„Freitag, der Dreizehnte“ – die Hommage an Arnold Schönberg zu seinem 150. Geburtstag

Mit dem Erfinder der 12-Ton-Musik Arnold Schönberg verbindet man nicht unbedingt Spaß und gute Laune, wobei man seiner Person möglicherweise Unrecht tut, denn der Komponist war ein sehr vielfältiger Mensch, der neben Malerei und Spielkarten auch an Fahrkarten für Öffis tüftelte. Und angefangen hat er mit Musik für Kabaretts – er musste ja auch von etwas leben. Im Reaktor in Hernals, dem ehemaligen Etablissement Gschwandner, gratuliert das Theater an der Wien jetzt Schönberg mit einem sehr gemischten und auch abwechslungsreichen Abend. Das Publikum wechselt da zwischen den drei Sälen – zunehmend auch immer gespannter, was sich das Pruduktionsteam (Regisseur Johannes Erath und der leider vor Kurzem verstorbene Dirigent Michael Broder) Neues einfallen hat lassen. 16 Kompositionen von Schönberg werden angestimmt, höchst delikat gespielt vom Klagforum Wien und dem Arnold Schönberg Chor. Im Zentrum stehen die beiden Sängerinnen Anna Magdalena Hofmann und Christine Schäfer, die auch lose eine Handlung improvisieren. Am Pult: Anna Sushon. Immer wieder sehen wir den Mond in Großaufnahme, Schönbergs Wurzeln aus dem Fin de Siecle werden nicht verleugnet und manchmal wehen auch Musiken von Richard und Johann Strauss herüber.

Schönberg litt ja an Triskaidekaphobie, also der Angst vor Freitag, den 13. An einem solchen ist er auch 1951 in Los Angeles verstorben. Lieber schrieb er den Titel seiner Oper „Moses und Aron“ (statt Aaron) falsch, statt auf 13 Buchstaben zu kommen. Am Ende treten im Reaktor auch phantastische Figuren aus dem von ihm entworfenen Kartenspiel auf – der leicht morbide Charme des Hauses bietet dazu einen wunderbaren Rahmen.

Das Premierenpublikum spendete enorm viel Applaus – auch weil sich die großen Häuser Staats- und Volksoper um den Jubilar drücken. 

Infos und Karten: www.theater-wien.at, wird noch am 3., 5. und 7. Mai gespielt

30 Jahre Neue Oper Wien – Intendant Walter Kobéra ist auch Gast bei „Rund um die Burg“

„Begegnungen – Eine Lustfahrt durch neue Opernwelten“ heißt das prächtige Buch, das zum Jubiläum erschienen ist – ein Band mit zahlreichen Fotos aus 30 Jahren.

Die Neue Oper Wien war von Beginn an auf modernes Musiktheater spezialisiert und hat damit dem Mangel an zeitgenössischer Oper abgeholfen, der zu Beginn der 1990er Jahre in Wien und Österreich (und noch immer) herrschte. Ausschließlich Werke des 20. und 21. Jahrhunderts stehen seit 1994 auf dem Spielplan. Hauptsächlich Uraufführungen und österreichische Erstaufführungen. Ohne eigene Spielstätte und fixes Ensemble ist ihr Credo nicht nur die Erschließung neuer Klangwelten, sondern auch neuer Räume und Spielstätten. Mit dem Konzept, sich die Häuser nach den Opern auszusuchen, werden die Räume zu Mitspielern, die Bühnenbilder werden eng an die jeweiligen Räume angepasst, die Akustik wird im neuen Raum erprobt und entwickelt. Werk, Ausführende, Raum und Zuschauer verschmelzen in diesem Spannungsfeld zu einer Einheit. Das Theater findet zu einer neuen Sprache und die Musik gewinnt an emotionaler Dichte. Im Wechselspiel mit Regie, Ausstattung und Musikalischer Leitung werden Räume immer wieder neu definiert und anders bespielt. Spielstätten wie das Odeon, das Semper-Depot, die Bank Austria Halle im Gasometer, die Remise, das Jugendstiltheater oder die Alte Werft in Korneuburg wurden von der Neuen Oper Wien für das Musiktheater erschlossen. Das Buch will auch beweisen, dass „moderne Oper“ und innovative Inszenierungen kein „Schreckgespenst“ für Musikliebhaber bedeuten, sondern zur intensiven Diskussion anregen. Musiktheater als Ort der inhaltlichen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung!

