Beiträge

Im Schlachthaus der Geschichte – „Animal Farm“ von Alexander Raskatov in der Staatsoper

Im Schlachthaus der Geschichte – „Animal Farm“ von Alexander Raskatov in der Staatsoper

Szenenfoto. – ©Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Schullektüre, verstaubt – ein Relikt aus dem Kalten Krieg: Die Romanparabel „Animal Farm“ – immerhin bereits vor dem Ende des 2. Weltkrieges vom enttäuschten Kommunisten George Orwell geschrieben – galt längst als veraltet und uninteressant. Seitdem sich Russland wieder in Richtung der Stalin-Sowjetunion entwickelt, wirkt diese Geschichte einer Revolution, die sich in Windeseile in ein totalitäres System verwandelt, aber wieder hochaktuell. Der schon lange in Frankreich lebende russische Komponist Alexander Raskatov, der übrigens just an dem Tag zur Welt kam, als Stalin begraben wurde, bekam aber den Auftrag zur Vertonung von „Animal Farm“ längst vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine. Und – wie die Aufführung in der Wiener Staatsoper zeigt – ist seine Oper kein Russen-Bashing, sondern eine höchst zeitgemäße Allegorie auf den Verrat humanistischer Ideen im Politalltag.

In nur knapp zweieinhalb Stunden (mit Pause) sehen wir in der Staatsoper die Metamorphose einer Demokratie in eine Diktatur am Beispiel eines Bauernhofes, in dem die Tiere die Herrschaft an sich gerissen haben. In der Inszenierung von Damiano Michieletto spielt „Animal Farm“ gleich in einem Schlachthaus – eine Farm ist schließlich kein Ponyhof, wir sind sozusagen im Schlachthaus der Geschichte gefangen. Und schließlich wird das unermüdlich arbeitende Pferd Boxer (Stefan Astakhov) dann auch tatsächlich geschlachtet und wiederverwertet.

Anfangs tragen noch alle Darsteller Tiermasken, nach und nach werden sie dann sozusagen zu Menschen – verrohen also nachhaltig. Raskatov hat geschickt Tierlaute in die Partitur eingebaut, ohne das Ganze dadurch zu verniedlichen. Überhaupt ist seine Musik ebenso unterhaltsam wie abwechslungsreich, ein Klangteppich, an dem man sich – trotz großer Dramatik – auch erfreuen kann. Und es gibt gute Rollen, denn nicht nur die schweinischen Widersacher Napoleon (Bassbariton Wolfgang Bankl als „Stalin“) und Snowball (Michael Gniffke als „Trotzki“) haben ihre großen Auftritte. Dem Raben Blacky (Elena Vassilieva) haben die Librettisten – neben dem Komponisten auch Ian Burton eine wesentliche Rolle als grausamen Beobachter und Einsager zugestanden. Andrei Popov singt den Geheimdienstchef („Beria“), der ihm nicht willige Tiere kurzerhand über die Klinge springen lässt.

Der britische Dirigent Alexander Soddy bringt die Farbigkeit der Musik mit dem exzellenten Orchester der Staatsoper optimal zur Geltung. Man kann in dieser Inszenierung sowohl im Text als auch in der Musik vieles entdecken. Verdienter Jubel vom Publikum bei der Premiere.

Weitere Aufführungen am 2., 5., 7. und 10. März

www.wiener-staatsoper.at

Szene aus „Iphigenie auf Tauris“. – ©Marcella Ruiz Cruz

Humanismus im Barbarenland – „Iphigenie auf Tauris“ in der Regie von Ulrich Rasche am Akademietheater 

