Beiträge

Die Juden und die Bombe – „Manhattan Project“ im Akademietheater

Bild: ©Tommy Hetzel

Über die Entwicklung der ersten Atombombe und die moralischen Skrupel der Wissenschaftler scheint man schon alles zu wissen. Christopher Nolans „Oppenheimer“ gewann mehrere Oscars, es gab schon vorher eine Netflix-Serie. Stefano Massinis Stück „Manhattan Project“ schafft dann aber trotzdem noch einen neuen Zugang. Im ersten Teil – „Buch der Patriarchen“ – sehen wir vier ganz unterschiedliche ungarische Flüchtlinge in Manhattan – allesamt Juden, die an Heimweh und Einsamkeit leiden, aber auch berechtige Angst aus Europa mitgebracht haben. Hitler könnte eine Atombombe bauen und so den Krieg gewinnen.

Der italienische Autor (Deutsch von Sabine Heymann) hat gut recherchiert, sich aber auch viel Fiktion genehmigt. Er bringt Menschliches ein – und viel Witz, man könnte auch von Galgenhumor sprechen. So hat einer der vier noch nach Monaten nicht seinen Koffer ausgepackt, weil er sich in der Fremde nicht zu Hause fühlen möchte. Und Massini bringt jede Menge jüdische Mythologie in die Geschichte ein. Im Zweiten Teil – „Buch der Propheten“ – erleben wir Robert Oppenheimer als an seinem Kindheitstrauma in der Thora-Schule leidenden Wissenschaftler, der die Entscheidung, ob er die alles vernichtende Bombe tatsächlich bauen soll, immer wieder aufschiebt. Max Simonischek gibt ihm glaubhaft Gestalt. Regisseur, Hausherr Stefan Bachmann, erweist sich in seiner ersten Regiearbeit seiner Ära im Akademietheater als ein sehr genauer Textarbeiter. Dabei kommt er mit nur einem Bühnenbild (Olaf Altmann) aus. Wir sehen eine Art riesigen Lüftungsschacht mit sich drehenden vier Armen, auf der die Darsteller („Manhattan Project“ ist ein Drama ohne Frauen, es spielen Michael Wächter, Thiemo Strutzenberger, Felix Rech, Markus Meyer, Justus Maier und Jonas Hackmann) herumturnen und dabei auch artistische Kunststücke vollführen müssen.

Das alles wirkt manchmal sogar lässig, die Herren in Anzügen rauchen pantomimisch oder tauschen Visitkarten. Die Bürde der Geschichte, eine entsetzliche Waffe bauen zu müssen, lastet aber immer auf ihren Gewissen. Vielleicht ist Massinis Text mehr ein langes Gedicht, denn ein dialogisches Drama, interessant ist es freilich bis zum Schluss nach 3 Stunden.

Infos und Karten: burgtheater.at

Düsteres Endzeitdrama von Shakespeare: „König Lear“ am Burgtheater

Bild: ©Tommy Hetzel

Aus Köln bringt Burgdirektor Stefan Bachmann die für nur sechs Personen eingerichtete Fassung von William Shakespeares „König Lear“ von Arnt Knieriem in der Inszenierung von Rafael Sanchez mit, wobei zwei Wiener Schauspielerinnen – Sylvie Rohrer und Lilith Häßle spielen die machtgierigen Töchter – neu dabei sind. Das knappe Personal wird allerdings mit vielen Komparsen auf der Bühne aufgefettet und der Text wirkt insgesamt wenig gestrafft – fast vier Stunden dauert die Aufführung mit Pause und offenbart uns einen sehr, sehr dunklen Shakespeare.

Mit Martin Reinke sehen wir einen beeindruckend menschlichen Lear, der sich den Konsequenzen seiner Handlung, als er die Macht an seine beiden Töchter abgibt, nicht bewusst ist. In seiner Wut wirkt er bereits hilflos und der nach und nach dem Wahnsinn nahe erscheint. Katharina Schmalenberg spielt die dritte Tochter, die ehrlich „Nichts“ erwidert, als sie gefragt wird, was ihr zu ihrer Liebe zum Vater einfällt. Daraufhin verstößt sie der König und die Tragödie nimmt ihren Lauf. Am Ende wird auch Lear zum „Nichts“ kommen, als er die Intrigen der anderen Töchter erkennen muss und einsam und allein als alter Mann dem Sterben entgegensieht.

