Beiträge

Die Wiener Theatermacherin Sara Ostertag hat „Das flüssige Land“ jetzt in einer Theaterfassung (mit Jeroen Versteele) auf die Bühne des Burgtheater-Kasinos gebracht.

„Das flüssige Land“ von Raphaela Edelbauer im Kasino des Burgtheaters

Bild: ©Ruiz-Cruz

Mit ihrem Roman „Das flüssige Land“ über ein fiktives Dorf in Österreich, das in ein Loch zu stürzen droht, wurde die Wienerin Raphaela Edelbauer 2019 in der Literaturszene bekannt. Er stand auf der Shortliste des Deutschen und des Österreichischen Buchpreises. Hintergrund sind die Verbrechen an Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, die die Nazis – etwa in Rechnitz – verübten und deren Spuren bis heute zum Teil noch unentdeckt in der Erde ruhen.

Die Wiener Theatermacherin Sara Ostertag hat „Das flüssige Land“ jetzt in einer Theaterfassung (mit Jeroen Versteele) auf die Bühne des Burgtheater-Kasinos gebracht. Beherrscht wird der Raum von zwei riesigen Trampoline, in einer Ecke singt und spielt live der Musiker Paul Plut anfangs und zwischendurch Songs – von Volksliedern im Dialekt bis zu David Bowie. Die Protagonistin, eine Physikerin, die ins Dorf kommt, um ihre Eltern zu begraben, sowie diverse Dorfbewohner spielen abwechselnd Suse Lichtenberger, Katharina Pichler und Michele Rohrbach – manchmal rezitieren sie auch, während sie auf dem Trampolin hüpfen. Die Rolle der seltsamen Gräfin im schwarzen Reifrock hat Rainer Galke übernommen.

Nach und nach lernen die Zuschauer die seltsame Welt des Dorfes kennen, in dem die Häuser langsam versinken und man für alles eine Bewilligung braucht. Dass die Besucherin ihre Habilitation über die Blockuniversumstheorie – nach der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft eins sind – schreibt, macht die Geschichte natürlich noch mystischer. Und am Ende ist sowieso nicht klar, ob das Ganze nicht ein durch Psychopharmaka ausgelöster Drogentraum war. Es geht wieder zurück nach Wien.

So erleben wir bei „Das flüssige Land“ einen flüssigen Theaterabend – mit einigen Spannungselementen und Höhepunkten. Dass die Grundstruktur des Textes romanhaft ist, bleibt aber immer präsent. Es wird einfach– trotz des Könnens der Darstellerinnen –­ mehr erzählt als gespielt. Warum zurzeit auf fast allen Theatern Wien so viele Romandramatisierungen zu sehen sind, ist eine Frage, der sich Theatermacher stellen müssten. Das Plus im Kasino: immerhin vermittelt man hier Gegenwartsliteratur.


Infos: burgtheater.at

Bertolt Brechts Einakter „Die Kleibürgerhochzeit“ ist eines seiner frühesten Dramen, es fehlt noch alles, was sein späteres Schaffen ausmacht.

Morsches Gehölz – Bertolt Brechts „Die Kleinbürgerhochzeit“ in den Kammerspielen

Bild: ©Moritz Schell

Am Ende bricht fast alles an Mobiliar zusammen, was der Bräutigam selbst gezimmert hat, sogar der Holzboden ist brüchig. Er hätte wohl nicht beim Leim sparen sollen. Bertolt Brechts Einakter „Die Kleibürgerhochzeit“ ist eines seiner frühesten Dramen, es fehlt noch alles, was sein späteres Schaffen ausmacht. Sich über arme Menschen lustig machen, die krampfhaft den Schein von Bürgerlichkeit wahren wollen, hätte Brecht ohne Verweis auf die „Verhältnisse“ später nicht mehr geduldet. Philip Tiedemann inszenierte das Jugendwerk bereits vor Jahren erfolgreich am Berliner Ensemble, wo es unglaubliche 17 Jahre am Spielplan stand.

