In Therapie

Anspruchsvolle TV-Unterhaltung


In Therapie. Die Arte Mediathek lädt zu einer Psychoanalyse nach den Terroranschlägen in Paris 2015 – die momentan anspruchsvollste TV-Unterhaltung.
Text: Helmut Schneider / Foto: ARTE


2005 ging in Israel eine TV-Serie auf Sendung, deren Konzept ebenso einfach wie spannend ist: Die Zuschauer erleben eine halbstündige Therapiesitzung bei einem Analytiker und bekommen dabei eindrucksvoll mit, wie Menschen Probleme, Ängste, Begierden verdrängen und wie das Unbewusste ihr Leben bestimmt. Jede Folge eine Sitzung, nach ein paar Folgen sind wir wieder bei Patient 1 und so weiter. Die Serie „BeTipul“ (deutsch: In Behandlung) wurde zu einem internationalen Erfolg, denn sie ließ sich leicht für jedes Land adaptieren. In den USA hieß sie etwa „In Treatment“, es gibt aber auch eigene Fassungen in den Niederlanden, Serbien, Polen oder in Tschechien. Fast fragt man sich, warum in Österreich, wo bekanntlich die Psychotherapie erfunden wurde, noch niemand an eine Adaption gedacht hat.

Neufassung
Jetzt hat Frankreich die Idee aufgegriffen und dem Ganzen noch einen zusätzlichen Kick verpasst. „En thérapie“ (Hier geht es zum Trailer.) spielt nämlich in Paris unmittelbar nach dem größten Terroranschlag, den die Stadt nach dem 2. Weltkrieg erleiden musste. Kein Franzose wird je vergessen, wo er am 13. November 2015 war, als 130 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt wurden – mitten bei einem Sport- oder Kulturevent, im Café oder auf der Straße im Zentrum von Paris. Ein solcher Anschlag lässt niemand kalt, auch wenn er nicht direkt betroffen ist. Und das wird auch bei den Therapiesitzungen schnell klar, in denen es natürlich zuvorderst um Probleme wie Leistungsdruck, Ehekrisen oder männliche und weibliche Rollenzwänge geht. Die Serie ist in Frankreich jedenfalls schon ein Hit. Noch vor dem Fernsehstart hatten dort bereits sechs Millionen Menschen die Serie in der Arte-Mediathek angeklickt, wo bis Sommer jetzt auch bei uns alle 35 Folgen jederzeit online zu sehen sind.

Talent
Die beiden Regisseure Olivier Nakache und Éric Toledano konnten – und das ist auch das Wichtigste bei dieser Art von TV-Show – grandiose Schauspieler verpflichten. Allen voran Frédéric Pierrot als Therapeut Philippe Dayan, der natürlich in allen Folgen zu sehen ist. Ein bisschen erinnert er in seiner professionellen Distanz an Michelle Piccoli. Auch wenn ihm selten aber doch einmal der Kragen platzt, wenn seine Patienten ihre Vorurteile und Neurosen an ihm abzuarbeiten versuchen. Deswegen geht er ja auch wie jeder gute Analytiker zu einer Supervision, nämlich zu einer früheren Kollegin und Freundin, dargestellt von Carole Bouquet, die als 20-Jährige für Buñuel spielte, neben Roger Moore in „James Bond – In tödlicher Mission“ das Bondgirl und viele Jahre lang das Gesicht für Nummer 5 von Chanel war. Zu seinen Patienten gehören so unterschiedliche Charaktere wie die 16-jährige Hochleistungsschwimmerin Camille (Céleste Brunnquell), eine Chirurgin (Mélanie Thierry), die am Abend der Attentate Notdienst hatte, ein Paar (Clémence Poésy und Pio Marmaï), das vor der Frage steht, ob es das zweite Kind abtreiben soll oder nicht und Adel Chibane, Mitglied einer Spezialeinheit der französischen Polizei, der an Panikattacken leidet und sich das natürlich nicht eingestehen will. TV-Unterhaltung ist selten anspruchsvoller.


