Schon 140 Jahre hat Henrik Ibsens Paradestück über die Mechanismen politischer Entscheidungsfindung „Ein Volksfeind“ auf dem Buckel.

Populismus siegt über Wahrheit – Henrik Ibsens „Ein Volksfeind“ im Theater in der Josefstadt

Schon 140 Jahre hat Henrik Ibsens Paradestück über die Mechanismen politischer Entscheidungsfindung „Ein Volksfeind“ auf dem Buckel. Aber jede Generation findet für sich heraus, wie dieses Drama gerade wieder zur aktuellen Themenlage passt. Die Handlung ist relativ simpel: Ein Kurarzt findet heraus, dass das Wasser der gerade wieder erweiterten Therme gesundheitsgefährdend ist und sein Bruder, der Bürgermeister tut alles, um diesen Bericht zu verunglimpfen. Volk und Presse stehen bald schon auf der Seite des Bürgermeisters, denn eine auch nur vorübergehende Schließung der Therme würde sie Wohlstand kosten. Wenn wie aktuell der Populismus scheinbar wirtschaftlich begründet ist, lässt sich schwer mit Vernunft dagegen ankämpfen.

Denn natürlich hat der Kurarzt (den Roman Schmelzer in der Josefstadt als naiven Wissenschaftler interpretiert) gegen den allglatten und rhetorisch exzellenten Politiker (Günter Franzmeier) nicht die geringste Chance. Regisseur David Böschs „Ein Volksfeind“-Inszenierung in der spielerprobten Arthur-Miller-Bearbeitung ist bewusst eingängig, aber in einigen Details durchaus auch witzig. So gibt es lustige Plakate zur schönen neuen Thermenwelt und gespielt wird auch auf einer Baustelle. Denn nicht nur die Therme wird gebaut, sondern auch das neue Eigenheim für die Familie des Kurarztes. Als es letztendlich  um die Existenz der eigenen Familie geht, hat der Kurarzt praktisch keine Wahl mehr.

So nebenbei zerlegt Ibsen in diesem Stück auch gleich die Illusion einer freien Presse. Erst knickt der Eigentümer des Volksblatts (André Pohl), dann auch der anfangs kämpferische Chefredakteur (Oliver Rosskopf) ein. Die Wahrheit kostet nicht nur der Zeitung, sondern auch den Steuerzahlern einfach zu viel Geld.

Dem Premierenpublikum gefiel es – viel Applaus für eine unterhaltsame Politfarce, die ihre Aktualität wohl – leider – niemals verlieren wird.


Infos: www.josefstadt.org