Szene aus „Iphigenie auf Tauris“. – ©Marcella Ruiz Cruz

Stillstand gibt es bei Ulrich Rasches Interpretation von Johann Wolfgang von Goethes Ideendrama „Iphigenie auf Tauris“ tatsächlich keinen, denn alle Figuren bewegen sich gegen die sich permanent drehende Bühne. Ein eindrucksvolles Bild, das sich in den zweieinhalb Minuten der Aufführung auch nicht abnützt. Auch die Sprache folgt einem strengen Duktus mit manchmal ungewöhnlichen Betonungen. Und die Musik – ein elektronisch und oft auch bedrohlich anmutender Soundteppich (Komposition und musikalische Leitung: Nico van Wersch – Schlagwerk: Katelyn King, Keyboards: Benjamin Omerzell) – macht ebenfalls niemals Pause. Ein herausfordernder Job für alle Darsteller (Daniel Jesch, Ole Lagerpusch, Maximilian Pulst, Enno Trebs), allen voran Julia Windischbauer als Iphigenie, die sich in der Männerwelt von Tauris durchsetzen muss. Schon in der ersten Szene tragen die Männer durchsichtige T-Shirts und kommen der weiß gekleideten einzigen Frau erschreckend nahe.

Iphigenie hat nämlich wirklich keine einfache Aufgabe. Sie muss die Werbung des Königs ausschlagen und wenig später auch noch den Bruder Orest retten, der die eigene Mutter ermordete, um sich an dem Vatermord zu rächen. Dabei herrschte auf Tauris lange Zeit die barbarische Sitte, jeden Fremden kurzerhand den Göttern zu opfern.

Ulrich Rasche hat auch das Bühnenbild gestaltet, das nur aus viel Nebel vor schwarzem Hintergrund und einer aus LED-Stäben geformten Säule besteht, die während des Abends die verschiedensten Positionen einnehmen kann. In Goethes Drama passiert bekanntlich nicht viel und doch alles, wird doch das Fundament unserer Gesellschaft verhandelt – der Humanismus, der leider aktuell wieder allerorts sich auf dem Rückzugskampf befindet. So gesehen ist „Iphigenie auf Tauris“ in dieser für Zuseher ebenso fordernden wie schlüssigen Inszenierung das Stück der Stunde.


Infos & Karten: burgtheater.at

Szene aus „Heit bin e ned munta wuan“. – ©Marcel Urlaub

„Heit bin e ned munta wuan“ im Volkstheater von Wolfgang Menardi

Szene aus „Heit bin e ned munta wuan“. – ©Marcel Urlaub

Die Bühne zeigt die offenbar große Wohnung der Frau Q im heruntergekommenen Zustand aus den 70er-Jahren, reichlich mit Kitsch, ausgestopften Vögeln und Nippes bestückt. Mittels Textausschnitten von Autoren der Wiener Gruppe wie H.C. Artmann, Konrad Bayer, Friedrich Achleitner, Oswald Wiener und Gerhard Rühm erleben wir in gut anderthalb Stunden das trübe Schicksal dieser von Samouil Stoyanov großartig dargestellten, etwas fülligen Frau Q, ihre ungesunde Liebe zu einem viel jüngeren Nachbarn (Matteo Haitzmann) von gegenüber und ihren Kampf mit dem Telefon, das immer wieder hartnäckig läutet und Frau Q einen Stromstoß versetzt. Zwischendurch stimmt Claudia Sabitzer als ehrwürdiger Pompfüneberer vor dem Vorhang auf das urwienerische Thema des Abends – den Tod – ein. Ihr Text stammt aus dem Dokumentarfilm „Die Pompfüneberer“ (1994) von Arpad Bondy und Margit Knapp. Und im kleinen TV in der Wohnung läuft entweder Edith Klingers legendäre Tiersendung „Wer will mich?“ oder ein Sissi-Film. Dabei wird Frau Q gespiegelt von einem famosen Musiktrio im gleichen bieder-spießbürgerlichen Outfit (Ingrid Eder, Flora Geißelbrecht, Sixtus Preiss), denn viele der Texte werden gesungen.

Das ergibt einen kurzweiligen Abend mit viel Spaß beim Entdecken neuer Details in diesem morbiden Wienerisch-Setting. Die Handlung – Frau Q ermordet schließlich den Nachbarn und begeht Selbstmord – hätte man eher nicht gebraucht. Und die Sissi-Franzl-Kostüme gegen Ende geben der Geschichte eine etwas zu platte Wendung. Am Ende tanzt Frau Q noch einen makabren Totentanz mit ihrem nackten Angebeteten – ebenso schaurig wie peinlich.

