Die amerikanische Adoption einer englischen Serie besticht durch abwechslungsreiche Drehbücher (Idee: Paul Abbott), jede Menge Witz und tolle Schauspielleistungen.

Die US-Serie „Shameless“ erinnert an Hinterbergers „Mundl“

Bild: ©BRIAN BOWEN SMITH/SHOWTIME

Von 1975 bis 1979 wurde in Österreich, begleitet von zahlreichen Protesten wegen der Wortwahl des Hauptprotagonisten Edmund Sackbauer, die ORF-Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ ausgestrahlt. Hervorgegangen aus einem Roman Ernst Hinterbergers (1966, Salz der Erde) konfrontierte der „Mundl“ – wie die Serie von den meisten genannt wurde – das Fernsehpublikum erstmals mit dem Leben der Arbeiterschicht. Sackbauer ist Elektriker, der mit seiner Frau dem kleinen Glück in Favoriten nachjagt. Damals kannte man natürlich kein internationales Fernsehen – in England, Deutschland und den USA gab es schon früher durchaus ähnliche Projekte.

Die erfolgreichste moderne Serie mit ähnlichem Hintergrund heißt „Shameless“ und wurde zwischen 2011 und 2021 vom US-Pay-TV-Sender Showtime produziert – alle 11 Staffeln sind jetzt auf Netflix abrufbar. Die amerikanische Adoption einer englischen Serie besticht durch abwechslungsreiche Drehbücher (Idee: Paul Abbott), jede Menge Witz und tolle Schauspielleistungen.

Hauptfigur ist der irischstämmige arbeitsscheue Alkoholiker und Drogenkonsument Frank Galaggher, der seine 6 Kinder der Verwahrlosung preisgibt – denn die bipolare Mutter ist entweder gerade nicht hier oder schon wieder unzurechnungsfähig. Angesiedelt ist die dysfunktionale Familie auf der South Side von Chicago, dem Stadtteil wo sich die Abgehängten, die Migranten und Schwarzen wiederfinden. Im Laufe der Staffeln wird gerade dort allerdings ein heftiger Gentrifizierungsdruck aufgebaut – statt Waschsalons und Bars machen sich Coffee-Shops und Yogastudios breit. Sehr zum Missfallen der Gallaghers. Die Serie versteht es geschickt, auch schwierigere soziale Spannungen und aktuelle Themen anzusprechen. Sogar die „gestohlene Wahl“ von Trump findet sich in einer Szene. Und die 6 Kinder sind alle ganz eigene Persönlichkeiten und sehr divers, ohne dass das aufgesetzt wirken würde. Trotz vieler Vorurteile, die alle Figuren hegen – Herkunft lässt sich nicht verleugnen – findet man schließlich immer wieder irgendwie zusammen. Bestohlen werden eher die Reichen – nur der von allen gehasste Frank macht keine Unterschiede, wenn es um seinen Vorteil geht. Letztendlich funktioniert man doch als Familie, zumal die älteste Tochter lange Zeit die Mutterrolle übernimmt.

134 Folgen (zu je 44 bis 52 Minuten) in 11 Staffeln – das ist ordentlich viel Fernsehstoff. Aber allzuviel Auswahl bei intelligenter TV-Unterhaltung gibt es momentan ja sowieso nicht.