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Thomas Köcks „Chronik der laufenden Entgleisungen“ im Schauspielhaus Wien

Bild: ©Lex Karelly

Zwei Tage vor der Nationalratswahl hatte im Schauspielhaus ein Stück Premiere, das sich konkret mit der politischen Stimmung in Österreich beschäftigt. Das Schauspielhaus Graz und das Schauspielhaus Wien baten den 1986 in Oberösterreich geborenen Dramatiker Thomas Köck, literarisch auf die Innenpolitik des Landes zu reagieren. Herausgekommen ist mit „Chronik der laufenden Entgleisungen“ eine Art Tagebuch, in dem der Autor versuchte, das speziell Österreichische am globalen Rechtsruck zu reflektieren. Österreich als Avantgarde des Nazismus sollte man vielleicht unter UNO-Mandat stellen und Menschen, die hier einreisen wollen, klar vor den Gefahren warnen ist etwa eine seiner Überlegungen. Dabei beginnt Köck durchaus persönlich, indem er von seiner Biografie und seiner Familie aus Arbeitern berichtet. Seiner Mutter riet die Gymnasiallehrerin, ihn sofort von der Schule zu nehmen, weil der Bub einfach nicht in die bürgerliche Klasse passe. Überhaupt wundert sich der Autor durchaus zurecht, dass soziale Zugehörigkeit heutzutage nicht mehr wichtig ist. Die Arbeiterklasse scheint verschwunden, es gibt nur noch das anonyme Volk.

Die Regisseurin Marie Bues hat den Text geschickt in 6 Personen aufgespaltet. In rot-weiß-roten Adidas-Trainingsanzügen sind sie im „Haus Österreich“ immer in Bewegung, ein Kubus strukturiert den Raum, auf den mit Leinwänden umspannten Wänden können auch Bilder projiziert werden. Dazu gibt es rhythmisierte Live-Musik von Lila-Zoé Krauß, die selbst ab und zu Texte spricht. Otiti Engelhardt, Kaspar Locher, Sophia Löffler, Karola Niederhuber, Mervan Ürkmez und Tala Al-Deen agieren mit maximaler Präsenz. Ein starker Abend zwischen Rechtsradikalen-Polizeieinsätzen (natürlich in Oberösterreich) und der MacDonalds-Empfehlung des Kanzlers, der leider wenig Hoffnung auf einen Wahlausgang macht, der Österreich weiterbringen könnte.

Infos & Karten: schauspielhaus.at

„Liebes Arschloch“ von Virginie Despentes im Volkstheater

Bild: ©Marcel Urlaub

Ich muss zugeben, Virginie Despentes Roman „Liebes Arschloch“ habe ich im Vorjahr nach wenigen Seiten wieder weggelegt. Warum ein Buch über einen Aufreger in den Sozialen Netzen lesen – so plump sollte Literatur nicht sein. Jetzt also auf der großen Bühne. Der deutsche Regisseur Stephan Kimmig breitet die Vorwürfe und persönlichen Tragödien von nur drei Beteiligten – einen zu Selbstmitleid verkommenen Literaten, eine in die Jahre gekommene Schauspielerin und eine wütende junge Feministin – auf fast drei Stunden (mit Pause) aus. Das macht er teilweise auch sehr unterhaltend – vor allem weil die drei Darsteller – Birgit Unterweger als Diva, Paul Grill als sie anfangs beleidigender Schriftsteller und Irem Gökçen als seine Verlagsassistentin, die sich vor Jahren seiner sexuellen Belästigungen fast nicht erwehren konnte. Mit der Zeit ist es aber dann doch wie immer in den Sozialen Medien – es wird trotz der vielen Themen, die durchs Dorf getrieben werden – #metoo, Corona, Feminismus, Patriarchat, Hass im Netz und Alkohol- und Drogenmissbrauch – schnell langweilig. Dazu die üblichen Ingredienzien heutiger Inszenierungen. Es wird live auf die Leinwand übertragen, dazu viel – gute – Pop-Musik und die Drehbühne lässt munter zwischen den angedeuteten Wohnungen der Schauspielerin und des Literaten wechseln. Manchmal kommen sich die beiden sogar näher und tanzen zaghaft miteinander, man weiß freilich, dass sie sich nur schreiben, wenngleich gerade in diesen Szenen ihre große Einsamkeit spürbar wird. Aber vielleicht ist das ja das Problem heute: wir haben uns viel zu sagen, sprechen aber nicht mehr direkt miteinander.