Lockdown Re-Opening

Wien pur


Pop-Up Kunst. Die Lukas Feichtner Galerie in der Wiener City, Seilerstätte 19, hat am 11. Februar ein Lockdown Re-Opening gefeiert. Nach dem Lockdown Nr. 3 zeigt die Galerie Fotografien von Lukas Beck. Eindrücke aus einer Stadt im Lockdown.
Fotos: Lukas Beck


„Was für ein Moment! Ein paar Stufen erhöht, die Klanginstallation des Kunsthistorischen Museums im Rücken, stehe ich mit meiner fotografischen Apparatur, um die menschenleere Weite, den Blick auf Maria Theresia und das Naturhistorische Museum abzulichten, da radelt ein kleiner Junge daher, baut sich mitten am Platz vor mir auf und schaut mich mit seiner coolen Sonnenbrille so selbstbewusst an, Dennis Hopper nichts dagegen. Ich habe verstanden. Das ist es, was da erzählenswert ist.“

Intensität
Der Wiener Lichtbildner Lukas Beck zeigt in „Wien pur“ Fotografien seiner Geburtsstadt, Bilder von überraschender Dichte, die jene Intensität wiedergeben, die Wien auf seine Bewohner ausstrahlt. Auf jeder Fotografie gibt es ganz viel zu schauen und mitunter auch Erheiterndes zu entdecken. Von magischen Momenten, Liebenden, Bewegungen, die sich in Details der Szenerie wiederfinden, bis zu der beeindruckenden Ausstrahlung der Wiener Bauten, die viel erlebt und noch mehr zu erzählen haben. „Wien pur“ ist aus einem Guss und für den Porträtisten Lukas Beck eine neue Übung. Mit dem Buch „Ostbahnkurti und die Chefpartie“ startete er 1993 sehr jung eine lange Karriere als Fotograf in der Kulturwelt. Als Covid-19 die Stadt zum Erliegen brachte, waren gerade erst seine neuen Plakate für das Wiener Konzerthaus gehängt worden. Plakate, die über Nacht in einer menschenleeren Stadt den Stillstand der Livemusik symbolisierten.

Lukas Beck nahm die Herausforderung an, die Situation für einen Paradigmenwechsel in seiner Arbeit zu nutzen. Seine ruhigen, inszenierten Porträts im gesetzten Licht wichen für „Wien pur“ zufälligen Momenten in der im vollen Sonnenlicht stehenden Stadt.

Wo: Seilerstätte 19, 1010 Wien, feichtnergallery.com
Wann: Di – Fr 10 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 16 Uhr

Für einen Vorgeschmack auf die Ausstellung gibt es auch einen online viewing room.


Wien Pur, Lukas Beck.
160 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-903989-08-5
Erschienen im echomedia Buchverlag. Erhältlich z.B. bei Thalia.

Love Vienna Now

Love Vienna Now


Es gibt viele schlaue Projekte und Ideen, die uns in Wien ein nachhaltiges und gutes Leben ermöglichen. Das reicht von unverpackten Lebensmitteln über geteilte Autos bis hin zum gratis Sprachencafé – und weit darüber hinaus. Die Plattform Love Vienna Now will in Kooperation mit der Wiener Städtischen diesen Initiativen eine Bühne bieten.


Lebenswert

„Wir lieben Wien – nachhaltig! Und wir respektieren und schätzen die Vielfalt an Lebensentwürfen und Chancen, die diese Stadt ermöglicht. Das motiviert uns“, so Ingrid Luttenberger von Love Vienna Now.
„Was wir zeigen, muss immer Drei-in-Eins sein: Freude machen, einen echten Vorteil bringen und nachhaltig sein. Für den einzelnen Menschen, für die urban Community und für die Umwelt.“

Es geht uns darum, schlaue Alternativen und Projekte vor den Vorhang zu holen. Die Prämisse für die Aktivitäten lautet: Nachhaltigkeit. Sie reicht von Ressourcen-Schonung über Müllvermeidung und Klimaschutz bis hin zur Art, wie wir miteinander leben, aufeinander schauen und welches soziale Klima wir ermöglichen.

„Wenn ein Einzelner Nahrungsmittel ohne Verpackung kauft, eine Lese-Patenschaft übernimmt, seinen Balkon in hängende Gärten verwandelt oder auf Solarenergie setzt – das verändert noch nicht die ganze Welt. Aber wo kämen wir hin, wenn jeder in Wien ein Bisschen etwas davon täte?“, meint Luttenberger. Wienerinnen und Wiener sind herzlich eingeladen, Anregungen, Ideen, oder interessante Initiativen vorzuschlagen.
Informationen auf: loveviennanow.at

Kooperation

Ermöglicht wird Love Vienna Now durch die Unterstützung der Wiener Städtischen.

