Roberto Saviano und die TV-Serie „Gomorrha“
Bild: ©Netflix
Roberto Saviano, geboren 1979 in Neapel, ist der zurzeit berühmteste Schriftsteller Italiens. Seine Berühmtheit halt allerdings einen Preis, denn seit Erscheinen seines Mafia-Romans „Gomorrha“ 2006 steht er unter Polizeischutz und muss andauernd seine Wohnung wechseln, denn in diesem Weltbestseller nannte er die Namen der Mitglieder der Camorra und wurde daraufhin mehrfach bedroht. An das muss man denken, wenn man sich jetzt auf Netflix die 5 Staffeln „Gomorrha“ ansieht, denn in dieser Serie geht es wirklich ultrabrutal zu. Nicht nur Mitglieder der „Familien“ und ihre Soldaten werden ermordet, auch viele Unschuldige und kleine Gauner, die die Not zu Verbrechern macht, kommen blutigst ums Leben. „Italien ist ein gefährliches Land – mit einer gewaltvollen Politik, einer unvollendeten Demokratie und einem feigen Vasallen-Journalismus“, erklärte Saviano in einem Interview.
Die TV-Serie, die meist an den Originalschauplätzen in den heruntergekommenen Sozialsiedlungen Neapels und nach Salvianos Roman gedreht wurde, zeigt uns das Leben in unserem Nachbarland abseits des Dolce-Vita-Klischees. Die Polizei wird nicht ernst genommen und bei Bedarf geschmiert, die Politik ist oft selbst in Korruption verstrickt. Es geht immer nur darum, dass die Richtigen am Gewinn profitieren. Schwer verständlich für Nicht-Italiener ist die enge Beziehung der Mafia-Bosse zum katholischen Glauben und zur Kirche. Nach dem Mord wird gebetet, Madonna-Statuen sind selbst noch im kleinsten Versteck. Und ihren bisweilen gar nicht so großen Reichtum genießen die Drogenhändler in völlig verkitschten kleinen Wohnungen mit Prunk nach dem ästhetischen Geschmack von Donald Trump. Die von Gier und Eitelkeiten gesteuerten Konflikte und Schachzüge würde man gerne der blühenden Phantasie der Drehbuchschreiber zuschreiben, wenn man nicht wüsste, dass sie vom penibel recherchierenden Roberto Saviano stammen. In einem Interview erklärte er einmal das Denken in Italien mit dem berühmten Pferde-Wettkampf in Siena. Ziel des Palio wäre nicht zu gewinnen, sondern dafür zu sorgen, dass auf keinen Fall der Gegner und Nachbar Erster wird.
Auch wenn die Dialoge nicht immer wirklich glaubhaft klingen, die Kameraführung ist sehrgelungen. Und die Lichttechniker schaffen es, eine ganz eigene Farbigkeit zu kreieren, die an alte Farbfilme (als es noch Agfachrome gab) erinnert. Ein Sommertag in Neapel scheint in Licht zu ertrinken.
In seinem neuesten Roman „Falcone“ setzt Saviano nun einem noch berühmteren Mafia-Jäger ein Denkmal. Der hartnäckige Untersuchungsrichter Giovanni Falcone starb bekanntlich 1992 bei einem Sprengstoff-Attentat der Mafia in Palermo. In der Vorbemerkung heißt es da (angesichts der haarsträubenden Geschichten, die er dann erzählt): „Alle auftretenden Personen hat es wirklich gegeben, jedes Ereignis ist tatsächlich geschehen. All das ist gewesen.“
Gomorrha ist auf netflix.com zu sehen.
Roberto Saviano: Falcone
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Hanser
548 Seiten
€ 32,00