Infos & Karten: volkstheater.at

Klassiker des Feminismus im Akademietheater

©Lalo Jodlbauer

Virginia Woolfs Roman „Orlando“, 1928 erschienen, ist quasi die Wiederentdeckung der schon in der Antike stark diskutierten Thematik vom natürlichen und gesellschaftlichen Geschlecht. Damals gab es die heute fast schon gebräuchlichen Begriffe „Non Binary“ oder „genderfluid“ natürlich noch nicht. Aber der Roman ist zu einem der wichtigsten literarischen Werke des Feminismus geworden, denn mitten in der Erzählung vom nicht alternden Jüngling Orlando, die sich vom 16. Jahrhundert bis zur Woolfs Gegenwart erstreckt, wird der Held zur Heldin und erlebt, wie sich weniger in ihm als in seiner Person in der Gesellschaft alles ändert. Es gibt zahlreiche Adaptionen, einen erfolgreichen Film von Sally Potter und eine Oper von Olga Neuwirth.

Im Akademietheater lässt die schwedischen Regisseurin Therese Willstedt in der Bühnenfassung von Tom Silkeberg Orlando von 7 Darstellerinnen und Darstellern spielen. Das bringt witzige Szenen, in denen die Figuren sich sozusagen selbst kommentieren und verschiedene Aspekte ihres langen Lebens einbringen. Der Schock, als Orlando sich plötzlich als Frau erlebt, wird dadurch aber natürlich verkleinert. Elisabeth Augustin, Markus Meyer, Seán McDonagh, Stefanie Dvorak, Nina Siewert, Martin Schwab und Itay Tiran zeigen große Spielfreude, das Premierenpublikum dankt ihnen auch mit viel Applaus. Eine Zwei-Stunden-Fassung eines großartigen Prosawerkes, das man aber vielleicht doch lieber lesen sollte. Wann ist den Theatern eigentlich der Mut, genuin neue, für die Bühne geschriebene Werke, zu spielen abhanden gekommen?

Infos & Karten: burgtheater.at

Hamlet ist viele – Saisonstart an der Burg

©Lalo Jodlbauer

Mit „Hamlet“ in der Regie von Karin Henkel begann die neue Burgtheater-Ära unter Intendant Stefan Bachmann. Die Regisseurin hat dabei den Prinzen von Dänemark in 5 Figuren (2 Frauen, 3 Männer) aufgespalten, wobei jede Figur einen der vielen Charaktere Hamlets widerspiegelt – von draufgängerisch bis zu zögerlich abwartend und nachdenklich. Marie-Luise Stockinger, Katharina Lorenz, Tim Werths, Benny Claessens und Alexander Angeletta liefern das adäquat ab. Gleich zu Beginn stimmt Karin Henkel den Abend komödiantischer an, als man dieses vielleicht berühmteste aller Dramen erwarten würde. Ein riesiges Ensemble an Geistern mit weißen Leintüchern soll Hamlet zur Rache an den Vater bewegen, der Mörder Claudius gibt unvermutet Regieanweisungen. Und so chargiert diese Inszenierung fast 3 Stunden lang (inklusiver Pause) zwischen Dramatik und Klamauk. Hamlets Mutter Gertrud (Kate Strong) verfällt immer wieder ins Englische, niemand weiß warum. Michael Maertens als Brudermörder bringt den ihm eigenen Komödienton ein und appelliert immer wieder an die Vernunft. Dass die Hamlets auch alle anderen Figuren spielen, passt da gut in das Gesamtbild. Ein sicher kurzweiliger Abend mit etwas wenig Shakespeare und einer Prise Heiner Müller („Die Hamletmaschine“) als Botschaft von einer immer komplizierter werdenden Welt. Dass die finale Degenszene und somit das große Morden nur nacherzählt werden, enttäuscht dann aber doch.