Doris Wendler, Vorstandsmitglied Wiener Städtische – ©Wiener Städtische/Jeff Mangione

„Die Wiener Städtische leistet auf vielfältige Weise ihren Beitrag zu gesellschaftlichen Anliegen – immer verbunden mit dem Ziel, heute für morgen vorzusorgen und zur Sicherung einer lebenswerten Zukunft beizutragen. Dabei ist uns nicht nur die Umweltthematik ein großes Anliegen: Wir legen Wert darauf, unterschiedlichste Projekte und Initiativen mit einem grünen Aspekt zu unterstützen, um so Nachhaltigkeit in all ihren Facetten zu fördern. Aus diesem Grund ist es uns eine besondere Freude, die innovative Plattform ‚Love Vienna Now‘ zu unterstützen und damit unseren Beitrag dazu zu leisten, Wien noch lebenswerter zu machen“, so Doris Wendler, Vorstandsmitglied der Wiener Städtischen.

Pop-Up „Temperance“

Erlesene Nachhaltigkeit


In einem Pop-Up Store am Kohlmarkt bieten Unternehmen sorgfältig zusammengestellte Geschenkideen für Weihnachten. Der Fokus liegt dabei auf Nachhaltigkeit und Innovation. Das Motto lautet „Einkaufen mit gutem Gewissen – und dabei lokale Produzenten unterstützen“.
Fotos: Goodshares


Weil nicht nur unsere Zeit sondern auch die Umwelt kostbar ist, bietet der Pop-Up Store „Temperance“ am Kohlmarkt 12 fertig zusammengestellte Geschenkboxen an. Die sorgfältig kuratierten Pakete enthalten Pretiosen, Geschenke und Gimmicks aller Art – allesamt nachhaltig, regional und hochwertig. Laut Pop-Up Store hat alles, was man darin findet, „Seele und Sinn“.

Temperance-Familie
Was Temperance für Gründer Martin Rohla bedeutet? „Mäßigung ist neben Weisheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit eine der vier Kardinaltugenden nach Platon, Acquin und Kant.“ Es geht immer um das richtige Maß und darum, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren.“ Diese Philosophie findet sich in den Produkten der Temperance-Boxen wieder – der Inhalt ist, denn was man in den Temperance-Boxen finde, habe „Seele und Sinn – ob umweltbezogen oder sozial“. Die Partner der Temperance Boxen sind neben Gmundner Keramik auch Firmen wie LeStoff, Looops, Haan, Hautsinn, Master Lin, Spritzweinmonarchie, Brigantes, Wiener Label, To-take-away, Wild Urb, norderd, Werkkarte, Gemo, und viele mehr.

Die Boxen sind im Temperance-Store in der Wiener City, Kohlmarkt 12 in drei verschiedenen Preisklassen erhältlich: € 95,–, € 145,- und € 195,–.


Helmut Schneiders Leseempfehlung 4.12.20

Gummigeschoss & Vogelflug


True Stories: Colum McCann hat um das Leben eines Palästinensers und eines Israelis einen Roman geschrieben, der aus Poesie Politik macht. Damit ist ihm – jetzt lässt sich das schon sagen – der beste Roman dieses Jahres gelungen. Es geht um zwei im Schmerz vereinte ältere Männer.
Text: Helmut Schneider / Foto: Dustin Aksland


Dass gerade ein (in New York lebender) Ire einen sehr genau beobachteten und auch sehr umfangreichen Roman über Israel und Palästina schreibt, mag nur im ersten Moment verwundern. Denn der Schlüsselbegriff, um den dieser wunderbare Text kreist, ist „besetztes Land“. Damit haben die Iren wahrlich eine längere Erfahrung als die meisten Völker der Erde. Vereinfacht gesagt geht es um einen Palästinenser und einen Israeli, die beide ihre Tochter durch Gewalt jeweils der anderen Seite verloren haben. Aber statt in Hass und Bitterkeit zu versinken, finden die beiden in der Friedensbewegung zueinander. Beide sprechen sie weltweit darüber, warum nur gegenseitiges Verständnis die Grenzen überwinden kann und warum ein besetztes Land immer für beide Seiten ein Problem sein wird. McCann beruft sich auf die wahre Geschichte des Palästinensers Bassam Aramin und des Israelis Rami Elhanan. Der Autor hat genau recherchiert, aber sein Roman ist eben viel mehr als eine nüchterne Reportage. In 1.000 Kapitelchen liefert er einen poetischen Blick auf den Nahen Osten, also jene Region, die heute fast nur noch mit dem Zusatz Konflikt von uns wahrgenommen wird.