Shakespeare hat das Geschehen aber noch in einer zweiten Handlung gespiegelt. Herzog Gloster (Bruno Cathomas) verfällt den Intrigen seines unrechtmäßigen Sohns Edmund (Seán McDonagh als lederbekleideter Strizzi) und kommt dabei selbst zu Fall, während der gute Sohn Edgar als Narr (wiederum großartig Katharina Schmalenberg) herumstreifen muss. Bühnenbild (Simeon Meier) und Live-Musik (Pablo Giw) tauchen die Fassung zusätzlich in grau-schwarz. Ein Lear, der Besuchern Mühe kostet, aber in seiner ehrlichen Poesie die Zeit wert scheint.

Info & Karten: burgtheater.at

Macbeth wird zum Splatter-Drama – „Der Sumpf des Grauens“ im TAG

Bild: ©Anna Stöcher

Theater am Theater gibt die Gelegenheit, einmal so richtig die Sau rauszulassen. Schließlich darf da auch absichtlich schlecht gespielt werden – Schmierenkomödie eben. So auch bei der neuen Produktion des Theaters an der Gumpendorfer Straße (TAG) von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill, die ja auch in ihrem eigenen Haus, dem kleinen Bronski & Grünberg Theater in Wien-Alsergrund, gerne Trash anbieten. Jetzt also Horror am Theater, bei den Proben zu „Macbeth“, das ja auch kein ganz unblutiges Stück ist.

Eine Stunde lang verfolgen wir, wie ein unfähiger Regisseur (Stefan Lasko) einen Zickenkrieg, Methodenstreitereien und diverse Befindlichkeiten seines Ensembles nicht auf die Reihe bekommt. Erst dann passiert endlich der erste Mord. Die Regieassistentin wird zerstückelt gefunden, es folgen ähnliche Todesfälle samt heraushängender Därme und rollender Köpfe. Ein Werwolf geht um – oder ist es eine Werwölfin? Das wird durchaus mit Witz und Charme gespielt (Jens Claßen, Emanuel Fellmer, Ida Golda, Michaela Kaspar, Georg Schubert, Lisa Weidenmüller sowie Helena Hutten, Katja Thürriegl, Renate Vavera und Gernot Plass). Doch die Schwächen der Dramaturgie lassen sogar im wirklich geduldigen Publikum Langeweile aufkommen. Schade – gestrafft hätte es klappen können.

Das Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) bekommt im Herbst 2025 mit Sara Ostertag eine neue Führung. Die Produktion ist also Teil der Abschiedssaison der Intendanz Gernot Plass und Ferdinand Urbach.

Infos & Karten: dastag.at

Biedermann und die Brandstifter im Theater in der Josefstadt

Bild: ©Moritz Schell

Am besten gefällt der Chor der Feuerwehr, der gleich zu Beginn einen starken Auftritt hinlegt – in Stephanie Moors Inszenierung ein reines Frauenensemble: Minou M. Baghbani, Katharina Klar, Juliette Larat, Kimberly Rydell  und Laetitia Toursarkissian spielen gekonnt auf tollpatschig und redeungewohnt. Aber bei Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ ist ja von vorneherein klar, dass die Feuerwache auf verlorenem Posten steht. Sein „Lehrstück ohne Leere“ aus den 50er-Jahren bezieht seine Dramatik nämlich aus dem Umstand, dass die Brandstifter völlig offen über ihr Vorhaben reden und Fässer mit Benzin auf den Dachboden hieven – um die finale Katastrophe kommen wir nicht herum. Das funktioniert auch heute noch, wie man in der Josefstadt überprüfen kann. Und natürlich ist in der Gegenwart ebenso vieles brandgefährlich wie in der Blütezeit des Kalten Krieges. Richtig glücklich wird man an dem Abend aber trotzdem nicht. Das wohl noch immer beliebte Schulstück wirkt ein wenig lau und abgespielt. Das Ensemble bemüht sich redlich, aber die Spannung hält sich über weite Strecken doch in Grenzen. Besonders weil in der Josefstadt auch das von Frisch später wieder verworfene „Nachspiel in der Hölle“ gegeben wird. Dort scheint sich die Katastrophe in einer Farce bis in die Unendlichkeit zu perpetuieren. Das macht den Abend unnötig lange. Andererseits: vielleicht hätte auch dem Hauptteil ein Mehr an Skurrilität und Slapstick gutgetan.