Infos & Karten: burgtheater.at

Die Zeit anhalten – Kino auf der Bühne bei „Bullet Time“ am Volkstheater

©Marcel Urlaub

Ein Western am Theater? Warum nicht – Alexander Kerlin hat ein Stück über „Die Geburt des Kinos aus dem Geiste eines Mörders“ geschrieben, konkret geht es um den Fotografen Eadweard Muybridge, der im Auftrag des amerikanischen Eisenbahn-Milliardärs Stanford dessen schnelles Lieblingspferd Occident beim Galopp ablichten soll – und zwar so, dass geklärt werden kann, ob es einen Augenblick gibt, in dem das Pferd nicht mehr den Boden berührt. Das war im 19. Jahrhundert freilich ein technisches Problem, Verschluss und Fixierungsmaterial mussten erst entwickelt werden. Doch Muybridge wurde auch zum Mörder seines Nebenbuhlers, mit dem sich seine Frau in den langen Zeiten seiner Abwesenheit getröstet hatte. Die Gerichtsverhandlung in dessen Verlauf Muybridge freigesprochen wird, bildet die Klammer des Abends.

VT-Chef Kai Voges lädt uns in seinem Theater dabei zu einem Filmabend, eine riesige Leinwand beherrscht die Bühne, mehrere Kameras liefern Live-Bilder von den auf der Bühne gespielten Szenen. Das in historisch inspirierten Kostümen tapfer agierende Ensemble (Frank Genser, Lavinia Nowak, Anke Zillich, Evi Kehrstephan, Fabian Reichenbach, Uwe Rohbeck, Elias Eilinghoff, Uwe Schmieder, Claudia Sabitzer, Christoph Schüchner) wird zur Filmcrew. Oft sieht man sie gar nicht mehr, weil die Kameras sie verdecken.

Der Abend bietet gute Unterhaltung. Es ist natürlich witzig zu erfahren, dass man den ersten Zeitlupe-Bildern des galoppierenden Pferdes nicht traute und nach Betrug rief, während heute Fake News mit manipulierten Bildern fast schon die Regel sind. Der Regisseur scheint von der Fülle an Bezügen zu heute allerdings geradezu berauscht, das Finale gerät unnötigerweise allzu pathetisch.

Infos & Karten: volkstheater.at

September – Arnold Schönberg Uraufführung „UND PIPPA TANZT!“ in der Galerie bel etage

Foto: Arnold Schönberg Center, Wien, Schönberg 1907, im Hintergrund Mathilde Schönberg

Wienlive-Mitarbeiter und Kolumnist Otto Brusatti präsentiert im Schönberg-Gedenkjahr (150. Geburtstag am 13. September) ein vergessenes Fragment mit einem hochkarätigen Ensemble:  UND PIPPA TANZT!

Aus den überlieferten Skizzen Schönbergs zu einem Musik-Bühnenstück nach dem Märchendrama in 4 Akten „UND PIPPA TANZT!“  von Gerhart Hauptmann.

Neu eingerichtet als vielfältiges Musik-Kammerspiel für 6 SolistInnen (im expressiven Naturalismus des beginnenden 20. Jahrhunderts, sowie aus Schubert und bis in die Jetztzeit)

Musik: Trio Stippich (Maria/Helmut/David) und Otto Brusatti (auch Gestaltung und Sprechrollen), Schauspiel: Julia Prock-Schauer, Tanz: Elisabeth Kneissl

Schönberg hinterließ Entwürfe; aber: kombiniert mit Musik zwischen Schubert und Aktuellem wird erstmals ganz „Neue Musik“ der überraschenden Art geschaffen!