VIELECK MIT ENDLICHEN SEITEN
Die Vielstimmigkeit des Textes wird schon im Titel vorweggenommen. Ein „Apeirogon“ ist ein unendliches Polygon (Vieleck) mit einer endlichen Anzahl von Seiten. Nicht-Mathematiker werden sich wundern, dass ein Ding gleichzeitig endlich und unendlich sein kann, aber für den Roman bedeutet es wohl, dass sich zwar niemals alle Aspekte eines Konflikts beschreiben lassen, man sich aber einer Lösung desselben annähern kann. „Apeirogon“ ist nämlich trotz des großen Leids um Verlust und Tod kein pessimistisches oder gar deprimierendes Buch, wie es am Markt sowieso viel zu viele gibt. Im Gegenteil: Als Leser staunt man, wie es Bassam Aramin und Rami Elhanan gelingen kann, in ihrem Schmerz Hoffnung auf Frieden zu finden. Denn McCann erzählt etwa detailliert, wie ein israelischer Soldat die eine Tochter mit einem Gummigeschoss erschießt, als sie sich nach der Schule Süßigkeiten kaufen will, und wie die andere Tochter bei einem Selbstmordattentat eines jungen Palästinensers ums Leben gekommen ist.

Doch daneben erfahren wir auch, dass Israel eine der weltweit wichtigsten Flugrouten für Zugvögel ist oder dass der schon sterbende französische Präsident François Mitterrand sich noch schnell ein paar Ortolane – winzige Singvögel, die in Frankreich als Delikatesse gelten – servieren ließ.
Dazu die Gefängniserlebnisse des Selbstmordattentäters oder die Herstellung und Verwendung von Gummigeschossen. Und immer wieder erfahren wir von den vielen Reisen der beiden Hauptprotagonisten und wie es sich anfühlt, in einem Staat zu leben, der seine Staatsbürger ganz unterschiedlich behandelt. Während sich Israelis – mit moderaten Wasserpreisen verwöhnt – ihre Swimmingpools füllen lassen, können sich Palästinenser die Wassergebüren kaum leisten. Und dazwischen immer wieder der Alltag im Stau zwischen den sich unendlich anfüllenden Checkpoints.

MEISTER DES TONS
Schon in seinem Roman „Die große Welt“ über Philippe Petit, den Seiltänzer zwischen den Türmen des World Trade Centers, hat sich Colum McCann als grandioser Erzähler bewiesen. Es gelingt ihm mit Leichtigkeit für jede Szene den richtigen Ton zu treffen – egal ob von Schrecken oder Schönheit berichtet wird. Und so ist „Apeirogon“ eines der seltenen Bücher geworden, die man nur ungerne wieder weglegt und bei denen man sicher weiß, dass man sie nach einiger Zeit noch einmal lesen wird.


Colum McCann
apeirogon
Aus dem Englischen von Volker Oldenburg.
Rowohlt Verlag,
595 Seiten, € 25,70

Schach-Magazin 2020

Christian Hursky, Präsident des Österreichischen Schachverbunds, mit dem neuen Schach-Magazin. – ©Christian Hursky

Schach, aber nicht matt


Diese Spiel ist ein echter Dauerbrenner: Auf dem Schachbrett treten Spieler schon seit mehr als tausend Jahren gegeneinander an. Im Lockdown erfreut sich der Klassiker großer Beliebtheit, auch die kürzlich auf Netflix erschienene Serie „The Queen’s Gambit“ kommt bei Zusehern gut an. Der Österreichische Schachbund (ÖSB) hat nun anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums ein Magazin veröffentlicht.
Text: Helmut Schneider / Fotos: Christian Hursky, Phil Bray/Netflix 2020