11. 5. 25
10.00 Uhr
Restaurant Vestibül im Burgtheater
Begegnung mit Walter Kobéra und Diskussion über 30 Jahre Neue Oper Wien

Zu Tode gelacht? – „Zentralfriedhof“ als Slapstick im Burgtheater

Szenenbild aus „Zentralfriedhof“. – ©Matthias Horn

Zum „Zentral“ haben die meisten Wiener sicher ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse. Und Wolfgang Ambros „Es lebe der Zentralfriedhof“ (Text Joesi Prokopetz) ist soetwas wie eine Wiener Hymne. Die Erwartungen sind also groß, wenn sich der Deutsche Herbert Fritsch, den man am Burgtheater durch eine sehr witzige und flüssige Shakespeare-Inszenierung kennt, sich diesem urwiener Thema annimmt.

In anderthalb Stunden sehen wir dann auch ein exzellent eingestimmtes Ballett aus 11 Totengräber (und innen – gibt es die inzwischen auch schon in echt?), die wie die großen Vorbilder Jaques Tati oder Charly Chaplin in den kleinen Alltagsdingen scheitern. Bewundernswert ist etwa die Choreografie aller auf schweren Fahrrädern mit Schaufeln. Da sitzt jedes Treten in die Pedale. Hinten auf der Bühne ein Würstelstand mit der Aufschrift „Weils eh schon wurst ist“.

Am meisten nach Friedhofstimmung erinnert der Mittelteil des Abends, als sich die Bestatter in schwarz und in Rüschenkleidung aus dem 19. Jahrhundert verwandeln und sich ein großes Skelett als riesiger Hampelmann bewegt. Immer wieder fallen manche in eine Grube und werden von einem Trampolin wieder nach oben geschleudert. Und aus dem Boden wachsen Köpfe, die sich nicht so leicht wieder nach unten drücken lassen. Am Ende wird ein schauriger Donauwalzer als Totentanz intoniert.

In Summe hat die Vorstellung freilich zu wenig gedankliches Fleisch, viele Gags kranken an Beliebigkeit – man hätte dergleichen auch mit dem orangen Ballett der MA48 aufführen können, da hätte man sich vielleicht weniger Hintergrundgedanken erwartet.

Die Aufführung ist die letzte Premiere in der Direktion von Martin Kušej, der was sein künstlerisches Programm betrifft sicher unter Wert geschlagen wurde. Es gab nicht wenige interessante Premieren und Überraschungen – letztlich scheiterte er an der schlechten Stimmung im Haus, was allerdings auch zu den wesentlichen Aufgaben eines erfolgreichen Leaderships gehört. 

Infos & Karten: burgtheater.at

Angst vor dem Frieden – 4 Shakespeare-Dramen in einer Fassung von Julia Jost am Volkstheater

Szenenbild aus „Rom“. – ©Marcel Urlaub

„Rom“ heißt die Produktion, die Shakespeares Tragödien „Titus Andronicus“, „Coriolanus“, „Julius Caesar“ und „Antonius und Kleopatra“ in einer 2-Stunden-Fassung plus Pause umfasst. Julia Jost, die mit ihrem vielbeachteten Roman „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“ auch am 10. Mai bei „Rund um die Burg“ auftreten wird (17 Uhr, Burgtheater Vestibül) hat aber auch Worte u.a. von David Bowie, Canetti, Bachmann, Lenin, Marx und Theweleit hineinverwoben.