Theatralisch: ausgerissen, absurd-realistisch, in Bewegung, ein andres Musiktheater …
Inhaltlich: (ACHTUNG) weiterhin aktuell mit Brutalem, Süßem, Aggressivem, Frauenverachtendem …

12. September, 19 Uhr
Galerie bel etage Kunsthandel
Mahlerstraße 15, 1010 Wien

Eine Anmeldung für die Performance und Uraufführung um 19 Uhr ist unbedingt erforderlich unter:
office@beletage.com  oder  schoenberg.pippatanzt@gmail.com

Mehr Ohren- als Augenschmaus bei Kaiserwetter im Kaiserhof

operklosterneuburg bringt Bellinis „Norma“

„Melodien schöner als Träume“ – urteilte Richard Wagner über Bellinis Norma trotz seiner lebenslang geübten Skepsis gegenüber italienischen Opern. „Norma“ ist vielleicht „die“ Belcantooper schlechthin. Berühmt geworden in den 1950igern in fesselnden Aufführungen mit Maria Callas, gipfelt die Handlung im Höhepunkt eines der größten musikdramatischen Frauenmonologe, der Arie „Casta Diva“, und fulminanten Duetten zwischen der Titelheldin Norma und ihrer Rivalin Adalgisa – mit Karina Flores in der Titelpartie und Margarita Gritskova als Adalgisa sind zwei hervorragende Sängerinnen zu hören.

Großes Drama und große Gefühle nicht nur auf der Bühne: Im Dezember des Vorjahrs hatte der langjährige Intendant Michael Garschall seinen Rücktritt bekanntgegeben. Die von ihm noch geplante Oper wurde nun von Franz Brenner, Geschäftsführer der operklosterneuburg und Kulturamtsleiter der Stadtgemeinde, sowie vom Leading Team allein auf die Bühne gebracht. In Klosterneuburgs prächtigem Kaiserhof inszenierte die Rumänin Monica I. Rusu-Radman über weite Passagen eher kammerspielartig, Hans Kudlich ließ einen monumentalen Druiden-Hain hinter die Stiftsmauern bauen, mit einem mondhellen Felsen und einem güldenen Mondtor.

Die Produktion von „Norma“ wartet mit prominenter internationaler Besetzung auf: Karina Flores und Arthur Espiritu als Norma und Pollione sowie Margarita Gritskova als Rivalin Adalgisa bescheren dem Publikum einen spannenden und mitreißenden Opernabend.

Als Oroveso debütierte der junge Bass Benjamin Pop. Das Dirigat liegt in den bewährten Händen von Christoph Campestrini, der auch die spezielle Fassung der Oper für Klosterneuburg erstellt hat.

Tickets

Bestellhotline Tel. 02243 444 – 351
E-Mail: kulturamt@klosterneuburg.at
Kartenbestellformular: www.operklosterneuburg.at
Online Ticketkauf: https://shop.eventjet.at/klosterneuburg


Amouröse Verwirrungen in der Sommerfrische mit viel Italianità!

Foto: ©Astrid Knie

Das Theater in der Josefstadt spielt Carlo Goldonis „Trilogie der Sommerfrische” mit starker Ensembleleistung.

Endlich Sommer, endlich ans Meer! Auch Giacinta, eine moderne, unabhängige Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen möchte, will der Großstadthitze entfliehen, zuvor soll sie sich allerdings noch für einen Heiratskandidaten entscheiden: Ihre Wahl fällt auf Leonardo. Auf dem Land gerät Giacinta jedoch schnell in einen Konflikt zwischen Liebe und Loyalität, denn Guglielmo, der wiederum mit Leonardos Schwester Vittoria verlobt wird, hat nun ihr Herz erobert. Am Ende bleiben zwei enttäuschte Paare in Vernunftehen zurück.

Regisseur Janusz Kica bringt Goldonis Tragikomödie aus dem Jahr 1761 mit Tempo, Slapstick und viel Musik auf die Bretter der Josefstadt. Große Paneele ermöglichen schnelle Szenenwechsel. Charaktere und Sprache der Personen sind auch heute noch interessant. Juliette Larat lässt als Giacinta etwas an Erotik vermissen, Paula Nocker spielt sowohl die nervtötende Zicke als auch die unglücklich liebende Vittoria sehr überzeugend. Claudius von Stolzmann lässt als Leonardo schon einmal seinen Schuh in den Schnürboden fliegen und zertrümmert beinahe einen Sessel vor Eifersucht, ganz leidenschaftlicher Liebhaber in Bedrängnis. Sein Gegenspieler Gugliemo (Alexander Absenger) tut so als ginge ihn das alles nichts an, während Raphael von Bargen mit nackter Brust im Goldoutfit den Loverboy für die Witwe Sabina (herrlich unaufgeregt und glaubwürdig Marianne Nentwich) mimt. Höhepunkte des fast dreistündigen Abends liefert Marcello De Nardo als Leonardos Diener Cecco, der italienische Sommerhits perfekt ins Mikrofon trällert.