In den Kammerspielen der Josefstadt setzt er mit dem bewährten Team des Hauses (André Pohl, Therese Lohner, Katharina Klar, Susanna Wiegand, Alexander Absenger, Markus Kofler, Michaela Klamminger, Roman Schmelzer und Jakob Elsenwenger) auf Slapstick und Situationskomik. Bald schon versinkt ein Hochzeitsgast im berstenden Boden. Durch das erhöhte Bühnenbild sieht man den Fuß sogar im Untergrund stecken. Dazu gibt es langatmige, Appetit vertreibende Familiengeschichten, zotige Lieder und respektslose Tänze. Die Hauptperson ist quasi der schlechte Leim – wo immer die Figuren hinlangen, haben sie ein Stück Mobiliar in der Hand oder brechen Wände und Decken.

Das Premierenpublikum dankte begeistert für die gut 80 Minuten Komik. Vielleicht braucht es ja in Zeiten von mit Aussagen überfrachteter Theaterabende wieder mehr Spaß auf den Bühnen.


INFO
josefstadt.org

Immer wieder hört man das Ticken einer Uhr und auch das Programmheft besteht nur aus Stellen über die Zeit aus Manns Jahrhundertroman „Der Zauberberg“.

Katastrophe ohne Anlauf – Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ im Burgtheater

Bild: ©Marcella Ruiz Cruz

Immer wieder hört man das Ticken einer Uhr und auch das Programmheft besteht nur aus Stellen über die Zeit aus Manns Jahrhundertroman „Der Zauberberg“. Das scheint ein logischer Ansatz angesichts der Handlung, denn aus Hans Castorps geplantem dreiwöchigen Besuch seines Vetters in der Lungenheilanstalt in Davos werden bekanntlich sieben Jahre. Das verordnete siebenminütige Fiebermessen dauert in der Bühnenfassung von Bastian Kraft zwar nicht wirklich sieben Minuten, aber eine Szene, in der nicht gesprochen und agiert wird, kommt einem im Theater schon sehr lange vor.

Das eigentliche Regiekonzept von Kraft besteht aber darin, alle vier Darsteller – Felix Kammerer, Dagna Litzenberger Vinet, Markus Meyer und Sylvie Rohrer – in ähnlicher, cremefarbiger Kleidung Hans Castorp spielen zu lassen und die anderen 14 Nebenfiguren – ebenfalls durch sie – mit Videoclips einzuspielen. Dabei leistete die Maskenbildnerin (Lena Damm) Erstaunliches – man muss oft sehr genau hinschauen, um die Schauspieler zu erkennen, die oft konträr zu ihrem tatsächlichen Geschlecht eingesetzt werden. Felix Kammerer spielt etwa die verführerische Russin und ebenso ihren reichen, holländischen Gatten. Gesprochen wird alles live – und so können wir etwa fasziniert die Gespräche der zwei intellektuellen Kontrahenten Settembrini und Naphta verfolgen, die sich später auch noch duellieren und die beide von Sylvie Rohrer dargestellt werden. Solche Szenen erfordern ein perfektes Timing, das alle an diesem Abend bravourös meistern.     

Peter Baur hat einen schematischen Berg auf die Vorderbühne des Burgtheaters gestellt, auf dem die Videos auch eingespielt werden womit er uns öde Leinwände erspart. Das alles vermittelt eine abgeschlossene Welt der Krankheit und der Dekadenz, die benommen auf die drohende Katastrophe – den 1. Weltkrieg – zusteuert. Ein faszinierendes Setting, das vom Premierenpublikum ausführlich bejubelt wurde.


INFO
burgtheater.at

Ein Dorf-Sittenbild aus der Zeit vor der Naziherrschaft – Das Akademietheater spielt Maria Lazars „Die Eingeborenen von Maria Blut“.

