„Engel in Amerika“ am Akademietheater
„Angels in America“ von Tony Kushner war ein riesiger Broadway-Erfolg der 90er-Jahre, 2003 machte Mike Nichols daraus auch eine grandiose TV-Show mit Meryl Streep, Al Pacino und Emma Thompson – hier in Wien ist die Hans-Gratzer-Inszenierung mit Erich Schleyer in bester Erinnerung. Es geht um den Todeshauch von Aids in der Schwulenszene New Yorks in den 80er-Jahren, aber eigentlich um die politischen Umbrüche der Reagan-Ära sowie die Etablierung von sexuellen Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft. Ein neues Zeitalter – „Millennium Approaches“ heißt auch der erste Teil – bricht an. Aber natürlich geht es auch um Liebe angesichts einer schweren Krankheit.
Im Akademietheater inszenierte jetzt US-Regisseur Daniel Kramer, der im Programmheft von seinem Leben als schwuler Junge im Mittleren Westen erzählt, das Stück, das eben weit mehr als nur ein Schwulen-Kultstück ist. Die Bühne (Anette Murschetz) wird von schwarzen Särgen dominiert, die sich bald als multifunktional erweisen – sie sind Bett, Bar, Pissoir, Sitzbank. Eine wunderbar praktikable und stimmige Lösung. Dazu kontrastieren die verspielt-bombastischen Kostüme (Shalva Nikvashvili) – eine Dragqueen erscheint im Schwanenlook und die tablettensüchtige Frau des schwulen Mormonen als Bärin, ihr imaginierter Reiseleiter als Pille. Im zweiten Teil wächst ein riesiger rosa Ballon, der wie ein Virus aussieht, zu Bühnengröße an, ehe er platzt.
Das Burg-Ensemble (Markus Scheumann, Felix Rech, Nils Strunk, Annamária Láng, Bless Amada, Patrick Güldenberg, Barbara Petritsch, Safira Robens) agiert sehr spielfreudig – viele Szenen sind in der nötigen Dringlichkeit gespielt. Köstlich etwa Markus Scheumann als einflussreicher rechter Lobbyist und Anwalt Roy M. Cohn – eine historische Figur – der seine Homosexualität schlicht leugnet, denn „Homos“ haben keine politische Macht, also kann er keiner sein. Die Story selbst scheint Kramer weniger zu interessieren als die zugegeben gelungenen Einzelszenen, denn der Abend endet ohne Auflösung. Warum etwa die Mormonenmutter aus Salt Lake City anreisen muss, muss für Menschen, die nie das gesamte Stück gesehen haben, schleierhaft bleiben. Das an diesem Premierenabend durchaus jüngere Publikum schien es aber nicht zu stören – die Aufführung hatte durchaus Eventcharakter.
Infos: burgtheater.at