Insgesamt bieten die 14 Schauspielerinnen und Schauspieler in der Inszenierung, die ohne allzu viele Plattitüden auskommt, eine überzeugende Ensembleleistung zwischen Komik und Tiefgang.


josefstadt.org/karten

Festspiele Reichenau – Klassiker prominent besetzt

Foto: ©Lalo Jodlbauer

Die Festspiele Reichenau 2024 bieten ein facettenreiches Programm quer durch die österreichische Dramatik. Johann Nestroys „Lumpazivagabundus“, Arthur Schnitzlers „Anatol“, Thomas Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ sowie Ödön von Horváths „Der jüngste Tag“ stehen auf dem Programm. 

Maria Happel selbst wird Horvaths „Der jüngste Tag“ inszenieren. Ein Stück, das sich, wie sie meint, perfekt in die Landschaft in und um Reichenau einfügt. (Premiere 7. Juli) Mit Burgschauspieler Daniel Jesch als Stationsvorstand Thomas Hudetz ist die Hauptrolle vielversprechend besetzt. An seiner Seite spielen unter anderen Mercedes Echerer, Nicolaus Hagg, Johanna Mahaffy oder Kaspar Simonischek. 

Weiters u.a. zu sehen in Reichenau: AntoN Widauer, Claudius von Stolzmann, Stefan Jürgens, Julia Stemberger, Miriam Fussenegger, Paula Nocker, Thomas Frank, Florian Carove und viele andere.

Tickets & Informationen unter festspiele-reichenau.at

Milo Raus „Medea’s Kinderen“ war ein Höhepunkt der Wiener Festwochen

Foto: ©Michiel Devijver

Euripides „Medea“ ist nicht nur ein Flüchtlings-Drama, sondern auch ein Stück über einen unerhörten Kindermord verübt durch die Mutter der Opfer. Dass eine Mutter ihre Kinder umbringt entzieht sich völlig unserem Verständnis, gilt doch die Mutterliebe als  geradezu heilig. Festwochenintendant Milo Rau hat jetzt die antike Medea mit einem tatsächlichen Kindermord vor 15 Jahren in Belgien verwoben. Und: er lässt das durch 6 Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren spielen.

Der Abend im Jugendstiltheater beginnt ganz harmlos. Wir sollen glauben, dass die Vorstellung schon vorbei ist und jetzt ein Publikumsgespräch stattfindet. Ein Spielleiter fragt die Kinder – gespielt wird in Niederländisch mit Übertiteln – wie es ihnen denn so ergangen ist am Theater. Nach und nach wollen die Buben und Mädchen aber doch wieder spielen und wir erleben sowohl die Geschichte der Medea als auch das tragische Schicksal einer Familie in Ostende. Dort hatte eine Frau ihren 5 Kindern nach und nach die Kehle aufgeschlitzt, um dann an ihrem eigenen Selbstmord zu scheitern. Ihr Mann, ein Marokkaner war mutmaßlich auch homosexuell, er hatte jedenfalls einen reichen Gönner und war immer länger bei diesem geblieben. 

Sehr klug arrangiert Rau die Szenen und durchaus atemberaubend performen die Kinder – sie schlüpfen in mehrere Rollen, immer wieder werden auch Hintergründe auf einer Leinwand aufgezogen. Fast unerträglich nah sehen wir dann am Schluss auch die Morde – eine emotionelle Zumutung. Mit vielen Fragen und überwältigt vom Können der Darstellerinnen und Darsteller bleibt das Publikum nachdenklich zurück. Anders als in Raus Mozart-Opern-Version des Tito wirkt hier nichts aufgesetzt oder erzwungen. Eine beispielhafte Theaterarbeit. 


festwochen.at