Ein Dorf-Sittenbild aus der Zeit vor der Naziherrschaft – Das Akademietheater spielt Maria Lazars „Die Eingeborenen von Maria Blut“

Bild: ©Susanne Hassler-Smith

Alles geschieht im Angesicht der Gottesmutter, die mit Heiligenschein gekrönt, riesengroß aufgestellt auf die Dorfbewohner blickt. In der ersten Hälfte der Romandramatisierung von Lucia Bihler, die auch Regie führte und Alexander Kerlin umschließt sie mit ihrem von zwei Engeln getragenen blauen Gewand quasi den Dorfplatz, wo mit Riesenpuppenköpfen ausgestattete „Eingeborene“ dem böswillig konnotierten Tratsch frönen. Schuld am Unglück – wie die Schließung der Fabrik oder die Inflation – sind immer die Sozialisten und Kommunisten sowie die Juden. In gezwungener Oppositionsrolle steht der als Atheist und Mörder verdächtige Arzt Lohmann, der seiner sterbenden Frau die letzte Ölung, nicht aber das schmerzlindernde Morphium verweigert. Aber gerade er hat einen Sohn, der zu den Nazis rennt. Lazar interessierte vor allem die unselige Allianz von Katholizismus und Nationalsozialismus, die am Ende allerdings gebrochen scheint. Während die Marienstatue fällt, treten Volksredner auf und die neue – auf Spekulation begründete – Fabrik wird vom Mob zerstört.

Die jüdische Wiener Schriftstellerin Maria Lazar (1895-1948) erhielt während ihres Lebens nicht die ihr aufgrund der Qualität ihres Werkes zustehende Beachtung. Seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wird Lazar wiederentdeckt. Im Akademietheater spielte man 2019 ihren Einakter „Der Henker“. Der Roman „Die Eingeborenen von Maria Blut“ erschien 1937 in der bekannten, in Moskau erscheinenden Exilzeitschrift „Das Wort“, die von Brecht, Lion Feuchtwanger und Willi Bredel herausgegeben wurde. Er gilt als einer ihrer Hauptwerke.

Die Dramatisierung im Akademietheater bringt geschickt in kurzen Szenen, die durch einen Lichtflash geteilt werden, die Positionen im Dorf auf die Bühne. Da ist die Haushälterin des Arztes, die Angst hat, abgeschoben zu werden, da ihre Mutter Tschechin war. Da ist der Wirt, der sein ganzes Geld in die wertlos werdenden Fabriksaktien gesteckt hat sowie seine völlig von Maria besessene Tochter. Eine Herausforderung für das Ensemble, denn alle spielen mehrere Rollen oder zumindest die verkleideten Einheimischen – eine starke Leistung von Stefanie Dvorak, die auch die Erzählerin spricht, sowie von Philipp Hauß, Jonas Hackmann, Robert Reinagl, Dorothee Hartinger und Lili Winderlich. Zur sich steigernden Dramatik des Abends tragen auch das Sounddesign von Mats Süthoff sowie das Bühnenbild von Jessica Rockstroh bei.


Infos: burgtheater.at

Statt der Götterwelt tritt in der Volksoper zuerst der Komponist – Jacques Offenbach himself – auf und fordert endlich sein Denkmal in Wien, denn schließlich habe er das Musiktheater gerettet.

 Der Komponist will ein Denkmal – Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ in der Volksoper

Bild: ©Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Statt der Götterwelt tritt in der Volksoper zuerst der Komponist – Jacques Offenbach himself – auf und fordert endlich sein Denkmal in Wien, denn schließlich habe er das Musiktheater gerettet. Dabei glaubt er, in der Staatsoper zu sein, wo sein Meisterwerk schließlich hingehört. Das britische Regieteam Toby Park & Aitor Basauri – bekannt als  Spymonkey – haben Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ eine Rahmenhandlung verpasst und machen mit ihrem Auftritt auch gleich klar, dass man keinen denkmalgepflegten Abend erleben wird. Denn saftige, oft sogar schenkelklopferisch anmutende Komik ist der rote Faden, der sich durch die Aufführung in der Volksoper zieht.

