Warhol im Mumok

Abseits der Suppendosen


Im mumok wirft eine Ausstellung einen Blick auf das wenig bekannte, aber überraschend interessante Frühwerk des Popkultur-Chamäleons. Marianne Dobner hat die Warhol-Ausstellung im mumok kuratiert.
Text: Helmut Schneider / Fotos: Stefan Joham


Andy Warhol scheinen alle schon zu kennen. Seine Porträts von Celebrities wie Marilyn Monroe oder Mao, seine Suppendosen und seine „Death and Disaster“-Serie mit Autounfällen und dem elektrischen Stuhl sind fast schon popkulturelle Klischees – ähnlich wie Klimtreproduktionen. Das mumok beschäftigt sich nun aber in den Ausstellungen „ANDY WARHOL EXHIBITS a glittering alternative“ und „DEFROSTING THE ICEBOX“ mit Andy Warhol als Installationskünstler und Kurator. Gezeigt werden dabei auch frühe Arbeiten wie Zeichnungen, die der damals noch als gefragter Illustrator beschäftigte Künstler anfertigte. Kunstwerke, die Warhol später nicht mehr zeigen wollte – war er doch inzwischen selbst zur Kunstfigur und zum lebenden Mythos geworden. Im mumok bekommt man jetzt quasi einen rohen Warhol zu sehen, einen sehr witzigen noch dazu, der in Zeichnungen Penisse als Personen auftreten ließ oder sich über die Modeszene lustig machte. In „DEFROSTING THE ICEBOX“ wird eine Ausstellung dokumentiert, die Warhol Ende der 60er-Jahre in Providence veranstaltet hat – mit Objekten ausschließlich aus den Depot-Beständen des Museum of Art der Rhode Island School of Design. Die Kuratorin beider Schauen, Marianne Dobner, hat dabei auch Warhols Idee aufgegriffen und sich mit Objekten aus dem Wiener Weltmuseum und der Antikensammlung des KHM bedient.

wienlive: Andy Warhol ist einer der meistgezeigten und bestdokumentierten Künstler – warum bringt ihn das mumok jetzt trotzdem?
MARIANNE DOBNER: Wir hatten tatsächlich seit fast 40 Jahren keine Warhol-Ausstellung – die letzte Schau war 1981 im 20er-Haus, als Warhol noch gelebt hat. Der zweite Grund ist, dass ich selbst seit acht Jahren über Andy Warhol forsche und auch meine Doktorarbeit über ihn schreibe – die Ausstellungen sind sozusagen auf meinen Vorschlag hin entstanden.

Warhol ist ja einer der teuersten Künstler – wie schwer ist es da, an Objekte heranzukommen?
DOBNER: Beim Frühwerk ist es nicht ganz so schwierig. Das ist zwar zerstreut – es braucht also viel Recherche, um herauszufinden, wo die einzelnen Arbeiten sind –, aber andererseits sind die Versicherungssummen nicht so hoch.

Es heißt aber auch, Warhol wollte sein Frühwerk eher verstecken …
DOBNER: Ja, das hat er tatsächlich versucht. Ab 1962 hat er sein künstlerisches Frühwerk nicht mehr öffentlich ausgestellt und hat alle Ausstellungsprojekte, die Retrospektiven zeigen wollten, unterwandert, indem er gesagt hat, ihr bekommt meine Leihgaben, aber nur wenn ihr das Frühwerk ausklammert. 

Und warum wollten Sie dann justament das Frühwerk zeigen?
DOBNER: Ich glaube einfach, dass man diesen Mythos Warhol, diesen Charakter ohne Vergangenheit, nur dann verstehen kann, wenn man sich auch mit seinen Anfängen beschäftigt. In den Fünfziger Jahren hat er noch viel experimentiert, er war auf dem Papier sogar mutiger als dann später auf der Leinwand. Vieles hat er damals probiert, was später perfektioniert wurde. Die meisten, die heute Warhol kuratieren, haben Warhol ja noch persönlich gekannt – das ist bei mir nicht der Fall, wodurch ich einen gewissen historischen Abstand zu ihm habe. Mein Vorteil ist: Ich kann sein Werk aus einem anderen Blickwinkel ansehen, denn ich bin einfach aus einer anderen Generation.

Haben Sie ein persönliches Lieblingswerk in der Ausstellung?
DOBNER: Mir gefallen etwa die marmorierten Papierarbeiten gleich beim Eingang sehr gut, die ich im Archiv des Warhol-Museums in seiner Geburtsstadt Pittsburgh gefunden habe. Es heißt ja immer, Warhol habe in den Fünfziger Jahren nicht abstrakt, sondern nur figurativ gearbeitet. Mit diesen Arbeiten kann man das absolut widerlegen.
Spannend ist auch, dass er diese alte Technik des Marmorierens verwendet hat, bei der ein Blatt in einem Bad aus Öl und Farbe so lange geschwenkt wird, bis man die gewünschte Struktur erreicht. Warhol hat die Blätter anschließend zu Papierfiguren gefaltet und an der Wand aufgehängt oder am Boden verstreut.
Das war 1954 – vielleicht also eine seiner frühesten Installationen. Auf der Rückseite der Arbeiten kann man sogar noch Pfotenabdrücke von Warhols Katzen erkennen. Und man sieht, dass sich Warhol bereits in dieser frühen Zeit intensiv mit dem Raum auseinandergesetzt hat.

Zu dieser Zeit hat er ja noch sehr erfolgreich als Grafiker gearbeitet, oder?
DOBNER: Definitiv. Er war in den Fünfziger Jahren wirklich ein sehr gut verdienender Grafiker und hat bis in die 70er-Jahre immer wieder illustriert – etwa Kinder- und Kochbücher. Bereits Mitte der 50er-Jahre konnte er sich dadurch sein erstes Town-House in Manhattan leisten.

Zu den berühmten Silver Clouds. Sie haben die damalige Ausstellung sozusagen nachgestellt?
DOBNER: Ja, „Silver Clouds and Cow Wallpaper“ wurde 1966 bei Castelli gezeigt. Im ersten Raum gibt es nur die Tapete mit den sich wiederholenden Kuhköpfen und im zweiten die mit Helium gefüllten silbernen Kissen. Wir wollten zeigen, dass für Warhol der Raum immer ein wichtiger Teil der Ausstellung war. Es war bewusst als Doppelinstallation konzipiert. Die Idee besteht aus der Darstellung von Gegensätzen – der leere bunte Raum mit der rosa Kuh an der Wand und der monochrome Raum mit den dreidimensionalen, sich bewegenden silbernen Kissen, wo die Gäste auch aktiv werden müssen.

Wie haben das die Besucher aufgenommen?
DOBNER: Nicht so schlecht, wobei gesagt werden muss, dass Warhol in Europa immer besser verstanden wurde als in den USA. „Silver Clouds and Cow Wallpaper“ kam ja später auch nach Köln und einige andere Städte. Und da war das Publikum wirklich begeistert. Man darf auch nicht vergessen, dass das völlig unverkäuflich war – obwohl Castelli schon sehr kommerziell ausgerichtet war.