Infos und Karten: josefstadt.org

Wenn Liebe zur Obsession wird – Passion in der Neuen Oper Wien

©Martin Popelár (NODO)

Pascal Dusapins siebte Oper Passion (Aix-en-Provence, 2008) ist ein intensives Drama über die feinen Grenzen des Zwischenmenschlichen.

Lei (Sie) und Lui (Er) erleben eine beginnende Liebe, ein Aufblühen ihrer Leidenschaft. Aber was als zärtliches Kennenlernen beginnt, wird zu einem gefährlichen Spiel und einer düsteren Auseinandersetzung mit den Abgründen der menschlichen Natur. Die Wiener Regisseurin Ursula Horner zeigt in ihrer Deutung von Passion, wie Liebe in Obsession umschlagen kann. Denn bereits der Begriff „Passion“ – abgeleitet von „passio“ (Leiden, Krankheit) – deutet auf die zerstörerische Seite der Beziehung hin.

Die Wiener Regisseurin Ursula Horner zeigt in ihrer Deutung von Passion, wie Liebe in Obsession umschlagen kann. – ©Martin Popelár
Die Wiener Regisseurin Ursula Horner zeigt in ihrer Deutung von Passion, wie Liebe in Obsession umschlagen kann. – ©Martin Popelár

Horner beleuchtet die tief verwurzelten Ursachen solcher destruktiven Dynamiken und warnt vor den langfristigen gesellschaftlichen Folgen. Barock meets Moderne: Musikalisch verknüpft Dusapin barocke Elemente mit modernen Klangelementen, so verweben sich feine Cembalo- oder Harfenklänge und Live-Elektronik zu einem Klangteppich, der auch die seelischen Konflikte von Lui und Lei widerspiegelt. Vom Guardian als eines der 15 besten Werke des 21. Jahrhunderts gewürdigt, ist Passion eine kraftvolle Erkundung der dunklen Seite der Liebe. Die Neue Oper Wien präsentiert ein Werk, das Altes und Neues zu einer erschreckend schönen Einheit verschmelzen lässt.


10., 13., 15. und 17. Oktober 2024
Jeweils 19.00 Uhr
MuTh
Am Augartenspitz 1, 1020 Wien
neueoperwien.at

Nazis überall – Stefko Hanushevsky und seine One-Man-Show „Der große Diktator“ im Akademietheater

Bild: ©Tommy Hetzel

Passt ja: Der 1980 in Linz geborene Schauspieler Stefko Hanushevsky kehrt nach vielen Jahren auf deutschen Bühnen mit dem neuen Burgdirektor Stefan Bachmann nach Österreich ins Burg-Ensemble zurück. Heim ins Reich könnte man fast sagen, denn aus Köln bringt Hanushevsky eine ebenso witzige wie böse Abrechnung mit der in Österreich und Deutschland noch immer lebendigen Naziideologie mit. In „Der große Diktator“ spiegelt er seine Biografie – aufgepeppt mit einiger Fiktion – mit Chaplins Filmklassiker und dem nicht ganz so lange währenden Tausendjährigen Reich. Stefko Hanushevsky war nämlich tatsächlich eine Zeitlang Führer – Reiseführer für amerikanische Touristen in Deutschland. Und die wollten am liebsten Nazistätten besuchen. Im Gasthof gibt es als Spezialität „Chicken à la Göring “.

Als der Reisebus – ein solcher steht als Requisite auch auf der Bühne – einen Reifenplatzer hat, erzählt er von seiner Kindheit und Jugend in einem kleinen Ort in Oberösterreich, wo er Friseur werden sollte. Wie eben der Hitler-Doppelgänger in Chaplins „Der große Diktator“. Allzu viel Chaplin erlebt man an diesem nachdenklich-unterhaltsamen Abend, der von Hanushevsky, dem Regisseur Rafael Sanchez und dem österreichischen Autor Eberhard Petschinka gemeinsam erarbeitet wurde, aber nicht. Macht nichts, die Halb-Fake-Bio ist ja ebenso interessant und wirkt nach dem Ergebnis der Nationalratswahl doppelt brisant. Das meine auch das Premierenpublikum und spendete sehr viel Applaus.