Infos und Karten: volkstheater.at

Der sogenannte „Heldenplatz-Skandal“ gehört zur österreichischen Zeitgeschichte wie der Einsturz der Reichsbrücke oder der Autounfalltod Jörg Haiders. Es ranken sich viele Legenden um das letzte große Stück Thomas Bernhards, der nur Monate später 1989 verstorben ist.

Frank Castorfs Theatermarathon mit Thomas Bernhards „Heldenplatz“ am Burgtheater

Szene aus dem Stück. – ©Matthias Horn

Der sogenannte „Heldenplatz-Skandal“ gehört zur österreichischen Zeitgeschichte wie der Einsturz der Reichsbrücke oder der Autounfalltod Jörg Haiders. Es ranken sich viele Legenden um das letzte große Stück Thomas Bernhards, der nur Monate später 1989 verstorben ist.

Dass man „Heldenplatz“ heute nicht mehr so spielen kann, wie bei der wunderbar präzisen Uraufführung unter Claus Peymann, war von Anfang an klar. Zumal der Deutsche Frank Castorf ja auch nicht für werkgetreue Inszenierungen bekannt wurde. Und die mehr als 5-stündige Aufführung am Burgtheater demonstriert auch eindrucksvoll die Gefahren, die ein unreflektierter „Heldenplatz“ mit sich bringen kann. Die stärksten Szenen im Stück – etwa der Monolog des Professors über die verkommenen Österreicher – allesamt Nazis – erregen noch immer die größte Aufmerksamkeit, doch sind sie nur um Haaresbreite von affirmativer Folklore entfernt. Im Burgtheater spricht – ja schreit fast – Birgit Minichmayr die berühmten „Österreich-Schmähungen“ des Professors (alle spielen an dem Abend alle) eingewickelt wie eine Mumie. In diesem Kostüm kann sie sich kaum bewegen, schafft es zur Erheiterung des Publikums aber dennoch, sich auf einen Sessel zu legen und herumzuwirbeln. Ein Höhepunkt des Abends. Derart verfremdet kann man dem Spiel gut folgen.

Mindestens ebenso präsent wie das Bernhard-Stück sind allerdings Texte von Thomas Wolfe („Nur die Toten kennen Brooklyn“) und John. F. Kennedy. Beide hatten Europa bereist, als die Nazis schon in Deutschland herrschten. Man lobt etwa die Sauberkeit der deutschen Städte im Gegensatz zu den italienischen und spanischen. Zwischendurch singen Inge Maux und Minichmayr Lieder auf Jiddisch. Wir befinden uns nämlich nicht in Wien am Heldenplatz, sondern – wie schon das Bühnenbild (Alexandar Denić) klarmacht – in New York beim Abgang einer Subway. Und hier, im Untergrund, spielen auch einige zentrale Szenen, die wie bei Castorf gewohnt, via Live-Video auf eine große Leinwand übertragen werden. Da will etwa ein älterer Mann (Branko Samarovski) Brooklyn erkunden, unter Zuhilfenahme eines großen Stadtplans – immer wieder wird an dem Abend eine globale Heimatlosigkeit angesprochen. Und wo Fremde sind, ist der Faschismus nicht weit. „Ihnen solt ma umbringen“ steht in Leuchtbuchstaben im Himmel von New York – wohl ein Ausspruch, den Bernhard 1988 oft hören konnte. Und Marie-Luise Stockinger rettet sich im geschickt inszenierten Video als Angebetete auf den Balken eines gerade entstehenden Hochhauses. Alle Darsteller (Marcel Heuperman, Inge Maux, Birgit Minichmayr, Franz Pätzold, Branko Samarovski, Marie-Luise Stockinger) leisten wirklich Großartiges. Und die meisten Zuseher beweisen Sitzfleisch: Man bekommt neben eindrucksvollen Momenten voller Magic und Poesie nämlich durchaus Passagen zu hören, die man kaum einordnen und aufgrund der Länge des Abends kaum mehr aufnehmen kann. Trotzdem: Wer sich auf die ausufernde Produktion einlässt, weiß danach zumindest, was Theater heutzutage noch zu leisten vermag.

Infos & Karten: burgtheater.at

Science-Fiction auf der Bühne – „Die Angestellten“ im Volkstheater

Science-Fiction auf der Bühne – „Die Angestellten“ im Volkstheater

Szenenbild aus „Die Angestellten“. – ©Marcel Urlaub

7 Darstellerinnen und Darsteller in bunten Kostümen (von Felix Siwiński) bewegen sich mit oder gegen den sich drehenden Bühnenuntergrund, in dessen Zentrum eine Keramikskulptur von Ulrike Zerzer steht. Dazu riesige Videowalls, die das sparsame Geschehen auf der Bühne übertragen – gefilmt von einem schwenkbaren Industrieroboter. Wir sind im 22. Jahrhundert und Menschen und Androide arbeiten gemeinsam auf einem Raumschiff – äußerlich völlig ununterscheidbar. Aus dieser Konstellation kann man, wie bereits vielfach geschehen (etwa durch Stanislaw Lem oder in den Alien-Filmen), spannende Storys machen. Im Volkstheater bastelte der Münchner Regisseur Alexander Giesche aus dem Debütroman der 38-jährigen Dänin Olga Ravn „Die Angestellten“ ein „Visual Poem über Arbeit im 22. Jahrhundert“ so die Selbstbeschreibung.

Über die Arbeit auf dem Raumschiff erfahren wir allerdings herzlich wenig und auch der naheliegende Konflikt zwischen Mensch und Maschine wird höchstens angedeutet und schlägt sich nicht in einer Handlung nieder. Das engagierte Schauspielteam (Elias Eilinghoff, Frank Genser, Hasti Molavian, Lavinia Nowak, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck, Birgit Unterweger) darf nach und nach Monologe halten – ein Lichtstab zeigt an, wer dran ist. Spätestens wenn dann alle gemeinsam Monopoly spielen, beginnen bereits Zuschauer abzuwandern. Der Rest schaltet irgendwann ab oder genießt bestenfalls die Theatertechnik – Videos werden arg verfremdet und die Nebelmaschine darf zeigen, was sie kann (Bühne und Lightdesign: Matthias Singer). Es ist schon seltsam wie oft zurzeit an Wiener Bühnen den Stärken des Theaters – etwa dem Dialog – misstraut wird und das Publikum stattdessen mit filmischen Effekten entschädigt werden soll.

Infos & Karten: volkstheater.at

Spätestens mit der Romantik beginnen Dichter intensiv darüber zu reflektieren, was Maschinen – zumal menschlich aussehende – mit uns machen. Und deswegen ist es nicht weit hergeholt, wenn Regisseur Bernd Liepold-Mosser aus der Horrorgeschichte „Der Sandmann“ mit der künstlich lebendigen Aufziehpuppe Olimpia ein aktuelles Stück gegen den Transhumanismus macht.

„Der Sandmann“ als musikalisches Schauermärchen im Theater Das TAG

„Der Sandmann“ ist ein Stück gegen den aufstrebenden Transhumanismus. – ©Stefanie Kleindopp / Anna Stöcher

Spätestens mit der Romantik beginnen Dichter intensiv darüber zu reflektieren, was Maschinen – zumal menschlich aussehende – mit uns machen. Und deswegen ist es nicht weit hergeholt, wenn Regisseur Bernd Liepold-Mosser aus der Horrorgeschichte „Der Sandmann“ mit der künstlich lebendigen Aufziehpuppe Olimpia ein aktuelles Stück gegen den Transhumanismus macht. Schließlich zieht bereits bei Hoffmann die Geliebte gegen die Maschine den Kürzeren im Kampf um den Studenten Nathanael. Denn Olimpia widerspricht nicht, sondern sieht ihn stets mit verliebtem Blick an.

Das musikalische Schauermärchen hätte eigentlich schon 2020 uraufgeführt werden sollen – doch die Pandemie vereitelte dies. Und so ging die Produktion stark überarbeitet und mit mehr Musik ausgestattet zuerst nach Villach und hatte jetzt in der Gumpendorfer Straße Premiere. Naked-Lunch-Mitbegründer Oliver Welter spielt seine Musik – unterstützt von Alf Peherstorfer  live auf der Bühne – er performt sogar einige Songs solo. Das ist nicht nur gut zum Transport der Message, sondern macht auch echt eine besondere Stimmung. Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel und Georg Schubert spielen die Rollen. Quasi die Seele der Puppe sind die Augen, die der Wetterglashändler Coppola herstellt und sorgsam bewacht. Dass der Sandmann Coppelius heißt, legt nahe, dass es ein und dieselbe Person ist. In der Romantik liebte man die Andeutung. Nach 80 Minuten musikalisches Theater haben Besucher jedenfalls viel zum Nachdenken.

Infos & Karten: dastag.at

Vor 100 Jahren starb in Kierling bei Wien der 40jährige Franz Kafka an Tuberkulose. Im Gedenkjahr gibt es auch in Wien, der Stadt, die er nicht wirklich mochte, viele Veranstaltungen und Aktivitäten. Der Kabarettist Thomas Maurer stellte jetzt im Rabenhoftheater sein Programm „Maurer.Kafka.Komisch“ vor.

Maurer.Kafka.Komisch – Thomas Maurer präsentiert die komischen Seiten Franz Kafkas im Rabenhof

Thomas Maurer ist am 27. 1., 24. 2. und 24. 3. mit „Maurer.Kafka.Komisch“ im Rabenhof zu sehen. – ©Pertramer/Alamy/Rabenhof

Vor 100 Jahren starb in Kierling bei Wien der 40jährige Franz Kafka an Tuberkulose. Im Gedenkjahr gibt es auch in Wien, der Stadt, die er nicht wirklich mochte, viele Veranstaltungen und Aktivitäten. Der Kabarettist Thomas Maurer stellte jetzt im Rabenhoftheater sein Programm „Maurer.Kafka.Komisch“ vor. Im ersten Teil las er – sehr pointiert – Skizzen, Fabeln und Ausschnitte aus dem Prozess und der Verwandlung. Nach der Pause wurde es dann wirklich skurril, weil Mauerer da weniger bekannte Stellen aus den Tagebüchern und Briefen brachte. Köstlich etwa die Episode in einer alternativen Kuranstalt, wo alle nackt herumlaufen und wegen der Kost – wenig gekochte Hülsenfrüchte – an Flatulenzen leiden. Das sind Szenen, die an Charly Chaplin erinnern.

Die Briefe an Milena aus Meran zeichnen das Bild eines entschlussunfähigen, zerrissenen Charakters. Kafka ändert täglich seine Meinung, ob er seine Geliebte bei seiner Rückkehr nach Prag in Wien besuchen wird oder nicht. Kafka von Mauerer gelesen ist einfach ein Genuss. Zwischendurch bringt der Kabarettist auch viel aus der Biografie des Schriftstellers unter. Ich weiß jetzt nicht, ob an den eimischen Gymnasien noch viel Kafka gelesen wird – nach dem Besuch dieses Abends würden aber auch lesefaule Schüler wieder zu seinen Werken greifen.

„Maurer.Kafka.Komisch“ steht im Rabenhof wieder am 27.1., 24.2. und 24.3. am Programm.
rabenhoftheater.at

Schon am Samstag hat Kafkas „Die Verwandlung“ am Akademietheater Premiere.
burgtheater.at/akademietheater

Und am 29.1., 19 Uhr, wird das Buch „Für K.“ im Augustinertrakt der Nationalbibliothek präsentiert – mit Kurzgeschichten heutiger Autorinnen und Autoren im Gedenken an Franz Kafka.

