Todestag von Franz Grillparzer
Todestag des „Österreichischen Nationaldichters“
Am 21. Jänner 2022 jährte sich der Todestag des „österreichischen Nationaldichters“ zum 150. Mal. Dabei war der Wiener Poet eine sehr widersprüchliche Persönlichkeit.
Text: Helmut Schneider
„Drum ist der Österreicher froh und frank,
trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden,
beneidet nicht, lässt lieber sich beneiden!
Und was er tut, ist frohen Muts getan.
’s ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein
es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;
Allein, was not tut und was Gott gefällt,
der klare Blick, der offne, richt’ge Sinn,
da tritt der Österreicher hin vor jeden,
denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!“
Diese Zeilen sind aus dem historischen Drama „König Ottokars Glück und Ende“, gehalten vom Gesandten Ottokar von Hornek im 3. Akt, die Franz -Grillparzers zweifelhafte posthume Karriere als österreichischen Nationaldichter begründen. Und das obwohl im Erscheinungs-jahr 1825 Österreich sehr wohl noch eine Weltmacht war und das Drama zwei Jahre in der Zensur-behörde lag, ehe sich die Kaiserin persönlich für die Veröffentlichung einsetzte. Grillparzers „Loblied auf Österreich“ muss jedenfalls seither immer dann her-halten, wenn unsere Nation wieder einmal vom Ausland – Stichwort Waldheim-Sanktionen – „angepatzt“ oder geschmäht wird. Wobei es natürlich mehr als fraglich ist, warum man stolz darauf sein soll, weniger gebildet (es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen) oder mundfaul (denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden) zu sein. Aber was kann der 1791 in Wien geborene und 1872 ebendort verstorbene Dichter denn dafür? Und so wurde das Burgtheater nach der Nazi-Diktatur just mit „König Ottokars Glück und Ende“ wiedereröffnet.
Das Spannende an Grillparzer ist nämlich genau diese Widersprüchlichkeit in seinem zumal für damals sehr langen Leben. Er war zwar (Finanz)Beamter – Hofrat zuletzt – liebäugelte aber mit Ideen der Revolution. Schrieb ein Lobgedicht auf Radetzky („Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich!“) und -bewunderte den Humanismus der Antike – 1843 reiste er nach Athen und Konstantinopel. Dazu kamen private Tragödien. Legendär ist sein Schmachten für Katharina Fröhlich, der er niemals einen Heiratsantrag machte, weil ihm angeblich der Mut dazu fehlte. Und nach dem sensationellen Erfolg seiner ersten Tragödie „Die Ahnfrau“ folgte ein Bergauf-bergab bei den nächsten Dramen. Dazu kamen Kämpfe mit der mächtigen Zensur und dem Kaiserlichen Hof. Aber das haben andere auch erlebt, die wenigsten Dichter haben ausschließlich Erfolge. Grillparzer hingegen zog sich 1848 (ausgerechnet!) quasi ins Privatdichtertum zurück, nachdem sein Lustspiel „Weh dem, der lügt“ am Burgtheater schlimm durchgefallen war. Typisch österreichisch? -Schmollen als Nationalkrankheit? Wer würde so etwas schon behaupten …
Tatsache ist, dass Grillparzers Stücke auch heute noch gespielt werden und sicher nicht nur, weil österreichische Bühnen einen Bildungsauftrag erfüllen müssen – mit dem Schielen auf den Besuch ganzer Gymnasial-klassen lässt sich schon längst kein Spielplan mehr machen. Aktuell etwa eine sehr ansprechende Inszenierung im Theater an der Josefstadt in der Regie von Elmar Goerden und mit Sandra Cervik in der Titelrolle. Modern gemacht, ohne den Grillparzerschen Text zu zerstören, und mit einem Schlussgag – plötzlich fallen alle in ein rosarotes Familienidyll. Man sieht: Das umfangreiche Werk Grillparzers kreist um Themen – bei Medea ist es etwa die Ausländerfeindlichkeit, bei Ottokar die Hybris der Regierenden –, die auch heute noch diskutiert werden müssen.
Bemerkenswert ist auch, dass dem kleinen Franz die Karriere als Dichter sicher nicht in die Wiege gelegt wurde. „Ich bin zu Wien am 15. Jänner 1791 geboren. Mein Vater war Advokat, ein streng rechtlicher, in sich gezogener Mann. Da seine Geschäfte und seine natürliche Verschlossenheit ihm nicht erlaubte, sich mit seinen Kindern viel abzugeben, er auch starb, ehe ich volle 18 Jahre alt war, und in den letzten Jahren seines Lebens Krankheit, die gräßlichen Kriegsjahre und der durch beides herbeigeführte Verfall seiner häuslichen Umstände, jene Verschlossenheit nur vermehrten, so kann ich von dem Innern seines Wesens mir und andern keine Rechenschaft geben. Sein äußres Benehmen hatte etwas Kaltes und Schroffes, er vermied jede Gesellschaft, war aber ein leidenschaftlicher Freund der Natur. Früher einen eigenen, später einen gemieteten Garten selbst zu bearbeiten und Blumen aller Art zu ziehen, machte beinahe seine einzige Erheiterung aus. Nur auf Spaziergängen, bei denen er, auf unglaubliche Entfernungen, manchmal die ganze Familie, häufig aber auch nur mich, noch als Kind, mitnahm, wurde er froh und mitteilsam“, schreibt er in seiner „Selbstbiografie“, die er für einen Almanach verfasste.
Eine nicht eben fröhliche Familie – sowohl ein jüngerer Bruder Grillparzers als auch seine Mutter nahmen sich das Leben. Legendär ist Grillparzers Besuch bei Johann Wolfgang von Goethe, dem deutschen Dichterfürsten. Bei einem Essen mit anderen war er mit am Tisch – als Goethe ihn zu einem Gespräch unter vier Augen einlud, reiste er aber – aus Angst oder Sturheit? – einfach ab.
In Wien gedenkt man Grillparzer natürlich im Burgtheater nicht nur durch die Aufführung seiner Stücke, sondern auch mit einer Büste an der Fassade. Im Volksgarten steht ein pompöses Denkmal. Die gewichtigste Erinnerung an Grillparzer stellt allerdings das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek dar, denn das ist im sogenannten Grillparzerhaus untergebracht: Hier – im damaligen Hofkammer-Archiv – amtierte der Wiener Dramatiker bis 1856 als Direktor des Archivs. Bis heute erhalten ist das originalgetreue Arbeitszimmer, das Einblick in den Alltag des schriftstellerisch so begabten k. u. k.-Beamten gibt.
Und ganz neu: Die Wienbibliothek im Rathaus macht aus Anlass des 150. Todestages von Franz Grillparzer den gesamten umfangreichen Nachlass mit rund 3.300 Einzelstücken digital zugänglich. In der Digitalen Wienbibliothek gehen weiters 30.000 Korrespondenzstücke der Handschriftensammlung online, bis 2025 wird dieser digitale Bestand rund 210.000 Dokumente umfassen, die größtenteils auch frei zugänglich sind.
Informationen
geschichtewiki.wien.gv.at/Franz_Grillparzer
digital.wienbibliothek.at