Deutschland und Russland vereinen – Ein historischer Roman über eine außergewöhnliche Bolschewikin
Im Schachspiel gibt es den raffinierten Spielzug des Damenopfers, bei dem die wertvollste Figur dem Gegner zum Fraß vorgeworfen wird und – so dieser anbeißt – in wenigen Zügen mattgesetzt werden kann. Steffen Kopetzky lässt in seinem neuen Roman seine Protagonistin Larissa Reissner eben jenen Schachzug machen, um einem Großmaul ebendieses zu stopfen. Die ruhmreiche Kämpferin der Roten Armee und Journalistin Larissa Michailowna Reissner ist freilich eine historische Figur. Obwohl sie bereits mit 30 Jahren an Typhus starb, wurde sie wegen ihrer Schönheit und ihres furchtlosen Einsatzes gegen die monarchistische Weiße Armee zur Legende – zumal sie auch als Spionin agierte.
Kopetzky, 1971 in Oberbayern geboren, ist ein gewiefter Erzähler. In seinem Bestseller „Monschau“ verarbeitete er etwa einen realen Pockenausbruch in den 60er-Jahren zu einem packenden deutschen Wirtschaftskrimi. Im neuen Roman faszinierte ihn ganz offensichtlich eine mögliche Annäherung des wirtschaftlich am Boden liegenden Deutschland nach dem 1. Weltkrieg und der sich mit vielen Schwierigkeit sich entwickelnden Sowjetunion noch unter Lenin. Larissa verbringt die Jahre nach dem Bürgerkrieg mit ihrem Mann, einen verdienten General der Roten Armee, in Afghanistan und findet dort den versteckten Plan eines deutschen Offiziers zum Angriff auf die britische Kolonie Indien von Kabul aus.
Larissa gelingt es – sie ist ja deutscher Herkunft, Deutsch ist ihre zweite Muttersprache – den deutschen Offizier ausfindig zu machen. Gleichzeitig versucht sie als inoffizielle Vertreterin des Politbüros und vor allem Trotzkis die Revolution in Deutschland zu befördern. Gelingt das – so ist nicht nur sie überzeugt – würde das einen Flächenbrand in Europa und sogar in den USA auslösen. Als Geliebte einiger wichtiger Männer bewegt sie sich sowohl in Moskau als auch Berlin zunächst recht frei. Doch Lenin hat seine Nachfolge nicht geregelt, er macht nichts, um Stalin zu verhindern, den er für einen skrupellosen Hitzkopf hält. Und der wesentlich intelligentere Trotzki steht sich bekanntlich selbst im Wege.
In „Damenopfer“ erfahren wir viel über die Stimmung in Deutschland und Russland nach dem Krieg. Zwar überfordert Kopetzky manchmal durch allzu viele Figuren seine Leser, doch in Summe ist dieser Roman ein intellektueller Genuss.
Steffen Kopetzky: Damenopfer
Hanser
444 Seiten
€ 26,80