Regie führte der belgische Regisseur Luk Perceval, der vor einem Vierteljahrhundert mit „SCHLACHTEN!“, der Zusammenstellung mehrerer Shakespeare-Königsdramen einen Mammuterfolg u.a. bei den Salzburger Festspielen feierte. Das Bühnenbild ist reduziert. Meist spielt das zehnköpfige Ensemble (Andreas Beck, Runa Schymanski, Friederike Tiefenbacher, Stefan Suske, Lavinia Nowak, Evi Kehrstephan, Claudia Sabitzer, Uwe Rohbeck, Frank Genser, Julia Riedler) vor einer hohen Wand aus hellen Quadern, die bei entsprechender Beleuchtung auch schwarz erscheinen kann und aus der manchmal Wasser quillt. Ein starkes Bild, geht es doch um Macht und wie man diese mit oder gegen das Volk erringen kann. Shakespeare hatte ja bereits in „Coriolanus“ den modernen Populismus bloßgestellt. So richtig wohl fühlen sich die Führer sowieso nur im Krieg, vor dem Frieden haben sie Angst – das kennt man ja auch heute noch.

Fast immer herrscht Finsternis, die mit elektronischen Sounds (Lila-Zoé Krauß) aufgeladen wird, die Gesichter der Darsteller werden von Taschenlampenschein zugleich erleuchtet und verzerrt. Zum Höhepunkt wird ein erotisch aufgeladener Ringkampf zwischen Kleopatra und Antonius in einem knöchelhoch mit Wasser gefüllten Becken vor der Wand.

Keine leichte Kost – ein Abend vielmehr für Menschen, die zuhören können. Die erleben spannende Minuten und gewinnen bisweilen Einblicke in die Mechanismen der Machterhaltung.

Infos & Karten: volkstheater.at

Angebot sucht Nachfrage – Ein Wegweiser durch die Welt der Wirtschaft bei Rund um die Burg

„Wirtschaft war nie so wichtig wie jetzt, trifft uns alle – und wird doch als schwierig empfunden.“ schreibt Reinhard Göweil in seinem neuen Buch „Angebot sucht Nachfrage 2.0. Und tatsächlich wird ihm in Zeiten von Inflation, einem Krieg vor der Haustür und einem nach der Pandemie noch immer stotternden Wirtschaftsmotor niemand widersprechen können. Göweil war jahrelang Wirtschaftsredakteur in diversen Medien und zuletzt Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, aktuell gibt er die finanznachrichten.at heraus.

Grundsätzlich ist es ja mit der Wirtschaft genauso wie mit der Politik – auch Menschen, die verkünden, sie interessieren sich nicht für Politik, sind von den Auswirkungen politischen Handelns direkt betroffen. Zumal es heute ordentlich „knirscht im Gebäck“, wie Göweil schon im Prolog schreibt. Bis zur Covid-Krise herrschte etwa ein sogenannter „Käufermarkt“, da heißt das Angebot überstieg die Nachfrage und Waren wurden tendenziell immer billiger. Eines der (wenigen) positiven Effekte des Neoliberalismus. Allerding mit dem Effekt, dass Firmen ihre Produktion in immer billigere Länder transferieren mussten, damit wir das T-Shirt um 2 Euro kaufen können.

Durch Covid und die Folgen der Trump-Jahre (Hohe US-Zolle) lagen Produktionen allerdings still, die Käufer musste also Waren suchen und teurer bezahlen. Dazu die Kriege und höhere Energiekosten. Der Autor zeigt dazu in klaren Bildern wie Wirtschaft funktioniert und nebenbei was uns der EU-Beitritt gebracht hat – kurz wir wären ein sehr viel ärmeres Land. Schon die Koppelung des Schilling-Kurses an die D-Mark durch Hannes Androsch hatte einen Qualitätsschub für die heimische Industrie ausgelöst, ganz einfach dadurch, dass die Betriebe statt auf Preis auf hochwertige Ware setzen mussten.

