Zwillingsgeschwister – Jente Posthumas Roman „Woran ich lieber nicht denke“ über einen Verlust
Zwillinge sind wohl eine eigene Spezies. Gleichalt aufwachsen, oft sich ähnlich sehend und doch verschieden, sofern es sich nicht um eineiige Zwillinge handelt. Die niederländische Autorin Jente Posthuma beschreibt ein solches Zwillingspaar aus der Sicht des Mädchens, das um ihren Zwillingsbruder trauert, der sich mit 35 Jahren das Leben genommen hat. Dass sie das nicht mit teigigem Trübsinn macht, verleiht dem Roman den nötigen Charme und die gebotene Ernsthaftigkeit. Die Schwester erzählt jeweils in kurzen Sequenzen, in denen sie in Zeit und Thema springt. Etwa indem sie von den Zwillingsexperimenten Josef Mengeles berichtet, vom Einsturz der Twin Towers oder vom Selbstmord Sylvia Plaths.
Der Bruder war nur 45 Minuten älter, nannte sich aber „Eins“ und die Schwester (wie selbstverständlich) „Zwei“. Er war anfangs der Robuste, immer Quirlige und die Schwester die Fragende. In der Schule wird er gemobbt, denn früh zeigt sich auch, dass er homosexuell ist. Die Schwester zieht sich zurück und verwendet Pullover als Ersatz-Kuscheltiere. 142 bunte Pullover umfasst ihre Sammlung, als sie konstatiert: „Es wurde Zeit, in Therapie zu gehen.“ Sie findet freilich einen verständnisvollen Partner, der ihr sogar nachsieht, dass sie nach dem Tod des Bruders nächtelang in dessen naher Wohnung schläft.
Der Roman wurde zurecht für den Booker-Preis nominiert. Ein sehr genaues Porträt einer Zwillingsbeziehung und eines Verlustes.
Jente Posthuma: Woran ich lieber nicht denke. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Luchterhand, 256 Seiten, € 23,95