Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ wird zum Hit im Burgtheater

Was 1974 geschah, als Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ erschien, lässt sich heute kaum mehr nachvollziehen. Klar, der Text ist eine Abrechnung mit den Praktiken der deutschen Boulevardpresse, unter der der Autor auch selbst stark leiden musste – in der Erzählung ist von DER ZEITUNG die Rede, aber jeder wusste, dass BILD gemeint war. Die Springer-Presse rotierte, sogar der Bundespräsident verurteilte Böll und machte sich selbst zum Gespött, weil er Namen verwechselte und offenbar das Buch nicht gelesen hatte. 3 Millionen erreichte die Auflage des Buches…

Dabei erzählt Böll ziemlich nüchtern anhand von Gerichtsprotokollen die Geschichte der fiktiven Katharina Blum, die auf einer Party einen Mann kennenlernt, der sie am nächsten Morgen wieder verlässt. Was sie nicht weiß: der Liebhaber ist Terrorist und gesucht wegen Raubüberfalls und steht schon längst unter polizeilicher Beobachtung. Sie wird verhört und bereits am nächsten Tag in der Zeitung als Terroristenflittchen verunglimpft. Ein Rufmord, der tagelang weitergeht. Bis Blum den Redakteur zu einem Interview lockt und erschießt. Seine letzten Worte waren „Ich schlage vor, dass wir jetzt erst einmal bumsen?“

Das Burgtheater spielt jetzt die Theaterfassung von Bastian Kraft (eine Übernahme aus Köln, als Burgchef Bachmann dort Direktor war). Der dichte Theaterabend braucht dabei nur 3 – allerdings grandios agierende – Schauspielerinnen, nämlich Lola Klamroth, Rebecca Lindauer und Katharina Schmalenberg, die gleichzeitig in diversen Rollen 3 riesige Videowände bespielen. Der Text wird aber fast immer live gesprochen. Das entwickelt einen enormen Sog, die Protokolle werden dadurch auf wundersamer Weise lebendig. Nun kann man Böll natürlich den Vorwurf nicht ersparen, seine Personen allzu klischeehaft angelegt zu haben. Und was damals die BILD sind heute die – sicher nicht besseren – sozialen Medien. Aber es ist interessant, dass ein derart mit seiner Entstehungszeit verschränkter Text auch heute noch funktioniert. Das könnte ein Theaterhit werden wie der Premierenapplaus vermuten lässt.

Foto: Tommy Hetzel/Burgtheater

Infos & Karten: burgtheater.at