In der Pandemie hat Österreich, nach Meinung des Autors jedenfalls gravierende Fehler gemacht, indem Geld einfach für entgangene Geschäfte ausbezahlt wurde, statt dieses an Investitionen zu binden. Wer glaubt, es werde immer so weitergehen wie 2019 noch gedacht irrt gewaltig. Die ungezügelte Globalisierung ist zu Ende, die großen Märkte schotten sich zunehmend ab und die Klimakrise tut ein Übriges. Wir leben gewiss in herausfordernden Zeiten.

Reinhard Göweil wird bei Rund um die Burg über sein Buch diskutieren:
10. 5. in der Stelldichein Meierei Volksgarten, 21 Uhr


„Maria Stuart“ frei nach Schiller im Theater DasTAG

©Anna Stöcher

Höhepunkt aller „Maria Stuart“-Fassungen ist immer die direkte Konfrontation der beiden Königinnen – der herrschenden Elisabeth und der ehemaligen schottischen Königin Maria, die seit Jahren in einem englischen Kerker dahinschmachtet. Im Theater DasTAG in der Gumpendorfer Straße ist die Szene schnell erledigt, nur zu bald beschimpfen sich die beiden und Elisabeth unterzeichnet das Todesurteil ihrer Rivalin. Denn Gernot Plass interessiert am Drama von Friedrich Schiller vor allem die Politik und die Intrige – zweifelsohne ein sehr aktuelles Thema, das sich täglich in den Nachrichten verfolgen lässt. Wobei wir das meiste ja sowieso nur vermuten und ahnen können.

Und der Intrigen gibt es auch bei Schiller mehr als genug. Am Hof von Elisabeth tummeln sich Günstlinge und Einflüsterer, Doppelspione und Karrieristen. Leicester (Markus Hamele) unterstützt heimlich Maria, opfert aber kaltblütig den jungen Mortimer (Raphael Nicholas), um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Elisabeth (Michaela Kaspar) ist im Zentrum des Ganzen, als Königin kann sie sich auch nicht die kleineste Schwäche erlauben, während Maria (Lisa Schrammel) zum Spielball der Mächte verkommt und sich mit ihrem Hochmut das eigene Grab schaufelt.

Politik wird ja von vielen als das denkbar Langweiligste angesehen. Das ist nicht nur gesellschaftlich betrachtet gefährlich, sondern auch falsch wie auch heutige Adaptionen im Unterhaltungsgeschäft – wie etwa die TV-Serie „Borgen“ – zeigen. „Maria Stuart“ im DasTAG ist tatsächlich auch spannend, gegen Ende streut Plass, der sich im Groben an Schiller hält, auch noch ein paar sprachliche Witze ein und ordnet die Besessenheit der Engländer an Ballspielen schon im Elisabethanischen Zeitalter beginnen.

Infos und Karten: dastag.at

Einen Kampf um die (Leit)Kultur gab es auch schon früher – Eine Darstellung der Kulturgeschichte des Austrofaschismus bei „Rund um die Burg“

Im Gymnasium lernte ich noch, dass sich das österreichische Parlament im März 1933 selbst ausschaltete und Dollfuß/Schuschnigg den Ständestaat als letztes Bollwerk gegen Hitler errichten mussten. Ein damals noch durchaus gängiges Geschichtsbild. Inzwischen weiß man, dass die Christlichsozialen schon lange vor der – leicht wieder reparierbaren – Abstimmungspanne im Parlament die Liquidierung der Demokratie planten. Auch, aber nicht nur weil sie mit einem großen Stimmzuwachs der Nationalsozialisten bei den nächsten Wahlen rechneten. Der Hass auf die Sozialdemokratie und das Rote Wien war bei Dollfuß und Co. einfach riesengroß und in der Kirche sahen sie eine starke Verbündete.

