen. Und natürlich demonstriert er auf bisher fünf Alben eine erstaunliche Entwicklung als Singer-Songwriter – Popmusik im Wiener Dialekt nach amerikanischen Vorbildern. Zum Sound seiner elektrischen und akustischen Gitarren erschafft er etwas völlig Neues, das die Wiener Seele zum Schwingen bringt. Mit der herausragenden Schauspielerin Ursula Strauss brachte er neu geschriebene Songs auf besondere Weise zum Erklingen.
ernstmolden.com

Voodoo Jürgens
Sein Debütalbum „Ansa Woar“ wurde gleich mit Gold ausgezeichnet. Die Kunstfigur von David Öllerer erinnert an vergangene Zeiten und an legendäre Serien wie „Ein echter Wiener geht nicht unter“, „Kottan ermittelt“ oder „Kaisermühlen Blues“. Kettenrauchend, mit fettigem Vokuhila und Zuhälterpose aus den 70er-Jahren, hat es der beinahe gescheiterte Liedermacher, dessen Vater ins Gefängnis kam, als er sieben war, geschafft, auch das deutsche Publikum zu überzeugen. Vorzugsweise tritt er in kleinen Bars auf, sie bieten die perfekte Kulisse für seine herrlich schwarzhumorigen Texte.
voodoojuergens.com

5/8ERL IN EHR’N
Dass der Wiener Lebensart ein gutes Schäuferl Soul innewohnt, beweist die fünfköpfige Band mit Hanibal Scheutz, Michaela Liebermann, Clemens Wenger, Max Gaier und Robert Slivovsky (von oben im Uhrzeigersinn) seit 2006 mit Bravour. Sie verwebt behutsam das Todernste mit Euphorie und das Triviale mit Politischem – herauskommt mitreißender Wiener Soul, dem man sich nicht leicht entziehen kann. Die vierfachen Amadeus-Preisträger mit der ganz speziellen Klangfarbe mixen Austropop, Wienerlied, Chanson, Soul und Kabarett und sind in den unterschiedlichsten Musikszenen und im Jazzmilieu ebenso beheimatet wie auf Kleinkunstbühnen.
5achterl.at

Wiener Blond
Frisch und frech singt das Beatbox-Pop-Duo Verena Doublier und Sebastian Radon mittlerweile seit sieben Jahren. Ihr großes Vorbild ist Georg Kreisler, daher schwingt bei ihren Texten immer ein gewisser bissiger Ton mit. Selbstironisch kokettieren sie mehr mit Absurdität als mit Abgründigkeit und kredenzen eine humorvolle Melange in Wiener-Schmäh-Manier.
wienerblond.at

Wanda
Vor sechs Jahren erschien ihre erste Single „Amore“. Die 5-köpfige Rock-Band rund um Sänger Michael Marco Fitzthum erzielte mit dem gleichnamigen Debütalbum „Amore“ auf Anhieb Gold in Österreich. Inzwischen sind die Musiker und ihre zum Teil auf Wienerisch gesungenen, manchmal zynischen Texte absolut Kult! Ohrwürmer wie „Bussi Baby“, „Colombo“ oder „Bologna“ zählen zu den wichtigsten österreichischen Pop-Songs.
wandamusik.com

Agnes Palmisano
Sie erweckte den Wiener Dudler, eine Mischung aus Jodler und Koloraturgesang aus dem Wien des 19. Jahrhunderts, zu neuem Leben. Seit 2011 ist er immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Palmisano liebt die Hintergründe und Abgründe der Wiener Musik und singt sich quer durch alle Genres zwischen Wiener Liedern, Couplets, Kabarettchansons und klassischen Liedkompositionen.
agnes-palmisano.at


Mit der Kraft der Musik durch die Krise

Superstar der klassischen Musik


Die römische Primadonna assoluta Cecilia Bartoli begeistert mit virtuosen Kastraten-Arien auf ihrer neuen DECCA-CD „Farinelli“. Sie hat ihr neues Album dem berühmtesten Sänger aller Zeiten gewidmet: Dem Soprankastraten Carlo Broschi.
Text: Elisabeth Hirschmann-Altzinger / Fotos: DECCA/Uli Weber


Dem berühmtesten Sänger aller Zeiten, dem Soprankastraten Carlo Broschi, genannt Farinelli, hat die römische Primadonna assoluta Cecilia Bartoli ihr neues Album „Farinelli“ gewidmet, das beim englischen Opernlabel DECCA erschienen ist. Als Sohn eines österreichischen Musiklehrers 1705 im apulischen Andria, das damals zum Königreich Neapel gehörte, geboren, wurde Carlo mit neun Jahren auf Wunsch seines Vaters kastriert und vom berühmten Lehrer und Komponisten Nicola Porpora in Neapel zum Sänger ausgebildet. Farinellis Erfolge in Italien, England, Spanien und Wien waren gigantisch. Mit seiner virtuosen Gesangstechnik und einem Stimmumfang von dreieinhalb Oktaven produzierte er Läufe von atemraubender Rasanz, gestochene Triller, bravouröse Pirouetten, Verzierungen und halsbrecherische Koloraturen in allen Gipfellagen der Musik, welche die Damen in Ohnmacht stürzten und den Herren die Knie zittern ließen.