In zweidimensionalen Kulissen (Bühnenbild: Julian Crouch) erlebt man gefühlt alle drei Minuten einen Gag. Da kommt etwa die „Öffentliche Meinung“ (Ruth Brauer-Kvam) auf 8 Füßen daher – sie muss ihre Kommentare aus luftiger Höhe singen. Da tanzen Schafe und englische Polizisten ein lustiges Ballett (Choreografie: Gail Skrela) – und da legt der Höllenhund Zerberus einen riesigen Haufen. Fad wird bei dieser Aufführung sogar Kindern nicht. Die etwas abstruse Handlung der Operette, die bei anderen Inszenierungen wie ein Klotz am Bein sein kann, wirkt in diesem Umfeld stimmig absurd.

Und Alexander Joel am Pult heizt mit dem Volksopernorchester mächtig ein. Auch sängerisch gibt es nichts zu bekritteln: Daniel Kluge als behäbiger Orpheus, Timothy Fallon als verschlagener Pluto und Marco Di Sapia als pantoffelheldenhafter Jupiter begeistern das Publikum.  Auch Hedwig Ritter kann als Eurydike überzeugen.

Ein Abend für alle, denen Operetten sonst zu langweilig und verstaubt sind.


Info: volksoper.at

Die junge Schweizer Autorin Selma Matter wurde für ihr gemeinsam mit  Marie Lucienne Verse geschriebenes Stück „Alice verschwindet“, das zuletzt in Linz Premiere hatte, mit dem Thomas-Bernhard-Stipendium 2022 ausgezeichnet, im Schauspielhaus gewann sie das Hans-Gratzer-Stipendium. Bei der Uraufführung ihres Stücks „Grelle Tage“ hängt nun der Klimawandel als Damoklesschwert über dem Geschehen. Eine Archäologin und ihr Assistent wollen im schmelzenden Eis bei Jakutsk Mammuts vor Elfenbeinjägern – „Mammutdealern“ – schützen und stecken bald im Schlamm fest. Da wird ein Tausende Jahre alter Wolfshund aufgetaut und beginnt zu leben. Der „zerfledderte Hund“ irrt durchs Gelände, während ein weiß gekleideter Mensch die Katastrophe durch die Klimaerwärmung prophezeit. Regisseurin Charlotte Lorenz lässt den apokalyptischen Text in einem weißen, von Vorhängen umkränzten Raum spielen, in dem es nur ein kleines Podest, eine Kühltruhe, eine Eisgetränke- und eine Zuckerwattemaschine stehen. Simon Bauer, Vera von Gunten, Clara Liepsch, Sebastian Schindegger, Til Schindler und Nico Werner-Lobo spielen unterschiedliche Rollen. Bemerkenswert ist vor allem wie der Bub Werner-Lobo schauspielerisch mit dem Ensemble problemlos mithalten kann – zuerst in der Rolle des Hundes, dann als Prophet. Er ist der Star des Abends.

Von Jakutsk zum Matterhorn – „Grelle Tage“ von Selma Matter im Schauspielhaus

Die junge Schweizer Autorin Selma Matter wurde für ihr gemeinsam mit  Marie Lucienne Verse geschriebenes Stück „Alice verschwindet“, das zuletzt in Linz Premiere hatte, mit dem Thomas-Bernhard-Stipendium 2022 ausgezeichnet, im Schauspielhaus gewann sie das Hans-Gratzer-Stipendium. Bei der Uraufführung ihres Stücks „Grelle Tage“ hängt nun der Klimawandel als Damoklesschwert über dem Geschehen. Eine Archäologin und ihr Assistent wollen im schmelzenden Eis bei Jakutsk Mammuts vor Elfenbeinjägern – „Mammutdealern“ – schützen und stecken bald im Schlamm fest. Da wird ein Tausende Jahre alter Wolfshund aufgetaut und beginnt zu leben. Der „zerfledderte Hund“ irrt durchs Gelände, während ein weiß gekleideter Mensch die Katastrophe durch die Klimaerwärmung prophezeit. Regisseurin Charlotte Lorenz lässt den apokalyptischen Text in einem weißen, von Vorhängen umkränzten Raum spielen, in dem es nur ein kleines Podest, eine Kühltruhe, eine Eisgetränke- und eine Zuckerwattemaschine stehen. Simon BauerVera von GuntenClara LiepschSebastian SchindeggerTil Schindler und Nico Werner-Lobo spielen unterschiedliche Rollen. Bemerkenswert ist vor allem wie der Bub Werner-Lobo schauspielerisch mit dem Ensemble problemlos mithalten kann – zuerst in der Rolle des Hundes, dann als Prophet. Er ist der Star des Abends.