Der Ständestaat begann dann auch – spätestens nach den Februarkämpfen 1934 – mit den Säuberungen und der Propaganda auch in der Kultur wie das gerade erschienene Buch „Maskeraden. Eine Kulturgeschichte des Austrofaschismus“ von Alfred Pfoser/Béla Rásky/Hermann Schlösser aufzeigt. Der Titel ist einem erotisch aufgeladenen Kinoerfolg mit Paula Wessely aus dem Jahr 1934 entnommen, denn die Autoren beschreiben die damalige Politik als Maskerade eines brutalen Polizeistaates, der mit den Mitteln der Unterhaltungsindustrie auf schön geschminkt werden sollte. Wie im Nationalsozialismus sollte die Heimat im Zentrum stehen, alles Liberale oder gar sozialdemokratische Denken wurde mit Hinweis auf den katholischen Glauben und das Vaterland getilgt. Man erließ zwar nicht wie Hitler einschlägige antisemitische Gesetze, Juden wurden aber überall benachteiligt. Joseph Roth schrieb etwa in seinem Essay „Juden auf Wanderschaft“ schon 1927: „Es ist furchtbar schwer, ein Ostjude zu sein, es gibt kein schwereres Los als das eines fremden Ostjuden in Wien.“

Das Filetstück der Sozialdemokraten war natürlich das Rote Wien. Partei und Gewerkschaften wurden von den Austrofaschisten verboten, die sozialdemokratischen Einrichtungen wie Arbeiterbüchereien und Volkshochschulen gesäubert. In Zusammenarbeit mit der Kirche wurden auch höchst literarische Werke von Autoren wie Èmile Zola, Jack London oder B. Traven aus den Beständen eliminiert und durch Bücher von Waggerl oder Luis Trenker ersetzt. Selbst Sigmund Freud fand keine Gnade vor der Sexualfeindlichkeit der Machthaber.

Dagegen suchte man nach einer echten österreichischen Leitkultur. Mit allerdings bescheidenem Erfolg organisierte das Regime Weihespiele und Aufmärsche wie eine „Huldigung der Stände“ ausgerechnet am 1. Mai und ausgerechnet vor dem Wiener Rathaus. Malerische Alpentrachten und blaugelbe Pfadfinderhemden waren die neue Mode. Am Ende mussten allerdings auch Vertreter des Regimes einsehen, dass es besser gewesen wäre, gemeinsam mit der verhassten Linken den Kampf gegen die Nationalsozialisten aufzunehmen statt sich ideologisch immer mehr anzubiedern.

Am 11. Mai wird Alfred Pfoser um 10.30 Uhr bei „Rund um die Burg“ das Buch „Maskeraden“ im Restaurant Vestibül vorstellen. Alle Infos: rundumdieburg.at


Das Off-Theater verquickt gekonnt den Sommernachtstraum mit Ulrich Seidls Kultfilm „Hundstage“

Die Besetzung von Sommer.Hunds.Traum. – ©Walter Mussil

Sogar das Wetter meinte es gut mit der Premiere von „Sommer.Hunds.Traum“ im Neubauer Off-Theaters, denn es war der erste wirklich heiße Tag des Jahres.

