Wolf Haas erinnert in einem berührenden Buch an seine Mutter.

Wolf Haas erinnert in einem berührenden Buch an seine Mutter

Am Land ist das halt so. Man muss in einem eigenen Haus wohnen, denn zur Miete leben nur die Versager. Der vor allem als Krimischriftsteller erfolgreiche Wolf Haas hat die Geschichte seiner Mutter aufgeschrieben und herausgekommen ist ein Stück Heimatliteratur der anderen Art. Als er seine Mutter, die nur noch wenige Stunden von ihrem Tod entfernt ist, besucht, geht es ihr zum ersten Mal gut – was den Sohn ziemlich überrascht, hatte sie doch ihr Leben lang nur geklagt. Und zweifelsohne gab es auch viel zu klagen. Ihre Vorfahren, kleine Bauern in Salzburg, verloren durch den Wunsch, sich zu vergrößern, alles und immer, wenn sie genug für eine Anzahlung auf einen Grund gespart hatten, betrug die Anzahlung bereits das Doppelte. Die Mutter arbeitet nach dem Krieg in der Schweiz und erhält mit ihrem geringen Verdienst als „Servierschwester“ die Familie. Zurückgekommen wird sie im Haus, das sie selbst mitfinanziert hatte, nur geduldet und erkämpft sich eine Wohnung von der Gemeinde. Das große Ziel ihres Lebens wird ihr quasi erst mit dem Grab erfüllt – die paar Meter auf dem Friedhof nimmt sie mit dem Begräbnis in Besitz. Das erinnert an das berühmte Gedicht von Bertolt Brecht (Mein Bruder war ein Flieger): „Der Raum, den mein Bruder eroberte/Liegt im Guadarramamassiv/Er ist lang einen Meter achtzig/Und einen Meter fünfzig tief”.

Haas schildert das sparsame Leben seiner Mutter respektvoll, aber genau. Wie die Inflation das Geld vernichtete, wie sie als Übersetzerin für die Amerikaner arbeitete und im Krieg fern der Heimat Arbeitsdienst verrichten musste. Er nimmt aber auch immer wieder Details in die Erzählung. Etwa wie der Totengräber – die Gemeindewohnung lag direkt am Friedhof –  seiner schweren Arbeit nachging. Frag etwa, warum beim Begräbnis von Männern immer die Blechbläser spielen und bei jenen der Frauen nur der Chor singt. Zwischendurch blitzt natürlich auch der Humor von Wolf Haas auf: „Genervt von der tausendfach gestellten Frage ,Kann man vom Schreiben leben?‘ wäre ich auf den Titel gekommen ,Kann man vom Leben schreiben?‘“. Und während seine Mutter begraben wird, denkt der Erzähler darüber nach, ob er das gerade Erlebte und Gedachte für eine Poetik-Vorlesung verwenden, oder seinen Auftritt lieber absagen soll. Ein wunderbares kleines Buch zu einem großen Thema.


Wolf Haas erinnert in seinem neuen, berührenden Buch „Eigentum“ an seine Mutter. Ein Buchtipp von Helmut Schneider.

Wolf Haas: Eigentum
Hanser
160 Seiten
€ 23,50