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Shakespeare in langsamer Düsternis – „Ein Sommernachtstraum“ im Burgtheater

Bild: ©Matthias Horn

Man gibt wieder einmal den Sommernachtstraum, das vielleicht vielfältigste Stück des großen William Shakespeare. Im Burgtheater präsentierte man als Koproduktion mit der Ruhr Triennale (Duisburg), wo im Sommer bereits die Uraufführung lief, vor allem mit Hauskräften und unter der Regie von Barbara Frey dies alles (?) in etwas mehr als durchgehenden zwei Stunden. Es war schon eine zwingende Aufführung als ein dahinziehendes Gesamtbild mit Drehbühne und vor allem (seit Wochen in den Medien derart beworben) mit dem „Gag“ (?), dass die Männer und die Frauen mehrfach die Rollen wechseln. (Achtung: Aktuelle Diskussion!) Ein wenig Musik gibt es zum Auflockern. Die Sache ist stets in ein Grau getaucht. Es wird nie laut, nie ausgelassen, manchmal zieht es sich, die Sprache ist nett gefasst, aus dem Ensemble stechen Sylvie Rohrer und vor allem der Zettel des Oliver Naegele hervor. Weitgehende Begeisterung wogte im Premieren-Publikum, das sich – das Stück wurde allerdings bewusst als ernsthafte Auseinandersetzung mit Ängsten, Fluchtgedanken oder Partnerproblemen inszeniert – manchmal wie im Sommer-Bauerntheater laut kichernd gerierte. Na gut.

Eine Neudeutung ist das nicht gewesen, viel Stehtheater gab es, manchmal wurden die Texte mehr oder weniger nur aufgesagt. Na, auch gut.

Es sei aber zu diesem Anlass (Saisoneröffnungspremiere und internationale Produktion) erlaubt, doch drei Dinge anzumerken:

. Das arge Bühnenbild (mit Fensterscheibenreihen zwischendurch, mit ein paar leicht kaputten Bäumen und mit vier, im Sand halbversunkenen Auto-Wracks) ist in Zeiten von Klimakatastrophen zumindest etwas grenzwertig.

. Es strengt an, eine Inszenierung verfolgen zu müssen, wo sich nichts entwickelt, noch dazu im „Sommernachtstraum“!). Meistens kommen und gehen die Protagonisten, liefern was ab und verschwinden wieder im satten Herbstnebel.

. Aber dann! Ja, ganz bewusst jetzt behauptet: Es geht zu, wie in vielen Inszenierungen jüngst in diesem Theater (es sei beispielhaft auf die Stücke Geschichten aus dem Wienerwald, Die gefesselte Fantasie oder die letzten Inszenierungen von Jelinek-Texten verwiesen, ja sogar zudem auf die handwerklich ausladende, intensive Zauberberg-Bearbeitung), also, nochmals und weiter bewusst salopp: Es geht zu, ohne dass man wirklich mitkriegt, worum es geht. Oder noch schärfer gesagt: Würde man, ohne zuvor irgendwas über den Inhalt des Stückes zu wissen, da ins Burgtheater hineingesetzt, man hätte am Schluss keine Ahnung, worum es auch im weitesten Sinn eigentlich gegangen ist.

[N.B. das ist zwar bei einem Großteil der gängigen Opern auch so, doch dort entschädigt zumeist die Musik.]

Von Otto Brusatti


Infos & Karten: burgtheater.at

Otto Brusatti: Zum Putin-Verstehen!

Text: Otto Brusatti / Foto: Bubu Dujmic

Und zum Putin/Russland-etc.-Götterdämmern.

Ja, die „Wagner“-Truppe, die sich ja expressis verbis in Verehrung sogar nach dem Richard nennt.

Bloß, wer ist wer? Putin ein Siegfried und Prigoschin ein Hagen, ein Alberich? Der Joe Biden mit dem Scholz-Olaf und eventuell dem englischen/französischen Bundeskanzlertypen: Rheintöchter. Und der Fafner in der Gestalt der Oligarchen. Und die Nornen das Direktorium der Salzburger Festspiele? Und die Mannen eben die Mannen?

Die Gutrune eher die Meloni oder auch die EU-Chefin herself.

Der Xi eine Art Scheinsoft-Hunding.

