Kunstfreiheit unter Goebbels – Daniel Kahlmanns Roman „Lichtspiel“ über G. W. Papst. Ein Buchtipp von Helmut Schneider.

Kunstfreiheit unter Goebbels – Daniel Kehlmanns Roman „Lichtspiel“ über G. W. Papst

Daniel Kehlmann wird tatsächlich von Roman zu Roman immer besser. Sein Buch über den österreichischen Filmregiegiganten G. W. Papst (geboren 1885 in Böhmen, gestorben 1967 in Wien) zeichnet sich durch bestes schreiberisches Handwerk, Fokussierung auf ein Thema und sogar durch Humor aus. Kehlmann konzentriert sich nämlich auf einen – allerdings sehr wichtigen – Aspekt aus dem Leben von Papst. Warum kehrte er aus Hollywood nach Deutschland zurück als dort bereits Hitler seinen Krieg vorbereitete und wie überlebte er unter der Propagandamaschinerie von Joseph Goebbels im Kulturbetrieb? Und vor allem: Würde Papst dadurch moralisch schuldig?

Gleich zu Beginn steht eine der witzigsten Szenen des Buches, die aber bereits auf das Kernthema hinweist. Ein bereits fast dementer Regieassistent von Papst – Franz Wilzek – hat einen Auftritt bei Heinz Conrads „Was gibt es Neues“ und streitet mit dem stetig mehr angepissten Moderator über einen Film, der kurz vor Kriegsende von Papst gedreht wurde. Dieser Film – „Der Fall Molander“ – nach einem Roman des NS-Dichters Alfred Karrasch – gilt als verschollen und wurde auch nie geschnitten. Allerdings sollen dabei – wie im Roman breit geschildert – KZ-Häftlinge als Statisten eingesetzt worden sein.

In Hollywood hatte man Papst, der sich mit „Die freudlose Gasse“ in die erste Riege der Stummfilmregisseure katapultiert hatte, 1934 genötigt, ein schlechtes Drehbuch zu verfilmen – der Streifen „A Modern Hero“ war dann dementsprechend erfolglos. Er versucht vergebens Greta Garbo – seine Entdeckung – für ein Filmprojekt zu begeistern und kehrt zunächst nach Frankreich zurück. Um seine mutmaßlich kranke Mutter zu sehen, kommt er wieder nach Österreich, das es damals allerdings schon gar nicht mehr gab. In seinem Schloss hat der Hausmeister, ein NS-Parteigänger, bereits die Macht ergriffen. Plastisch beschreibt Kehlmann – permanent die Erzählperspektive wechselnd – auch die Audienz bei Goebbels oder die Kameraden von Jakob, den Sohn des Regisseurs. Der Roman über den Filmregisseur ist dabei durchaus sehr cineastisch geworden. Das mag manche Exegeten der reinen Literaturlehre stören, die Leser werden ihm allerdings danken.


Kunstfreiheit unter Goebbels – Daniel Kahlmanns Roman „Lichtspiel“ über G. W. Papst. Ein Buchtipp von Helmut Schneider.

Daniel Kehlmann: Lichtspiel
Rowohlt
480 Seiten
€ 27,50