Und wir sind jetzt im Stück vor einem rustikalen Speckstand irgendwo in der Wiener Vorstadt bei irgendeinem Baumarkt, wo alle bereits in der Früh schwitzen. Schon vorher hat Anna – die Frau mit dem Rededurchfall aus den „Hundstagen“ – die Zuschauer mit Fragen genervt, auf die sie selbst am besten die Antworten kennt wie „Was sind die 10 häufigsten Geschlechtskrankheiten“. Mit dieser Figur im Film ist die Schauspielerin Maria Hofstätter 2001 erst so richtig berühmt geworden. Im Theater ist Sophie Resch – äußerst gekonnt – aber nicht nur die Anna, sondern auch der schelmische Puck aus dem „Sommernachtstraum“. Gelegentlich versucht sie zu zaubern, aber nicht zu oft – Shakespeares Komödie wurde ja – besonders im Sommertheater – schon mindestens 1x zu oft gespielt, nicht wenige Zuseher winken bereits genervt ab, wenn sie von einer Neuinszenierung hören. Doch Regisseur Ernst Kurt Weigel hat sich aus dem Klassiker nur jene Teile geholt, die sich in der Welt von Ulrich Seidl auch richtig gut entfalten können.

Das ergibt fast 2 Stunden höchst unterhaltsames, interessantes Theater. Ein paar Wiener Vorstadttypen richten ein Hochzeitsjubiläum aus, bei dem zu Schweinsbraten und Bier auch ein seltsames Stück aufgeführt werden soll. Es gibt lesbische Liebe, eine überqualifizierte Putzfrau mit migrantischem Hintergrund, Baumarktangestellte, Probleme mit Diebstahl auf dem Parkplatz und jede Menge Vorurteile, die die Figuren vor sich auftürmen. Alle Mitwirkenden müssen zwischendurch  auch tanzen. Neben Sophie Resch als Anna spielen Yvonne Brandstetter, Matthias Böhm, Kajetan Dick, Bernhardt Jammernegg, Christian Kohlhofer, Ylva Maj Rohsmann und Leonie Wahl. Beste Abwechslung in der Wiener Theaterszene.

Alle Infos & Karten: off-theater.at

„Ich habe Adria am Unterarm tätowiert“ – Der Nino aus Wien und sein „Kochbuch Take 16“

Der Nino aus Wien im Café Weidinger. – ©PaulT

Der Nino aus Wien ist seit Jahren eine feste Größe in der heimischen (Alternativ)Musikszene. Seine Heimat ist der Sender FM4, gerne wird er aber auch auf Ö1 gespielt, denn Alben wie „Bäume“, „Ocker Mond“ oder zuletzt „endlich Wienerlieder“ bestechen durch poetische Texte in Wienerisch, oft wurde er schon als der „Bob Dylan vom Praterstern“ tituliert. Aktuelle Hit-Single „Alles 1 Scheiss“.

Autor

Vor kurzem hat Nino Mandl – wie er bürgerlich heißt – aber sein erstes literarisches Buch veröffentlich, ein weißes Bändchen mit dem Titel „Kochbuch Take 16“. Darin zu finden sind Beobachtungen, Zustandsbeschreibungen, Stimmungen. Jede Menge Zeilen zum Nachdenken finden sich darin. „Musikalisch komm ich vom Karaoke. Lyrisch vom Chat. Ich bewundere Menschen für vieles“, heißt es da etwa.

Das Kapitel „Adria“ klingt wie der Nachruf von einem Italien-Urlaub, der schon mit „Caorle my friend“ ansetzt.

Im Interview sagt Nino freilich dazu: „Für mich ist das Buch nicht persönlich. Es ist viel mehr ein distanziertes Buch aus der Beobachtung heraus. Ich persönlich spiele in dem Buch kaum eine Rolle. Für ein wirklich persönliches Buch bin ich zu feig.“

Auch die Kritik, es wäre kein Kochbuch, da es ja keine Rezepte enthält, lässt er nicht gelten: „Es wird alles in einen Topf geworfen und köchelt vor sich hin, ja. Aber ich unterscheide es gar nicht so stark, für mich ist alles zusammen ein Gericht. Ob es dir schmeckt oder nicht ist deine Sache. Geschmäcker sind verschieden. Der Druck im Kochtopf kann stark werden.“

Am 10. Mai wird der Nino aus Wien um 16 Uhr im Vestibül des Burgtheaters „Rund um die Burg“ eröffnen.


