WIENschräg Nr. 3

Draniki für Minsk


WIENschräg, der Satireblog von Walter Posch.
Foto: Pixabay


Die österreichische Aussenpolitik ist, so sagt man, abgesehen von ihrer sonstigen Konturlosigkeit seit den Zeiten des Aussenministers Mock vor allem ideologiegetrieben und weniger abgeklärt vernünftig, wie man es von einem immer noch neutralen Staat erwarten könnte.

Zwischen hehren demokratischen Zielen und geschäftspolitischen Interessen oszilliert sie insbesonders in den Satellitenstaaten der ehemaligen Sowjetunion je nach Opportunität und internationaler Gemengelage.

So begab es sich, dass kürzlich eine internationale Belaruskonferenz in Wien stattfand, an der sich alle EU-Aussenminister online beteiligten mit Ausnahme Portugals, Spaniens, Frankreichs, Italiens, Maltas, Irlands, Belgiens, der Niederlande, Luxemburgs, Dänemarks, Schwedens, Finnlands, Lettlands, Litauens, Rumäniens, Bulgariens, Griechenlands, Zyperns, Kroatiens, Tschechiens und Ungarns beteiligten, also eigentlich ohnehin fast alle.

Nun ist der seinerzeit mit 80% gewählte weissrussische Präsident Lukaschenko gewiss nicht zimperlich im Umgang mit Opposition und vermutlich etwas übertrieben erfahren in Fragen von Wahlmanipulation, weil sonst hätten ihm 50% der Stimmen auch gereicht, zumal die mit 9% unterlegene Demokratin Tichanowskaja auch unter fairen Bedingungen wohl kaum Präsidentin geworden wäre.

Insofern verdient es Beachtung, dass die mittlerweile im litauischen Exil lebende Demokratin sich gerade Österreich ausgesucht hat, wo Wahlmanipulationen eigentlich fast überhaupt nicht, und wenn dann nur sehr diskret, vorkommen, um für einen „echten“ Dialog zwischen dem Westen und den Menschen in Belarus zu werben.

Der ehemalige Aussenminister Schallenberg und der derzeitige Linhart nicken zustimmend, zumal sie, persönlich integer und über jeden Verdacht erhaben, schon erkannt haben, dass die gegenwärtige Migrationskrise an der belarussischen Grenze zur EU einer Revision der österreichischen Aussenpolitik bedarf, zumal die Erfahrungen mit der Ukraine gelehrt haben, dass Demokratie nur beschränkt gut ist, wenn die OMV etwa gemeinsam mit einem internationalen Konsortium unter der Führung der am noblen Wiener Schwarzenbergplatz residierenden russischen Gazprom gerade eine Pipeline durch die Ostsee baut, sehr zum Ärger des US-amerikanischen Konkurrenten und der solcherart um die Früchte des russischen Erdöls gebrachte Ukraine.

Auch das nicht unbedeutende Deutschland und das von der EU-Kommission heftig gescholtene Polen ignorieren inzwischen die von den Demokratie-Expert*innen der EU-Technokratie lancierten Sanktionen gegen Belarus völlig und treiben schwunghaften Handel, immer auch ein Auge auf die stacheldrahtbewehrte Grenze im Osten gerichtet.

Sogar die bedächtige Angela Merkel soll von den Störfeuern der EU-Kommission schon ziemlich genervt gewesen sein, bevor sie sich, mit einem Gläschen Krimsekt bei ihrem Kumpel Wladimir auf die Fertigstellung von Northstream 2 anstossend, in den wohlverdienten Ruhestand begab.

Solcherart nachdenklich geworden, stimmen die beiden Spitzendiplomaten Schallenberg und Linhart einer Änderung der österreichischen aussenpolitischen Linie zu und organisieren löblicherweise in der Diplomatischen Akademie in Wien für 15 junge Menschen aus der belarussischen Diaspora das Trainingsprogramm „Draniki für Minsk“ zu den Themen Diplomatie, Recht und Rechtsstaatlichkeit, an dem angeblich auch der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurz als Gasthörer teilnehmen soll.

Und kaum war die neue Strategie umgesetzt, waren die beiden im allgemeinen Kommen und Gehen ihre Posten wieder los, lacht der grimmige Autokrat in Minsk.