1886 war Österreich nicht nur geopolitisch eine Großmacht, sondern auch auf dem Gebiet des Schach. Denn der Wiener Wilhelm Steinitz wurde Schach-Weltmeister. Typisch seine Karriere: Da er sich kein Studium leisten konnte, spielte er in den Wiener Kaffeehäusern Schach – um Geld zu gewinnen. Daran erinnert der Österreichische Schachbund (ÖSB) in einem – im echo medienhaus erschienenen – schönen Magazin anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums. In diesem Magazin erfährt man etwa, dass Arnold Schwarzenegger im Lockdown Schach spielt – gegen seine Eselin Lulu („Sie wird immer besser…“) und Kabarettist Dieter Chmelar erzählt von seinen Schacherlebnissen sowie tischt uns ein paar Schach-Anekdoten auf (Weltmeister Alexander Aljechin auf die Frage einer Reporterin: „Wo ist Ihnen eine Dame lieber? Auf dem Brett oder im Bett?“ – „Das kommt auf die Stellung an.“). Dazu eine Geschichte des Schachspiels im letzten Jahrhundert mit seinen legendären Duellen.

Anya Taylor-Joy als Beth Harmon in The Queen’s Gambit. – ©Phil Bray/Netflix 2020

Übrigens spielen und spielten auch Frauen eine große Rolle beim Schach. Dazu passt, dass im momentanen Netflix-Hit „The Queen’s Gambit“ eine außergewöhnliche Schachspielerin – ein Waisenkind, das vom Hausmeister des Waisenheims das Spiel lernt – die Hauptrolle spielt. Unbedingte Empfehlung – allein die Ausstattung im Ambiente der Nachkriegsjahre und die Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy (Bild) sind sensationell. Und Schach ist irgendwie auch das Spiel des Lockdowns, das man problemlos auch mit weit entfernten Partnerinnen und Partnern spielen kann.


Online-Adventmarkt

Lokaler Adventmarkt im Netz


Glühwein, Punsch und Kartoffelpuffer – die Adventmärkte gehören in Wien zur Weihnachtszeit und sind nicht aus dem Stadtbild wegzudenken. Heuer werden die Märkte allerdings nicht oder nur beschränkt stattfinden. Für viele KunsthandwerkerInnen fällt damit aber ein beträchtlicher Teil ihres Jahreseinkommens weg. Eine neue non-Profit Online-Plattform bietet nun eine Ausweichmöglichkeit.
Fotos: goina.at, kamptalerie.at, simonspapercraft.com


Heuer finden Adventmärkte nur eingeschränkt oder gar nicht statt. Viele KunsthandwerkerInnen erwirtschaften auf diesen Märkteb aber ihren Lebensunterhalt. Als Ausweichmöglichkeit hat die ADMAN Werbeagentur Adventmarkt 24 ins Lebens gerufen. Die Online-Plattform soll Kunsthanderkerinnen und Kunsthandwerker präsentieren und ihre Produkte bekannt machen. Zusätzlich sollen jeden Tag im Advent, beginnend mit 1. Dezember, einer oder eine der Künstlerinnen und Künstler über Instagram sowie Facebook vorgestellt werden. So können Sie regionale Kleinstbetriebe unterstützen und ein nachhaltiges Weihnachtsgeschenk für Ihre Liebsten finden.

Edle Seifen aus Etzmannsdorf am Kamp. Jede Seife ist ein künstlerisch gestaltetes Einzelstück, handgefertigt aus hochwertigen Rohstoffen. Mehr auf kamptalerie.at.

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entstehen keinerlei Kosten oder Verpflichtungen, es sind noch Plätze zum Mitmachen frei. Wer mitmachen möchte, kann die Agentur über adventmarkt24.at kontaktieren. Die Plätze sind begrenzt!

Stimmig, schön, fast hypnotisierend – die 3D-Kunstwerke von Simons Papercraft. Für Geburtstag, Hochzeit, Weihnachten, oder für sich selbst. Mehr auf simonspapercraft.com.