Fleißiger Autor: Im Theater in der Josefstadt gibt es innerhalb weniger Monate schon die zweite Uraufführung eines Stückes von Peter Turrini.

Uraufführung von Peter Turrinis „Es muss geschieden sein“ im Theater in der Josefstadt

Bild: ©Moritz Schell

Fleißiger Autor: Im Theater in der Josefstadt gibt es innerhalb weniger Monate schon die zweite Uraufführung eines Stückes von Peter Turrini. Nach alten grantigen Männern – „Bis nächsten Freitag“ im November – hat sich der Kärntener Autor einem historischen Thema gewidmet.

Wien im März 1848. In der Stadt rebellieren die Studenten gegen den Kaiser, während das Volk an Hunger leidet. Mittendrin der Überlebenskünstler Adam Holzapfel, der sich ein paar Kreuzer als Füsilier verdient, denn zum Tode Verurteilte gibt es gerade zuhauf. Um seine Familie zu ernähren, braucht aber einen zweiten Job und so wird er Hausmeister bei einer Theatertruppe, die gerade Ferdinand Raimunds Zaubermärchen „Der Bauer als Millionär“ probt. Auch dort machen sich revolutionäre Gedanken breit. Und bald schon steht man vor der Frage, ob man weiterproben oder mitkämpfen soll, denn die Haubitzen und Gewehrsalven stören sowieso längst den Betrieb.

Holzapfel, souverän gespielt von Günter Franzmeier, ist dabei so etwas wie die Mutter Courage der Revolution, denn als kaiserlicher Hilfs-Infanterist ernährt ihn eben auch der Kampf um Leben und Tod. Er fordert nicht Pressfreiheit, sondern endlich die Fressfreiheit. Turrini bietet aber sogar eine Liebesgeschichte auf. Die Schauspielerin Zäzilie, die schon vieles machen musste, um zu überleben und die mit viel Herzblut von Johanna Mahaffy gespielt wird, verliebt sich in den Studenten aus reichem Haus Karl (Julian Valerio Rehrl). In der bewegenden Schlussszene singt sie das traurige „Brüderlein fein“, den raimundschen Abschiedssong der Jugend, während schon das Gewehr auf sie angelegt ist. Ihr Liebhaber Karl wird vom Vater hingegen freigekauft. Die Wiener Revolution wird von Windischgrätz mit 60.000 Mann blutigst niedergeschlagen.

Stephanie Mohr hat sich dem historischen Stück mit viel Fingerspitzengefühl angenommen. Ihre Regie zeichnet sich durch eine schöne Klarheit aus. Nach dem eher mauen Zeitstück ist Turrini mit diesem Revolutionsdrama eine Tragikomödie gelungen, die auf den Theaterbühnen bleiben könnte.

Karten und Infos: josefstadt.org

Szenefoto von „Die Zeit verkehrt herum tragen“ im Kosmostheater. – ©Bettina Frenzel

DIE ZEIT VERKEHRT HERUM TRAGEN – Ein Stück über die Demenz der Mutter im Kosmostheater

Szenefoto von „Die Zeit verkehrt herum tragen“ im Kosmostheater. – ©Bettina Frenzel

Fast alle sind in irgendeiner Weise von Demenz betroffen – viele als Angehörige, manche als Betroffene und fast alle fürchten sich davor, einmal betroffen zu sein, denn alt werden wollen alle – alt sein aber die wenigsten. Die noch in Ost-Berlin aufgewachsene Autorin Bärbel Strehlau hat sich dem Thema mittels eines „dokumentarisch-poetischen Theaterstücks“ angenähert. Bald wird klar: Hier wurde eine eigene Geschichte literarisch aufgearbeitet. Eine jüngere Frau muss ihre Mutter betreuen, nachdem der Vater im Krankenhaus liegt. Und Mutti ist eben dement. Strehlau findet dafür zahlreiche gelungene Bilder, auch der Titel des Stücks ist ein solches. Während sich die Tochter an ihre umsorgte Kindheit erinnert, erkennt sie, dass es jetzt eben umgekehrt ist und sie sich um die Mutti kümmern muss, die nach Hause gehen will, wenn sie auf der eigenen Couch sitzt und nur noch in ihrem Gehirn verwalten kann, was unmittelbar vor ihr ist. Und gut analysiert sie, dass nicht funktionierende Familien in solchen Krisen noch stärker dysfunktional werden, sprich zerbrechen. Die strenge Schwester möchte nämlich Mutti sofort in eine Pflegeeinrichtung abschieben.