Und was war dann das eben abgelaufenen Treffen in Südafrika, zu dem der Putin nicht durfte, wo sich aber der Modi und der Lula aufgepudelt und doch nur wie ein lächerliches Zwergen-Zwillingspaar gewirkt haben (Siegmund und Sieglinde)?

Brünhilde wäre jedenfalls zu besetzen mit österreichischen Ex-Außenministerinnen oder Aktuell-Verteidigungsministerinnen.

Und so weiter.

Aber der Selenskjy? Wotan? Nur Gunther? Ein Mix-up aus Donner und Froh?

[Und doch, apropos Wagner: Ist die Putin-Prigoschin-Sache nicht vielleicht nur eine Tannhäuser-Parodie mit all den lächerlichen Sänger-Kriegern oder dasselbe – gesteigert wie stets – mit sogar Meister-Sänger-Kriegern?

Und doch: Es ist vielleicht bloß ein Shakespeare: mehrere Richards, Coriolans und Caesar-Brutonen in einem Anti-As-you-like-it?]

Mit verzagten Grüßen (gez. der Lohengrin – oder besser eigentlich bloß: der Bruder der Elsa, am Schluss der Oper vom Über-Parsifal aus dem Schwanenwagen gehoben, „Seht her, den Helden von Trabant! Zum Führer sei er euch ernannt!“ – übrigens, und ungemein trefflich in der Parodie des Nestroy mit anderem Namen versehen, nämlich Pafnutzi.)


Schubert Mengen – Kolumne von Otto Brusatti

Schubert Mengen – von Otto Brusatti

Schubert Mengen – Kolumne von Otto Brusatti
Illustration: Berenice Darrer

Die Frage hat man schon so oft gestellt und sie quasi verzeihend-lächelnd zurückgenommen. Allein – wie schafften das die Großmeister überhaupt? Jene Komponisten, die nun Riesenbüsten in Konzertsälen haben oder starre Steinabbilder in Parks, die Straßennamen oder Festspielzyklen gewidmet bekamen! Schubert ist einer davon. Aber Vorsicht. Ein Nachrechnen, vor allem bei ihm, ebenso wie beim Händel oder Telemann, beim Haydn, Mozart, Beethoven oder Schumann wird nicht nur verblüffen, sondern gar verstören.

Werkverzeichnisse, also die Großabstraktion, täuschen auch. So verbergen sich etwa im Bach- oder im Köchelverzeichnis viele tausend Minuten an oft vielstimmigster Musik in Hinweisen, zusammenfassend und faktentreu, auf Millionen von Takten oder Noten.

Rund herausgesagt. Es ist nicht nachvollziehbar, wie dieser Franz Schubert seine rund 1.000 Kompositionen in etwa 18 Jahren geschrieben hat, selbst wenn im Genialen konzipiert. Unter diesen sind zudem Sammlungen oder Zyklen, sind mehr als ein Dutzend an Opernarbeiten, manche (obwohl kaum zu prägenden Hauptwerken geworden) beinahe im Umfang wie beim frühen Wagner. Aber – über 600 Lieder, Kammermusik, Sonaten, Symphonien, Messen, Chöre …

Allein um heute sein Werk bloß zu kopieren (vom Skizzieren, das er sowieso vergleichsweise geringhielt, nicht zu reden), bräuchte ein Notenprofi Jahre. Und es gibt bei Schubert fast keinen einzigen Schreibfehler. Aber er formulierte die Vokalmusik neu und gültig bis heute, er war perfekt in den Formen. Tja, er schloss schon mit 31 Jahren das Komponieren todesbedingt ab. Beethoven war zu dieser Lebenszeit erst am Durchbruch, selbst Mozart hatte in dem Alter noch ein Drittel seines Hauptwerkes vor sich.

Ein Exemplum bloß für den Kompositionsfuror, welchen dieser gern als gemütliches Schwammerl Tradierte aus sich herausließ; in Wien, in Untermiete, mit wenigen sozialen Kontakten lebend; aus den letzten Monaten, nur aufgezählt in Hauptwerken, die zum Größten der Kunst auf dieser Welt überhaupt zählen. Letztes Schaffensjahr: mehrere Riesensonaten, die Symphonie in C, Winterreise, ein Dutzend an Klaviergroßmusiken, Geistliches, das Streichquintett … (allein aus solchen Werken zusammengezählt, die Weltkulturerbe wurden: beinahe 17.000 Takte). Verstörend beinahe.