Heiße Kaffeetassen

Now is better – Stefan Sagmeister designt Illy-Kaffeetassen


Die Reihe der Künstler, die bereits für Illy entworfen haben, ist mehr als eindrucksvoll: Ron Arad, Robert Wilson, Marina Abramovic, Julian Schnabel,  Jeff Koons, William Kentridge oder Robert Rauschenberg sind nur einige der Namen. Seit dem Jahr 1992 ist die von Matteo Thun entworfene Porzellantasse dank einer Intuition von Francesco Illy zur Ikone illycaffè geworden.
Fotos: Illy/Sagmeister


Der Österreicher Stefan Sagmeister, der als Designer innovativer Plattencover für die Rolling Stones oder Lou Reed bekannt geworden ist und sich in Installationen mit dem Thema Schönheit auseinandersetzte, hat die neuen Tassen der illy Art Collection gestaltet. Er stellt seine Entwürfe unter das Motto „now is better“. Denn dem in New York lebenden Künstler geht es zunehmend auf die Nerven, dass ständig behauptet wird, es gehe alles den Bach hinunter. Im Gegenteil: „Wenn man aber den Blick auf die Menschheitsgeschichte öffnet und sich nur einmal die vergangenen 150 oder 200 Jahre anschaut, dann sieht man, dass durchaus nicht alles schlechter geworden ist, im Gegenteil.“, erklärte er der FAZ.

Seine Entwürfe sind zugleich bunt und subtil, denn nur die Untertassen sind farbig, die Tasse selbst ist spiegelnd, sodass sich das unten oben widerspiegelt. Beim Espressotrinken kann man sich auch selbst beziehungsweise seine Umwelt verzerrt sehen. Das Prinzip der spiegelnden Tasse hatte schon 2008 der südamerikanische Künstler William Kentridge für Illy eingesetzt.

Die Tassen bekommt man in ausgesuchten Kaffee-Shops oder direkt bei illy.com


Eine STADT. Ein BUCH.

29 Kurzgeschichten aus Wien


Eine STADT. Ein BUCH. bereitet für 2020 etwas ganz Besonderes vor – Es wird diesmal ein ganz besonders Buch speziell für unsere Aktion: 29 Autor*innen schreiben für Eine STADT. Ein BUCH. jeweils eine eigene, neue Kurz-Geschichte! Mit anderen Worten: Wir schaffen mit 100.000 gratis verteilten Büchern unseren eigenen Bestseller!


Auch wenn heuer, im 19. Jahr der Gratisbuchaktion „Eine STADT. Ein BUCH“, alles anders ist – die 100.000 Bücher mit den 29 Kurzgeschichten aus Wien sind trotzdem frisch und rechtzeitig aus der Druckerei angeliefert worden. Begleitende Veranstaltungen müssen dieses Jahr coronabedingt leider ausfallen, aber im Zentrum steht wie jedes Jahr ohnehin das Buch selbst.

Zwischenbilanz bei EineSTADT.EinBUCH.
Bereits jetzt wurden 30.000 mal die Kurzvideos der Autorenlesungen angeschaut. Die Auslieferung der Gratisbücher wird nach dem Lockdown weitergehen, aber schon jetzt kann man sich Appetit auf die 29 Kurzgeschichten holen. Barbi Markovic, Bodo Hell, Laura Freudenthaler, Julya Rabinovic, Theodora Bauer, Edth Kneifl, Stefan Slupetzky sind bei 3-Minuten-Lesungen zu erleben – die anderen Autorinnen und Autoren folgen in den nächsten Tagen.

Kommen Sie vorbei auf www.facebook.com/eineSTADTeinBUCH oder https://einestadteinbuch.at/lesungen/

All jene Stellen, die das diesjährige Buch ausgeben, sind hier aufgelistet.
Ein Tipp: Bei der Rathausinformation im Rathaus und bei der Wien Energie Erlebniswelt Spittelau sind sicher noch Bücher vorrätig!