Kochbuch Take 16 – Nino aus Wien
Redelsteiner dahimène edition
20,00 €

Vom Wetterpanorama ins Kaffeehaus

„Duo Dynamit“, „Die Kaffeehausspekulanten“, „Die Schnitzelfresser“. Schon zu Beginn ihrer gemeinsamen, der geneigten Öffentlichkeit zugewandten, Musik, war Wortwitz ein verfestigtes Anliegen von Verena Doublier und Sebastian Radon, zumindest nachdem man das schlichte „Doublier/Radon“ rasch verworfen hatte. Schließlich erwies sich „Wiener Blond“ als die „knackigste“ Variante.

Die Ur-Schuld am Zustandekommen von „Wiener Blond“ trägt der Gesangslehrer von Doublier und Radon – beide studierte Musikpädagog(inn)en – am Institut für Popularmusik der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, kurz mdw. Er machte Verena Doublier darauf aufmerksam, dass er einen Studierenden kenne, der, wie Doublier, ebenfalls gerne Texte mit speziellem Humor verfasste und riet ihr, sich mit jenem einmal zu treffen. Der Rat wurde zur Tat und 2012 damit zum Ausgangspunkt des gemeinsamen Performens. Sowohl Doublier, aufgewachsen im 2. Wiener Gemeindebezirk, als auch Radon, mit geburtsmäßigem Hintergrund in der Nähe von Schwechat, waren zwar vor allem großelternseits mit Dialekt konfontiert, sprachen diesen jedoch nicht. Und in der Tat, hört man „Abstandswalzer“, den Eröffnungssong ihres jüngsten Albums „Sinfonien im Souterrain“, offenbart sich zunächst eher ein gekonntes Schönbrunner Salon-Hochdeutsch. Doch schon mit dem darauf folgenden „Soda Zitron“ bahnt sich das Wienerische den Weg.

Thematisch drehen sich die neuen Songs um scheinbar Alltägliches, doch wer hat heutzutage schon alltäglich Zeit und Muße den Tauben beim Taubensein zuzuschauen, während man auf DHL wartet, wer kann sich terminfrei dem Apfelstrudel hingeben und dabei über Thomas Bernhard, Hermann Nitsch oder Sigmund Freud sinnieren, wer kann sich noch – mit Kaffeetscherl im Pyjama – das Wetterpanorama gönnen? Wort- und Sprachwitz fließen Wiener Blond jedenfalls aus den Federn als wäre es das leichteste Unterfangen der Welt. Dabei nimmt Wien eine nicht unzentrale Rolle ein, mit all ihren kleinen, versteckten, für diese Stadt typischen Gemeinheiten und Anspielungen. Humor ist dabei allgegenwärtig.

Zum ersten Mal im Studio war auch das Original Wiener Salonensemble zugegen, mit welchem Wiener Blond seit 2016 immer wieder live zu erleben ist und mit dem sie bereits 2019 die Live-CD „Endlich salonfähig!“ einspielten. Das von Mozart und Schubert über Lanner und Strauß bis hin zu Piazzolla und Gershwin geschulte Ensemble verleiht Wiener Blond zusätzliche musikalische Leichtigkeit, lässt Jahrhundertgrenzen gegenstandslos werden, fügt sich in Wienerlied ebenso wie in Walzer, Chanson, Tango UND Pop. Denn schließlich fühlen sich Wiener Blond vor allem in Letzterem verortet. Bedenkt man, dass wohl auch Mozart, Liszt oder Nestroy zu ihrer Zeit „Pop“ fabrizierten, ein treffender Ansatz. Mit all diesen Ingredienzien – und noch mehr – treiben Wiener Blond gekonnt ihre Spielchen.


CD-TIPP:

  • Wiener Blond & Original Salonensemble „Sinfonien im Souterrain“, Crowd & Ryben Records

LIVE-TERMINE:

VIDEO-PODCAST WIENER BLOND: