Joachim Meyerhoff wieder an der Burg – er spielt in „Der Fall McNeal“ von Ayad Akhtar einen narzisstischen Autor
Bild: ©Tommy Hetzel
Überraschung schon bevor es überhaupt losgeht: Das Publikum sieht sich selbst gespiegelt, aufgenommen von einer Kamera und auf die Riesenleinwand im Hintergrund der Bühne projiziert. Und der Held des Dramas, der erfolgreiche Schriftsteller Jacob McNeal, macht dann auch gleich Selfies – wie übrigens ein großer Teil des Publikums vor Beginn auch. Willkommen in der schönen neuen Multimediawelt.
Doch dann wird es ernst, teilt ihm doch seine Ärztin mit, dass seine Leber seinen Alkoholkonsum nicht mehr lange mitmachen wird. Noch auf der Untersuchungsliege erreicht ihn ein Anruf aus Stockholm – er erhält den Literaturnobelpreis.
Nun ist McNeal freilich ein sehr spezieller Autor. Er ist überheblich, saugt die Erlebnisse seiner Mitmenschen literarisch aus wie ein Vampir und er benützt sogar KI – und das, obwohl er in seiner Nobelpreisrede, die wir miterleben können, von den Schwächen der KI und der Überlegenheit der Dichter schwafelt. Anscheinend ist er auch noch faul. Als größter Akt der Aneignung wird die Verwendung eines Manuskripts seiner verstorbenen Frau – sie hat Selbstmord begangen – für sein aktuelles Buch. Nachdem sie ja alles miteinander besprochen hätten, wäre es schließlich auch sein Buch… Damit mussten Frauen wohl die letzten Jahrhunderte immer rechnen. Und dieser Autor kennt die Literaturgeschichte bestens – alle Großen haben schließlich abgeschrieben, Stücke umgeschrieben, sich Zitate ausgeborgt wird er nicht müde zu referieren.
Joachim Meyerhoff – inzwischen ja selbst Bestsellerautor – spielt diesen hemmungslosen, selbstverliebten Dichter wunderbar stringent. Es ist sein Abend, er ist zwei Stunden lang in allen Szenen im Einsatz. Und natürlich besitzt er auch die Portion Charme, ohne die ein solches Monstrum ja kaum denkbar wäre. Allzu peinliche Gefühlsausbrücke umschifft er aber gekonnt.
Nur 4 andere Darsteller braucht es, 2 spielen Doppelrollen. So ist der durch den Film „Im Westen nichts Neues“ berühmt gewordene Felix Kammerer nicht nur McNeals Sohn, sondern auch die etwas unbedarfte Assistentin von McNeals Agentin, die von Dorothee Hartinger gespielt wird. Zeynep Buyraç ist sowohl seine kühle Ärztin als auch die von ihm emotional ausgesaugte Geliebte in der Schlussszene. Schließlich die afroamerikanische Reporterin der „New York Times“ – Safira Robens –, der McNeal schon ziemlich betrunken erzählt, dass er Harvey Weinstein bewundert.
Regisseur David Bösch setzt ziemlich flächendeckend Videotechnik ein, wohl aus dem oben genannten Grund (Bühnenbild Stephane Laimé, Komponist Arno Kraehahn). Das lenkt bisweilen mehr ab, als es erhellend wirken könnte, zumal „Der Fall McNeal“ ein klassisches Konversationsstück ist, was bestimmt auch zum großen internationalen Erfolg beigetragen hat. Die deutsche Übersetzung stammt von Daniel Kehlmann. Langer Applaus!
Infos & Karten: burgtheater.at