Infos und Karten: burgtheater.at

Stefan Zweigs „Schachnovelle“ in einer sehr musikalischen Fassung von Nils Strunk und Lukas Schrenk am Burgtheater

Bild: ©Hetzel

Er spielt sie alle: den Erzähler, den reichen US-Industriellen, den Schachweltmeister, den Freund und nicht zuletzt die beiden ich des Dr. B – Nils Strunk ist tatsächlich ein Einmann-Theater und nebenbei auch noch Klavierspieler. Gemeinsam mit Lukas Schrenk, der die Musik gestaltete und mit dem er auch schon die Erfolgsproduktion „Die Zauberflöte“ gemacht hatte, zaubert er aus Stefan Zweigs „Schachnovelle“ einen sehr unterhaltsamen Abend zu einem sehr traurigen Thema. Bekanntlich geht es in Zweigs Werk ja um einen von der Gestapo gefolterten Anwalt, der die Isolationshaft nur dadurch übersteht, dass er gegen sich selbst Schach spielt und damit natürlich nachhaltig seine geistige Gesundheit gefährdet. Dramatisch aufgeladen spielt das Geschehen auf einem Ozeandampfer auf der Fahrt von New York nach Buenos Aires, auf dem das entkommene Opfer gegen einen intellektuell bescheidenen Schachweltmeister antreten soll.

Im Burgtheater wird dieser spannende, wenngleich nicht wirklich klischeefreie Stoff von viel Musik – Schlager, Swing, Jazz und Wiener Walzer – von Live-Musik (Martin Ptak, Hans Wagner, Jörg Mikula) kongenial begleitet. Das Publikum ist dabei vom ersten Augenblick an fasziniert. Strunk ist Entertainer im besten Sinne und er vermag zu beweisen, was Erzählen auch im digitalen Zeitalter noch vermag, nämlich Menschen mit einer Story zu fesseln. Am Ende gab es frenetischen Applaus samt Standing Ovations – meine Smartwatsch warnte mich – erstmals bei einer Premiere –, vor einer zu lauten Umgebung. Das Burgtheater hat zweifelsohne wieder einen Hit.

Infos und Karten: burgtheater.at

Thomas Köcks „Chronik der laufenden Entgleisungen“ im Schauspielhaus Wien

Bild: ©Lex Karelly

Zwei Tage vor der Nationalratswahl hatte im Schauspielhaus ein Stück Premiere, das sich konkret mit der politischen Stimmung in Österreich beschäftigt. Das Schauspielhaus Graz und das Schauspielhaus Wien baten den 1986 in Oberösterreich geborenen Dramatiker Thomas Köck, literarisch auf die Innenpolitik des Landes zu reagieren. Herausgekommen ist mit „Chronik der laufenden Entgleisungen“ eine Art Tagebuch, in dem der Autor versuchte, das speziell Österreichische am globalen Rechtsruck zu reflektieren. Österreich als Avantgarde des Nazismus sollte man vielleicht unter UNO-Mandat stellen und Menschen, die hier einreisen wollen, klar vor den Gefahren warnen ist etwa eine seiner Überlegungen. Dabei beginnt Köck durchaus persönlich, indem er von seiner Biografie und seiner Familie aus Arbeitern berichtet. Seiner Mutter riet die Gymnasiallehrerin, ihn sofort von der Schule zu nehmen, weil der Bub einfach nicht in die bürgerliche Klasse passe. Überhaupt wundert sich der Autor durchaus zurecht, dass soziale Zugehörigkeit heutzutage nicht mehr wichtig ist. Die Arbeiterklasse scheint verschwunden, es gibt nur noch das anonyme Volk.

Die Regisseurin Marie Bues hat den Text geschickt in 6 Personen aufgespaltet. In rot-weiß-roten Adidas-Trainingsanzügen sind sie im „Haus Österreich“ immer in Bewegung, ein Kubus strukturiert den Raum, auf den mit Leinwänden umspannten Wänden können auch Bilder projiziert werden. Dazu gibt es rhythmisierte Live-Musik von Lila-Zoé Krauß, die selbst ab und zu Texte spricht. Otiti Engelhardt, Kaspar Locher, Sophia Löffler, Karola Niederhuber, Mervan Ürkmez und Tala Al-Deen agieren mit maximaler Präsenz. Ein starker Abend zwischen Rechtsradikalen-Polizeieinsätzen (natürlich in Oberösterreich) und der MacDonalds-Empfehlung des Kanzlers, der leider wenig Hoffnung auf einen Wahlausgang macht, der Österreich weiterbringen könnte.

Infos & Karten: schauspielhaus.at

„Liebes Arschloch“ von Virginie Despentes im Volkstheater

Bild: ©Marcel Urlaub

Ich muss zugeben, Virginie Despentes Roman „Liebes Arschloch“ habe ich im Vorjahr nach wenigen Seiten wieder weggelegt. Warum ein Buch über einen Aufreger in den Sozialen Netzen lesen – so plump sollte Literatur nicht sein. Jetzt also auf der großen Bühne. Der deutsche Regisseur Stephan Kimmig breitet die Vorwürfe und persönlichen Tragödien von nur drei Beteiligten – einen zu Selbstmitleid verkommenen Literaten, eine in die Jahre gekommene Schauspielerin und eine wütende junge Feministin – auf fast drei Stunden (mit Pause) aus. Das macht er teilweise auch sehr unterhaltend – vor allem weil die drei Darsteller – Birgit Unterweger als Diva, Paul Grill als sie anfangs beleidigender Schriftsteller und Irem Gökçen als seine Verlagsassistentin, die sich vor Jahren seiner sexuellen Belästigungen fast nicht erwehren konnte. Mit der Zeit ist es aber dann doch wie immer in den Sozialen Medien – es wird trotz der vielen Themen, die durchs Dorf getrieben werden – #metoo, Corona, Feminismus, Patriarchat, Hass im Netz und Alkohol- und Drogenmissbrauch – schnell langweilig. Dazu die üblichen Ingredienzien heutiger Inszenierungen. Es wird live auf die Leinwand übertragen, dazu viel – gute – Pop-Musik und die Drehbühne lässt munter zwischen den angedeuteten Wohnungen der Schauspielerin und des Literaten wechseln. Manchmal kommen sich die beiden sogar näher und tanzen zaghaft miteinander, man weiß freilich, dass sie sich nur schreiben, wenngleich gerade in diesen Szenen ihre große Einsamkeit spürbar wird. Aber vielleicht ist das ja das Problem heute: wir haben uns viel zu sagen, sprechen aber nicht mehr direkt miteinander.

Infos & Karten: volkstheater.at

Klassiker des Feminismus im Akademietheater

©Lalo Jodlbauer

Virginia Woolfs Roman „Orlando“, 1928 erschienen, ist quasi die Wiederentdeckung der schon in der Antike stark diskutierten Thematik vom natürlichen und gesellschaftlichen Geschlecht. Damals gab es die heute fast schon gebräuchlichen Begriffe „Non Binary“ oder „genderfluid“ natürlich noch nicht. Aber der Roman ist zu einem der wichtigsten literarischen Werke des Feminismus geworden, denn mitten in der Erzählung vom nicht alternden Jüngling Orlando, die sich vom 16. Jahrhundert bis zur Woolfs Gegenwart erstreckt, wird der Held zur Heldin und erlebt, wie sich weniger in ihm als in seiner Person in der Gesellschaft alles ändert. Es gibt zahlreiche Adaptionen, einen erfolgreichen Film von Sally Potter und eine Oper von Olga Neuwirth.

Im Akademietheater lässt die schwedischen Regisseurin Therese Willstedt in der Bühnenfassung von Tom Silkeberg Orlando von 7 Darstellerinnen und Darstellern spielen. Das bringt witzige Szenen, in denen die Figuren sich sozusagen selbst kommentieren und verschiedene Aspekte ihres langen Lebens einbringen. Der Schock, als Orlando sich plötzlich als Frau erlebt, wird dadurch aber natürlich verkleinert. Elisabeth Augustin, Markus Meyer, Seán McDonagh, Stefanie Dvorak, Nina Siewert, Martin Schwab und Itay Tiran zeigen große Spielfreude, das Premierenpublikum dankt ihnen auch mit viel Applaus. Eine Zwei-Stunden-Fassung eines großartigen Prosawerkes, das man aber vielleicht doch lieber lesen sollte. Wann ist den Theatern eigentlich der Mut, genuin neue, für die Bühne geschriebene Werke, zu spielen abhanden gekommen?

Infos & Karten: burgtheater.at