Für eine zweite Ebene sorgen im Kosmostheater nicht nur ein Bühnenbild mit beweglichen Würfeln, das schnelle Szenenwechsel ermöglicht, sondern auch die Figur einer – mit Maske gespielten – Puppe, die gerne das Geschehen kommentiert oder konkretisiert. Ein guter Einfall! Mit Mareile Metzner, Else Hennig, Sabrina Strehl und Michael Gangl – letzterer darf einen aus dem Fernsehen heraustretenden Schlagerstar mit viel Sexappeal spielen und singen – ist ein sehr gutes Schauspielteam im Einsatz. Ein wichtiger Theaterabend!


Noch bis 14. Dezember, Infos: kosmostheater.at

Alte Männer ohne Frauen – Uraufführung von Peter Turrinis „Bis nächsten Freitag“ in der Josefstadt. – ©Rita Newman

Alte Männer ohne Frauen – Uraufführung von Peter Turrinis „Bis nächsten Freitag“

Alte Männer ohne Frauen – Uraufführung von Peter Turrinis „Bis nächsten Freitag“ in der Josefstadt. – ©Rita Newman

Zwei ehemalige Schulfreunde beim Treffen im Beisl „Zur tschechischen Botschaft“. Der eine ist Buchhändler und Menschenfreund, der andere Romanistikdozent und Arroganzler. Schon als Kommilitonen waren sie recht unterschiedlich, erfahren wir recht bald. Richie, der Buchhändler, hatte stets Ohren für die Anliegen seine Mitschülerinnen, während Werner nur an ihren Körpern interessiert war. Ihre Strategien haben sich als falsch erwiesen, den nun sind sie anscheinend beide allein.

Symbolik

In Peter Turrinis Auftragswerk für das Theater in der Josefstadt „Bis nächsten Freitag“ werden zwei alte Männer geradezu vorgeführt. Das ist zeitweise ganz witzig, spielen doch die Publikumslieblinge Erwin Steinhauer und Herbert Föttinger mit viel Gespür das ungleiche Paar. Silvia Meisterle als resche Kellnerin und Marcello de Nardo als taubstummer Bruder, der sich gerne für Rollen schminkt, sorgen für Akzente. Regisseur Alexander Kubelka spürte aber wohl die inhaltlichen Lücken und versuchte, dem Drama etwas Symbolik zu verpassen. Gespielt wird in einem sich öffnenden riesigen Tank, das Bühnenbild ist karg und der Auftritt eines kleinwüchsigen Brautpaars wird ins Mystische verklärt. Der längst krebskranke Werner zieht eine Waffe und schießt auf einen Leuchter, der dann im letzten Bild als Pendel schwingt. Auf Verlangen der Kellnerin tanz er mit dem Taubstummen, der sich als Totenkopf geschminkt hat – noch mehr Zeichen geht nicht.

Frust

Das alles kann freilich nicht verbergen, dass die zwei alten Männer bestenfalls skizziert sind. Der Büchermensch Richie wirkt ausgeglichen, dass ihm seine Frauen nur wegen seiner Lesesucht davonrennen, scheint aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Und der Romanist Werner verbreitet eine Verschwörungstheorie nach der anderen, freilich noch halbgarer als die Theorien selbst. Ausländer mag er natürlich auch nicht. So weit, so banal. Als Zuschauer hätte man aber schon gerne erfahren, woher dieser große Frust der beiden alten weißen Männer wirklich kommt. Das Publikum applaudierte freilich nicht nur den Darstellern, sondern auch Peter Turrini recht freundlich.

Infos und Karten: josefstadt.org