Die Darsteller machen zwischendurch Ausflüge in die Kunstwelt – Michelangelos Erschaffung Adams oder Munchs Der Schrei werden nachgestellt – oder sorgen sich um das zerbröselnde Matterhorn. So wirklich dringend scheint das an dem Abend aber nicht zu sein. Zwar rinnt am Ende ein roter Saft – Blut? – die Vorhänge runter, die aktuelle Dramatik der Klimazerstörung erleben wir momentan aber eher in den Tagesnachrichten.


Infos: schauspielhaus.at

Der heuer im März erschienene schmale Text „Zwiegespräch“ von Peter Handke lässt sich locker in einer dreiviertel Stunde lesen und besteht vor allem aus Erinnerungen an seinen Großvater.

Peter Handkes „Zwiegespräch“ im Akademietheater

Bild: ©Susanne Hassler-Smith

Der heuer im März erschienene schmale Text „Zwiegespräch“ von Peter Handke lässt sich locker in einer dreiviertel Stunde lesen und besteht vor allem aus Erinnerungen an seinen Großvater. Die Regisseurin Riecke Süßkow hat für das Akademietheater ein Stück daraus gemacht – mit mehreren Alten und einigen Pflegerinnen – gespielt wird nämlich in einem Altersheim, in dem es fast wie in einer Fabrik streng getaktet zugeht. Die Alten werden von einem Pflegerinnenballett gefüttert, man bringt ihnen die Kleidung und dann müssen sie ein Spiel spielen, das als „Die Reise nach Jerusalem“ bekannt ist. Alle gehen im Kreis und wenn die Musik – etwa der Schlager La Paloma – unerwartet endet, ist ein Sessel zu wenig. Der Übriggebliebene muss bis auf die Kleidung alles abgeben und wird in eine Kammer gesteckt. Für ihn ist es wohl vorbei. Dazu kontrastiert der nachdenklich-erinnernde Text von Peter Handke, in dem es auch einmal ums Spielen – ein trauriges Kartenspiel, denn Großvaters Kumpane sterben nach und nach – geht.

Erstaunlicherweise funktioniert Süßkows Regieeinfall über weite Strecken recht gut – man hat immer etwas zum Schauen, Handkes Sprache funkelt an den unerwartetsten Stellen und die Regisseurin weiß auch noch nach mehr als einer Stunde szenische Akzente zu setzen. Mit Martin Schwab und ihm assistierend Hans Dieter Knebel und Branko Samarovski stehen ihr auch Schauspieler zur Verfügung, die den Handke-Zauber anmischen können. Wobei auch die Pflegerinnen Maresi Riegner und Elisa Plüss Texte sprechen dürfen. Dazu eine skurril gespenstische Bühne (Mirjam Stängl) mit Alibigrünpflanzen und innenbeleuchteten Schränken vor einer ausfahrbaren Holzwand, die meist in Sepiatönen beleuchtet wird. Am Ende – nachdem auch der letzte Großvater, eben Martin Schwab, abtreten musste – gibt es ein bizarres Fest mit Luftballons, wo sich alle wieder einfinden. Sind wir im Himmel oder in der Hölle? Egal, der Abend war recht anregend.

Infos: burgtheater.at


Peter Handke: Zwiegespräch
Bibliothek Suhrkamp
68 Seiten
€ 18,50

Das Traditionskonzert „Christmas in Vienna“ begeistert am 16. und 17. Dezember mit einem hochkarätigen Musikprogramm im einzigartigen Ambiente des Wiener Konzerthauses.

Einzigartiges Ambiente: Christmas in Vienna 2022

Bild: ©Ludwig Schedl

Das Traditionskonzert „Christmas in Vienna“ begeistert am 16. und 17. Dezember mit einem hochkarätigen Musikprogramm im einzigartigen Ambiente des Wiener Konzerthauses.

Seit mehr als 25 Jahren bietet „Christmas in Vienna“ im festlich geschmückten Großen Saal des Wiener Konzerthauses einen musikalischen Ausflug in weihnachtliche Traditionen aus aller Welt. Internationale KünstlerInnen versprechen auch 2022 einen hochkarätigen Musikgenuss. Mit dabei sind Katharina Konradi (Sopran), Jamie Barton (Mezzosopran), Rolando Villazón (Tenor), das Duo Bartolomey Bittmann (Matthias Bartolomey, Violoncello und Klemens Bittmann, Violine, Mandola), die Wiener Singakademie, die Wiener Sängerknaben und das ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Erstmals steht mit Claire Levacher eine Frau am DirgentInnen-Pult. 

Repertoire

Das Musikprogramm erstreckt sich vom klassischen Repertoire über traditionelles Liedgut aus aller Welt bis hin zu populären Weihnachtssongs. „Christmas in Vienna“ gehört zu den begehrtesten Events im adventlichen Wiener Konzert-reigen. Wer bei diesem glanzvollen Abend dabei sein möchte, sollte sich rasch um Tickets bemühen! 


INFO
16. und 17. 12. 2022
christmasinvienna.com

„Apokalypse  Miau“ im Volkstheater

Bild: ©Birgit Hupfeld

Wer sagt, wir hätten momentan schon genug Krisen? Im Volkstheater gibt es jetzt Vulkanausbrüche, Meteroiteneinschläge und zum finalen Schluss noch ein aus dem CERN ausgebrochenes alles verschlingendes Schwarzes Loch. Und erleiden müssen das alles Theaterleute während sie die Verleihung der großen Theaterpreise, der DESTROY (Achtung Wortspiel) beiwohnen. Kay Voges inszenierte die Uraufführung von Kristof Magnussons Weltuntergangskomödie „Apokalypse Miau“ – die Trophäe, die an die Gewinner geht, ist eine vergoldete japanische Winkekatze mit einem zur Megafaust ausgewachsenen Arm. Die Theaterszene macht sich über sich selbst lustig und verschafft uns einen klamaukhaften, kurzweiligen, aber nicht kurzen Abend im Volkstheater.

Diesmal wird nicht gekleckert, Übertreibung ist Trumpf. Die mit niederländischem Akzent sprechende und singende Moderatorin (Evi Kerstephan) will in eleganter Abendrobe das Wiedererwachen des Theaters feiern, während im Pausenraum die Nominierten bereits nörgeln und sich gegenseitig schlecht machen.

Magnusson liefert uns in seiner Satire alle Prototypen des heutigen Theaterbetriebs: Da ist der altlinke Großregisseur (Andreas Beck), der sich über die Gurken am Käse beschwert, da ist die auch schon in die Jahre gekommene woke Feministin (Anke Zillich), der hippiehafte Jungschauspieler (Elias Eilinghoff), der buddhistische Choreograf (Mario Fuchs), die von allen gehasste Schauspielerlegende mit Nazi-Einschlag (Uwe Rohrbeck), der hedonistisch-blöde Autor (Christoph Schüchner) sowie das in Hollywood erfolgreich gewordene Sternchen (Bettina Lieder). Am Ende heißt der Kampf alle gegen alle – bisweilen kaschiert hinter Gesten der Hochachtung. Den Weltuntergang nehmen sie – wie augenscheinlich auch das Leben – solange nicht ernst bis ihnen die Meteroitenbrocken um die Ohren fliegen.