Tex Rubinowitz liest aus „Ich höre Farben“

https://www.facebook.com/160212165876/videos/433121551409121

Buchtipp: „Philadelphia Underground“

Der Kunst-Thriller


Der Urlaub ist zwar schon lange vorbei, Zeit zum Schmökern sollte aber immer sein, egal ob Thriller, Sachbuch, biografische Einblicke oder opulenter Bildband. Das Debüt des Kaliforniers Augustus Rose ist ein rasant erzählter, comic-
artiger Roman, in dem ausgerechnet Marcel Duchamp eine große Rolle spielt.
Text: Helmut Schneider / Foto: Piper/Augustus Rose


Gut, geklaut hat Lee schon immer, weil sie das so perfekt konnte, aber dass sie auf der Highschool mit Drogen im Spind erwischt wurde, war ein Unfall und Schuld ihrer besten Freundin Edie. Ab dann nimmt die Geschichte des seltsamen, vorerst relativ harmlosen Mädchens mit schwacher Mutter und nervendem Stiefvater in Philadelphia aber so rasant Fahrt auf wie ein D-Zug. Lee flieht aus dem Jugendgefängnis und kommt in ein Quartier voller Jugendlicher, die tagsüber betteln geschickt werden, und das „Kristallburg“ genannt wird. Im ersten Stock des Hauses werden jene, die sich bewähren, von einer Art spirituellem Führer einer speziellen Behandlung unterzogen. Bevor das passiert, haut Lee freilich wieder ab und hat fortan mehr Angst vor dieser Sekte als vor der Polizei. Denn diese Société Anonyme veranstaltet außerdem spektakuläre, als Rave getarnte Kunstfeste, bei denen immer wieder Mädchen verschwinden, um später als willenlose Zombies aufzutauchen. Werden sie als Sex-Sklavinnen missbraucht? Die Figuren, die dann auftauchen, haben merkwürdige Namen wie der Stationsvorsteher, der Priester oder der Leichenträger. Und nach und nach wird klar, dass sie alle der Phantasie von Marcel Duchamp entsprungen sind. Konkret aus seinem „Großen Glas“ mit dem rätselhaften Titel „Die Neuvermählte/Braut wird von ihren Junggesellen entkleidet, sogar“.

Zwischendurch eine Liebesgeschichte
Augustus Rose ist ein Experte für Subkultur, Metaphysik und natürlich Marcel Duchamp. Im Buch und auf seiner Homepage (augustusrose.me) finden sich viele Hinweise zur Sekundär-literatur. Was „Philadelphia Underground“ (ein englischer Titel, aber im Original heißt das Buch „The Readymade Thief“) so einzigartig macht, ist seine rasante Erzählweise. Seine Pro-tagonistin stürzt atemlos von einem Unglück ins andere und niemals weiß sie mit Sicherheit, wer ihr Freund und wer Spion oder Feind ist. Augustus Rose hat seinem Debüt quasi die Dramaturgie eines Thrillers oder einer TV-Serie verpasst – mit Cliffhanger noch und nöcher. Wäre ein Wunder, klopften da nicht längst schon Produzenten bei ihm an.
Denn auch eine Liebesgeschichte vergönnt uns der Autor, wenngleich eine komplizierte. Nach der Kristallburg stößt Lee auf dem gefährlichen Rave auf Tomi und findet in seiner WG Unterschlupf. Tomi ist ein Künstler und öffnet Lee buchstäblich die Welt der Kunst, indem er sich mit ihr im Kunstmuseum einschließen lässt, wo sie eine auch erotisch spannende Nacht verbringen. Und dann ist Lee auch noch schwanger …

Der Betrachter macht die Kunst
Erstaunlich ist auch, wie viel Rose in diesem Thriller an Kunsttheorie unterzubringen versteht. Für Marcel Duchamp war der Betrachter ein wichtiger Teil des Kunstwerks, seiner Ansicht nach produziert jeder, der sich ein Kunstwerk anschaut, sozusagen sein eigenes Kunstwerk in diesem Prozess. Und natürlich gab und gibt es viele Interpretationen zum „Großen Glas“, denn Duchamp liebte es, seine Adepten an der Nase herumzuführen. Die Mitglieder der Société Anonyme glauben jedenfalls daran, dass sich mit Hilfe von Duchamps Werk endlich die Gegensätze von Quantenmechanik und dem Einstein’schen Modell des Universums auflösen lassen. Man braucht nur die Maschine von Duchamp endlich in Gang zu setzen. Deshalb machen sie auch Jagd auf Lee, denn die hat aus einer Laune heraus einen wichtigen Teil des Kunstwerks mitgehen lassen.
„Philadelphia Underground“ ist jedenfalls mit Sicherheit ein Buch, das man, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen mag.