POPSTARS
„Evviva il coltellino!“ („Es lebe das Messerchen!“), schrien die Opernbesucher begeistert, wenn Farinelli oder Sensino auf der Bühne standen. Die größten Sängervirtuosen verblüfften ihr Publikum mit ihren makellosen, geschlechtslosen Engelsstimmen und der Anmut ihrer Manier. Durch die Entfernung der Hoden vor dem Stimmbruch blieb den Kastraten der weiche, silbrige Klang der Knabenstimme, dazu gewannen sie die Kraft, Intensität und Brillanz der männlichen Stimme. Die Damen der Gesellschaft gerieten in sinnliche Verzückung, wenn sie einem Kastraten lauschten – nicht einem Mann, sondern einer Stimme, die Orgasmen der Seele auslöste und wichtiger war als das Geschlecht. In der Barockoper, jener hochartifiziellen Kunstform, die einer Poetik des Wunderbaren folgte, fanden die Kastraten ihre Rolle und ihre Lebensform.
„Im 18. Jahrhundert wurden in Italien jedes Jahr 4.000 Knaben aus armen Familien kastriert, um aus ihnen große Opernsänger zu machen“, erzählt Cecilia Bartoli.
„Man wollte mit ihnen viel Geld verdienen, die großen Kastraten waren die Popstars des 18. Jahrhunderts. Wir haben 200 Jahre Kastration im Namen der Kunst, aber nur 150 große Namen – einen Farinelli, einen Caffarelli, einen Senesino. Die meisten Knaben wurden umsonst geopfert, das ‚Sacrificium‘ war für nichts.“

Und die göttliche Römerin weiter: „Die Operation war lebensgefährlich, auch deshalb, weil die Kastration eigentlich verboten war. Der Vatikan hat das einerseits verboten, andererseits haben sie die Kastraten – denn die meisten waren gute Sänger – für den Kirchenchor gebraucht. Die Leute, die diese Operationen durchführten, waren keineswegs Ärzte, bestenfalls Tierärzte, oft auch nur Friseure. Die armen Buben wurden im Hinterzimmer eines Friseurladens verstümmelt – ohne Narkose, viele sind daran gestorben. Die Kastraten mit der großen Karriere wurden vergöttert, die anderen, die Armen, wurden ausgelacht. Sie durften auch nicht heiraten, ihr Privatleben war traurig. Natürlich hatten sie psychische Probleme. Sie führten ein trauriges Leben und zogen in Bettelchören durch Rom.“

BRAVOURARIEN
Begleitet vom Mailänder Originalklang-Maestro Giovan-ni Antonini und seiner furiosen Barockband Il Giardino Armonico, singt Cecilia Bartoli für Farinelli komponierte Bravourarien von Riccardo Broschi, Farinellis Bruder, Nicola Porpora, Farinellis Lehrer und Förderer, Johann Adolph Hasse, Geminiano Giacomelli und Antonio Caldara. Die meisten Termine ihrer seit einem Jahr ausverkauften Farinelli-Tournee mit Stationen in Berlin, Amsterdam, Brüssel, Paris, Zürich, Stockholm, Kopenhagen und Hamburg musste die bestbezahlte und höchstverehrte Mezzo-Diva wegen der Corona-Pandemie absagen; auch ihr von den Wiener Fans heftig ersehnter Auftritt am 27. April im Goldenen Saal des Musikvereins fiel dem Horror-Virus zum Opfer. Ebenso mussten die Salzburger Pfingstfestspiele, die La Bartoli seit 2012 mit überragendem Erfolg leitet, heuer gecancelt werden – wie schade, hätte die Primissima Donna am 29. Mai doch als Norina in Donizettis Opera buffa „Don Pasquale“ debütieren sollen.
„Diese Entscheidung bricht mir das Herz“, sagt sie, „aber eines ist klar: Die Gesundheit ist das Wichtigste. Und ich bin ganz sicher, dass die Kraft der Musik uns helfen wird, diese Krise zu überstehen.“


Cecilia Bartoli: „Farinelli“. Giovanni Antonini; Il Giardino Armonico, Kastraten-Arien von Riccardo Broschi, Hasse, Porpora, Giacomelli, Caldara (DECCA).