Im Hintergrund sieht man in einem riesigen Fenster Wien bereits in Flammen (Bühnenbild: Michael Sieberock-Serafimowitsch). Nach der Pause startet man dann einen Ausbruchsversuch, denn das Theater wurde längst getroffen. Klarerweise scheitert die Theatergesellschaft mangels Solidarität an diesem Befreiungsschlag. Und bevor das schwarze Loch schließlich  alle und alles verschlingt, haben sich einige bereits erschossen. Eine herrliche Screwball-Comedy und ein Spaß auch für das ausgezeichnete Ensemble.


Infos & Karten: volkstheater.at

Die Stärke der vorrevolutionären russischen Literatur besteht darin, dass sie uns ein gnadenlos vielschichtiges Bild einer erstarrten Klassengesellschaft präsentiert.

Johan Simons bringt Dostojewskis Roman „Die Dämonen“ ans Burgtheater

Die Stärke der vorrevolutionären russischen Literatur besteht darin, dass sie uns ein gnadenlos vielschichtiges Bild einer erstarrten Klassengesellschaft präsentiert. Die Mittellosen leben im Elend, die Reichen langweilen sich und die wenigen, die eine Veränderung wollen agieren brutal und kompromisslos. Sozialer Aufstieg findet nicht statt, denn durch Arbeit lässt sich nicht einmal der bescheidenste Wohlstand schaffen – die Besitzenden geben ihren Reichtum an Ihresgleichen weiter. Das ist auch für uns heute wieder spannend und relevant, weil wir uns offensichtlich unaufhaltsam wieder zu einer derartigen Gesellschaft hinbewegen.

Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821–1881) kannte seine Zeitgenossen allzu gut, bekanntlich landete er ja auch für Jahre im Straflager. In seinem fast 1000 Seiten starken Roman „Die Dämonen“ (zuletzt von Swetlana Geier in „Böse Geister“ übersetzt) lässt er von einem Erzähler zig Figuren auftreten, die die Brüchigkeit der russischen Gesellschaft offenlegen. Wie sich jetzt im Burgtheater wieder herausstellt, ist eine Adaption für die Bühne nur schwer machbar. Die Theaterfassung von Sebastian Huber (auf der Basis von Swetlana Geiers Übersetzung) bringt 11 Personen, die sich auf einem Gutshof in der Nähe von St. Petersburg versammeln, um ausgiebig zu schwadronieren. Man wartet auf den verlorenen Sohn Nikolaj Stawrogin (Nicholas Ofczarek), der einige Jahre mit Reisen durch Europa verbrachte. So nebenbei berichtet er zurückgekehrt, dass er in der Hauptstadt eine arme Minderjährige vergewaltigte, die sich danach das Leben nahm. Ein allzu schmerzhafter Hinweis darauf, wie wenig ein Menschenleben damals zählte. Quasi aus Sühne heiratete er die mittellose, hinkende Marja Lebjadkina (Sarah Viktoria Frick) – was den Heiratsplänen seiner Mutter natürlich im Wege steht. Die furchtlose, Reitgerbe-schwingende, reiche Lisa Tuschina (Birgit Minichmayr) wäre für ihn vorgesehen. In gut 4 Stunden (mit Pause) erleben wir viele Monologe und kaum Dialoge. Die mit Sessel– und Tischgruppen bestückte Bühne mit goldenem Hintergrund (Bühne: Nadja Sofie Eller) bildet dazu den Resonanzraum. Die merkwürdigen, weiten, bunten Hosen (Kostümbild von Greta Goiris) kontrastiert dazu. Am Ende zeigt sich Pjotr Werchowenski (Jan Bülow) im gelben Nazimantel als mordender Bote der grausamen Zukunft. Das exquisite und bemühte Ensemble kann freilich niemals vergessen lassen, dass uns hier Prosa für Drama verkauft wird.


Infos: burgtheater.at